Die arme Musikindustrie

Mit diesem Artikel muß ich jetzt ganz vorsichtig sein. Schließlich lebe ich selbst von, mit, in dieser Branche. Aber das Geheule der Musikindustrie geht mir schon ganz schön auf den Senkel. Golem berichtet, daß die Plattenfirmen mal wieder über Umsatzeinbußen klagen und alle Schuld auf die Raubkopierer schieben. Dabei ist das natürlich nicht ganz so einfach. Meiner Meinung nach ist verfehlte Labelpolitik ganz sicher auch ein Faktor, warum die Stückzahlen sinken. Dazu kommt, daß ich heute teilweise CDs kopieren MUSS (nämlich ausgerechnet die mit Kopierschutz), damit ich sie überhaupt in meinem Diskman oder im Auto abspielen kann. Diese CDs sind durch ihren Kopierschutz nämlich gar nicht mehr wirklich AudioCD – kompatibel und einige Player können sie daher nicht lesen. Zu blöd. Zumal ich mich damit schon strafbar mache. Aber wenn ich dann schon mal kopiere, dann ist die Hemmschwelle, direkt ’ne Kopie für den Bekanntenkreis mitzumachen, auch nicht mehr hoch.

Außerdem frage ich mich, was denn der Unterschied der jetzigen Kopien zu den Kassettenaufnahmen in meiner Jugend ist. Wir haben als Jugendliche Tonnen an Cassetten kopiert und gehört. Letztlich habe ich dadurch viele neue Sachen kennengelernt und mir die Platten dann bei Gefallen auch gekauft. Das sehe ich heute genau so. Wenn mir eine Scheibe gefällt, dann kaufe ich sie. Schon wegen des Booklets. Und da bin ich in meiner Altersklasse nicht allein.

Ich sehe das Problem eher darin, daß ich heute kaum noch eine faire Chance habe, Fan eines Künstlers zu werden. Bis ich den Namen schreiben kann, ist er schon lange abgesägt und der nächste Act steht in den Charts. Vielleicht bin ich aber einfach nur zu alt für die Charts geworden. Mag ja sein.

Daß das aber nicht ganz so einfach ist, belegt vielleicht auch mein Beruf: durch die ungeheuere Verbreitung von Schwarzkopien müssen Künstler ja unglaublich bekannt und beliebt sein, die Konzerte also alle aus den Nähten platzen. Ach. Das stimmt nicht ? Die Konzerte sind unter’m Strich auch nicht voller als früher ? Ja dann…. Daß dafür die Labels bestimmen wollen, welche Radiostation einen Song nun spielen darf und welche nicht ist auch bezeichnend. Da wird dann die Musikauswahl eines Senders in Zukunft noch weniger von den Musikredakteuren, sondern nur noch von der Industrie bestimmt. Super !  Mich kotzt Formatradio heute schon an und die wenigen Sender, die wirkliche (und nicht nur propagierte) Abwechslung spielen, kann man bundesweit heute schon an einer Hand abzählen.
Mir fällt auf, daß Künstler, die gnadenlos touren, die sich ihren Erfolg erspielen, auch gute Verkäufe haben. Daß man weniger Stückzahlen umsetzt, als von 20 Jahren mag ja vielleicht auch daran liegen, daß nicht mehr so viel Nachwuchsplattenkäufer nachwachsen. Sehe ich das alles zu einfach ? Mitlesende Labelchefs, bitte erklärt’s mir !

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16 Gedanken zu „Die arme Musikindustrie“

  1. „Außerdem frage ich mich, was denn der Unterschied der jetzigen Kopien zu den Kassettenaufnahmen in meiner Jugend ist.“

    Naja, die digitale Qualität zum Bleistift. Die Kopie ist akustisch vom Original nicht zu unterscheiden. jm2c

  2. @nachtsurfer: stimmt; aber gestört hat mich der akustische Unterschied vor 25 Jahren auch nicht. Da wurden halt ab der zweiten Kopie ein wenig mehr Höhen reingedreht und alles war gut.

  3. Ich kann dem Artikel nur zustimmen. Doch leider muss ich auf einigen News-Sites dann noch lesen, dass das Abspielen von gekauften CD´s auf mobilen Datenträgern (MP3-Playern) noch extra Geld kosten soll.

    Ich finde, dass es die Industrie langsam übertreibt. Wenn ich mir eine CD kaufe, will ich mir nicht extra ein abspielfähiges (am besten von der Industrie vorgegebenes) Gerät kaufen müssen und die Lieder dann auch nicht nur zuhause, sondern auch aufm mp3-player abspielen können.

    Meiner Meinung nach sägt die Industrie an ihrem eigenem Ast.

  4. Genau so sehe ich das leider auch. Es ist leicht, mit dem Finger auf die bösen, bösen Schwarzkopierer zu zeigen, die eigenen Fehler aber nicht zu sehen. Natürlich habe ich ein ganz eigenes Interesse an einer in seiner Gesamtheit gesunden Musikindustrie — davon lebe ich schließlich. Aber ein wenig Selbstkritik muß da dann bitte auch mal mitgebracht werden.

  5. Na ganz so einfach ist es auch nicht. Die Industrie hat nämlich überthaupt nix mehr mit den Radio-Programmen zu tun, denn:
    erstens gibt’s kaum noch Musikredakteure seitdem jemand in Holland vor ca. 15 Jahren eine Software erfunden hat, die vollautomatisch Radioprogramme macht (damals gab’s z. B. bei Radio Hamburg noch mehr als 15 Redakteure, feste und freie, heute macht der Musikminister Marzel alles alleine), zweitens spielt kein kommerzieller, privat oder öffentlich-rechtlich ist egal, Sender mehr auch nur irgendeinen Titel, der nicht vorhe r von der Marktforschung getestet wurde. Und das Volk will nun mal Hits, Hits , Hits. Das Radio als Verbreitungsmedium für neue Musik, Acts etc. fällt somit komplett weg (bis auf einige wenige vereinzelt im Nachtprogramm versendete Spezialisten-Sendungen. Insofern sind wir wieder beim Status der späten 60er angekommen).
    Die Schuld liegt, wie meistens, bei den Majors. Da haben nämlich die Controller den Laden komplett übernommen und die verkaufen Musik wie Schokoriegel. Schafft die erste Single nicht den Hit biste weg! Obendrein fressen die „Superstars“ den Rest. Und da den Jungs in den Companies sowieso ständig der Arsch auf Grundeis geht, traut sich natürlich niemand, übers nächste Vierteljahr (Quartalszahlen!) hinauszuplanen. Wie soll sich da ein Act bei einem Major entwickeln? Also, schwere Zeiten, Kameraden.
    Andererseits gab’s noch nie so viele Möglichkeiten, seine Werke öffentlich zu machen (das Netz eben) und noch nie soviele, auch erfolgreiche, Klein-Labels. Also nich jammern, podcasten!
    Ach ja, noch eins: vor 20/30 Jahren interessierte sich der durchschnittliche Teenager im Wesentlichen nur für zwei Sachen: Musik und das andere Geschlecht (ungeklärt, in welcher Reihenfolge). Heut gibt’s noch Handys, PC-Games, Klamotten, DVDs usw. Klar, daß der Industrie irgendwann der Umsatz fehlt. Irgendwo muß die Kohle ja herkommen.

  6. Wenn ich dem Golem – Bericht glauben darf, dann möchte die Industrie jetzt sehr wohl etwas mit der Gestaltung der Radioprogramme zu tun haben. Gefordert wird angeblich, daß die Plattenfirmen bestimmen, welcher Sender welchen Song spielen darf. Das finde ich bedenklich. Als Hörer, aber mehr noch als Künstler. Damit bin ich doch komplett erpreßbar.

  7. wirklich sehr gut dieses Radioprogramm, dass ja wirklich nur das spielt was man gern hört – oder es zumindest versucht.

    Leider läuft’s nur über den Explorer. Trotzdem gut.

  8. Ich erinner emich vage, daß durch eine US-Studie erwiesen wurde, daß die MP3-Kopien den Plattenabsatz NICHT negativ beeinflussen, weil a) den Raubkopien auch Leute gegenüberstehen, die via P2P Musik antesten und dann doch die CD kaufen und b) viel Musik gesaugt wird, die die Raubkopierer ohnehin nicht KAUFEN würden, also gibts kein Umsatzminus. Der Umsatzrückgang ist sehr sehr Multikausal, hat viel mit fehlenden Vertriebswegen, mauer Package, verfehltem Marketing, nicht existenter Werbung, mangelnder Nachwuchsarbeit und Kundenbindung an echte (!) Produkte/Bands zu tun und unterm Strich passiert mit der Musikindustrie was durch das Internet immer mehr Mittelsmänner betrifft… sie verschwinden, weil sie keiner mehr braucht. Anstatt die Fehler auf der eigenen Seite zu suchen und sich neu aufzustellen wird eine allzu einfache Ausrede geliefert, die leider – da man nicht nur die realen Probleme ausblendet, sondern auch noch den Konsumenten semikriminalisiert – eher dafür sorgen wird, daß die Musikbranche nur noch schneller den Bach runtergeht. Hätten Sie halt mal eher auf den Renner Tim gehört :-D.
    Die Antworten auf die Krise sind so einfach wie sonstwas, aber es ist (noch) einfacher, an den gewohnten Traditionen festzuhalten. Das wird sich ändenr müssen.
    Auf der anderen Seite sind die Zeiten ideal für kleine Label und mutige Bands, die online oder via CD-Direktvertrieb ihr Ding machen.

  9. Hi,

    also ich finde es schön, dass das Thema mal zur Sprache kommt. Ich gebe jetzt auch mal meine Meinung dazu:
    Also erstens ist ja schon einiges gesagt worden, was ich genauso empfinde…. z.B. das mit der Werbung durch „Raubkopien“ oder dem Unterschied zu den Tapes.
    Aber ein Punkt, der meiner Meinung nach auch an dem Umsatzrückgang schuld ist, sind die Preise….. sicherlich sind die Produktionen sehr teuer und das Geld muss wieder reinkommen. Aber ich kann da auch von mir ausgehen: Ich bin Schüler und bekomme ein mittelmäßiges Taschengeld. Dazu mach ich derzeit meinen Führerschein. Kurz und gut: Wenn ich meinen Führerschein habe, dann bin ich pleite…. Wie soll ich mir da noch EIN Album von EINEM Künstler kaufen, das 20€ kostet. Dazu kommt, dass ich einen doch recht breitgefächerten Geschmack habe… der reicht von Klassik über Annett, den 70er und 80er bis hin zu Metal… wenn ich mir da jetzt immer Alben kaufen muss… dann wäre ich mit 15 schon verschuldet gewesen. Also logische konsequenz ist, dass ich mir das Album höchstens im Schaufenster anschaue und wenn ichs irgendwo als Sonderposten zu 7€ sehe, es dann dort kaufe (nach reiflicher Überlegung!!).
    Das einfachste und billigste ist da immer noch die gute, alte, selbstgespielte Hausmusik……

    Lg
    Chris

  10. Die Preise sind auch ein Faktor… eine Musik-CD ist inzwischen fast teurer als eine Film-DVD. Das geht echt gar nicht, vor allem, wenn man bedenkt, daß die roduktionskosten sinken. Ich kann zwar die Logik verstehen, daß man einer sinkenden Käuferschaft möglichst viel Geld pro Stück abnehmen möchte, aber seriously… die Logik killt de Industrie langfristig.
    Kopierschutz weg, Preise runter, wieder dafür sorgen, daß es Plattenläden geben kann, Online-vertriebswege nutzen aber die Alternative Vinyl/CD weiter ausbauen, Packages wieder attraktiver machen. Im Marketing auf echte Bands setzen, nicht auf Retortenprodukte, die bringen kurzfristig einen Boost, langfristig aber keine Kundenbindung.
    Und richtig langfristigmuß sich die Branche darauf einstellen, zu sterben oder eine ganz andere Funktion einzunehmen. Zurück zu einer Rolle, die sie mal an den Anfängen hatte, bevor die Controller das Heft in die Hand genommen haben.

  11. Genauso sieht’s aus: Musik muß wieder von Leuten verkauft werden, die Musik verkaufen wollen und nicht irgendwas. Und die bereit sind, auch mal ihren Arsch (oder zumindest die Wohnzimmer-Anbauwand) zu riskieren, für einen Act, den sie selber geil finden (ich weiß aus eigener leidvoller und kostspieliger Erfahrung, wovon ich spreche). Warum verkaufen Linkin‘ Park 10 Mio. Alben? Weil die Fans für diese Band brennen und das Album haben WOLLEN. Aber wer würde für Alexander brennen. Sogar der dümmste Teenager weiß, daß so jemand morgen nachmittag schon nicht mehr en vogue ist …
    Also: mögen die Ahmed Erteguns, Siggi Lochs, Helmut Fests dieser Welt usw. bitte wieder auferstehen und den naßforschen MBAs in den Companies zeigen, wo Bartels den Most holt!

  12. Ihr zwei, HD und Stefan, würdet Euch übrigens perfekt bei ’nem Bier verstehen. Wenn Du, HD, in HH bist, müssen wir zusammen mit Stefan mal ein Bier heben. Selbst auf die Gefahr hin, daß ich überhaupt nicht zu Wort kommen werde ;-)

  13. bei diesem Thema fällt mir die Serie bei sueddeutsche.de ein. Ich habe sogar den Link wiedergefunden: http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/482/25457/ (ist ja schon 2 Jahre alt, aber noch gut in Erinnerung) – „Krämer und Technokraten ruinieren die populäre Kunst – nicht das Internet und seine Raubkopierer. “

    ach und zur Musikkassette: Ende der Siebziger gab es schon mal eine Kampaqne „Home Taping Is Killing Music“ – hab ich aber auch nur jetzt von gelesen (siehe „Mix Tape: The Art of Cassette Culture“ von Thurston Moore )

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