Flashback: Nokia Concert Hall, Tallin

Oft entscheidet ja der erste Eindruck den Rest des Tages und schon in den ersten Minuten in Tallin wurde klar, daß es … interessant … werden würde. Erst mal war das Gebäude bis wenige Augenblicke vor Ladebeginn verriegelt, obwohl wir doch duschen wollten. Und dann stellten wir fest, das der Architekt des erst vor wenigen Wochen fertiggestellten Gebäudes ein Treppenfetischist ist. Nicht nur innerhalb des Hauses gibt es zahllose Treppen und Stufen, die für mich nur ein Zeichen von schlampiger Planung sind, sondern auch die Ladetüre hat einen deutlichen Absatz, der für Bluewheels zu hoch, für eine Rampe aber zu niedrig ist. So bastelten wir uns was aus Bauholz und Kabelmatten. Wie man sowas als Ladeweg planen kann, bleibt mir auf ewig unergründlich.

Das Haus ist so neu, daß sich das Hauspersonal auch noch nicht auskennt. Dazu kommt ein örtlicher Veranstalter, der sich deutlich überfordert zeigt. Und leider erweisen sich die Informationen, die ich im Vorfeld über die Bühne bekam, in weiten Teilen als falsch. Ich habe Infos, aber letztlich habe ich keine. Ein Beispiel: mir sagte man, daß es synchron verfahrbare elektrische Hauszüge mit 500kg Streckenlast gäbe, tatsächlich gibt es aber doublierte Handkonterzüge mit 250kg Streckenlast. Ein deutlicher Unterschied. Auch kann man keine Fronttruss hängen, die mir angekündigten Punktzüge gibt es einfach gar nicht. Und so zieht es sich fröhlich durch.

Der Schnürboden wurde bisher noch nicht wirklich benutzt; es liegen noch keine Kontergewichte auf den Galerien. Die Gewichte befinden sich noch auf fünf Europaletten im Keller des Hauses. Während also zwei Hausmitarbeiter anfangen, mal zwei Tonnen Steine vom Keller unters Dach zu tragen, beschließen wir, daß wir eine Kombination aus klassischem Rigging und Hauszügen einsetzen werden. Eigentlich darf man nicht riggen, aber mir erscheinen die Träger im Dach, an dem auch der Rollenboden hängt, ausreichend vertrauenswürdig. Außerdem hätten die Hausleute sonst noch fünf Tonnen Gewichte schleppen dürfen, was die Bereitschaft des Hauses, Rigging nun doch zuzulassen, schlagartig erhöht. Eine der wenigen Dinge, die der Örtliche weiß, ist die Nummer eines Riggers, der auch recht zügig da ist. Wir haben nämlich nur ein 30m – Seil mit dabei, das hier deutlich nicht reicht. Daher kommt wahrscheinlich auch der Begriff „Mietseil“ für einen örtlichen Rigger.

Daß es auf Bühnen heiß hergehen kann, wissen wir ja alle. Daß auf Estnisch Bühne Lava heißt, finde ich lustig. Nicht ganz so lustig finde ich, daß es securitymäßig wieder wie in Rußland zugeht. Überall stehen Jungs in Lackschühchen herum, die auch mitten durch den Aufbau laufen. Die Versuchung war sehr groß, einfach mal, ganz aus Versehen natürlich, ein Bühnengewicht auf so einen Lackschuh fallen zu lassen. Ich widerstand. Alle Türen, auch die nach außen, können nur per Chipkarte geöffnet werden. Läßt man mal eine Tür längere Zeit offenstehen, kommt gleich ein Knopfimohrträger angetrabt.

Vor der Show wundere ich mich, wer denn im Publikum seinen Klingelton wohl so laut gestellt hat, daß man ihn deutlich bis hinter die Bühne hört. Ich wundere mich so lange, bis ich feststelle: das ist kein Handy, das ist der Gong. Klar. Bei dem Namen hätte ich da auch direkt drauf kommen können. Die Show wird dann sehr gut und das Publikum reagiert so, wie es reagieren soll: euphorisch.

Leider komme ich bei dieser Show nicht so richtig vor die Bühne während der Show, so daß ich Euch hier oft nur Seitenblicke zeigen kann. Wenn wir etwas besser eingespielt sind und es einen dezenten Weg gibt, muß ich mich mal auch während der Show nach vorne stehlen und ein paar Photos von der Front machen.

Der Abbau lief dann einigermaßen und danach wartete tatsächlich unser erster echter freier Tag seit Probenbeginn auf uns. Halleluja.