Der gesunde Pultschlaf

Meine Oma behauptete immer, der Schlaf vor Mitternacht sei der gesündeste ……

Und direkt auch noch die beliebte Standardfrage: warum ist der Rand vorne am Pult immer gepolstert ?  — Damit man sich beim Einschlafen nicht den Schädel aufhaut.

Ja, zugegeben, dieses Bild ist schon ziemlich gemein. Aber es ist tatsächlich in völlig unverfänglicher Situation entstanden: zwischen Soundcheck und Show. Nach dem Abendessen also, wenn der Verdauungsschlaf einen übermannt. Außerdem war der Tag anstrengend, die Tage vorher sowieso und der Offday dringend nötig. Also war es völlig ok, daß der Kollege da im Tiefschlaf dezent vor sich hin sägte. Aber photographieren mußte ich es ja schon :-)

Fast ein Wunder

Bei diesem Photo schreien wahrscheinlich fast alle Gitarristen unter Euch laut auf: der Sorger bohrt mit einem Akkuschrauber am Kopf einer Telecaster herum !  Sakrileg !  Ja, das habe ich tatsächlich gemacht und das Tolle an der Sache ist: ich durfte und wurde nicht erschlagen. Ganz im Gegenteil: ich wurde sogar darum gebeten !

Bei diesem Bild sieht man dann schon besser, worum es bei dem Umbau ging: ich habe die Gitarre pyrofiziert. In dem schwarzen Kästchen ist ein 9V – Block, ein Schalter, ein Taster und eine LED; das Ganze so verdrahtet, daß man damit den darüber sichtbaren „Jet“ (so heißt eine kurze Fontäne in Pyromanensprache) zünden kann, was natürlich einen krönenden Abschluß eines Gitarrensolos ergibt.

Und jetzt höre ich ganz plötzlich einige der eben noch schreienden Gitarristen laut darüber nachdenken, ob sie das nicht auch haben wollen :-)

Nebelexplosion

So sieht das übrigens aus, wenn eine Trockeneis – Bodennebelmaschine mal ohne Schläuche betrieben wird. Da kommt schon richtig was raus. So viel, daß selbst Andi zu staunen scheint. Dabei hatte der örtliche Veranstalter nur sehr großzügig Pellets statt Scheiben geliefert (so eine typische Trockeneis – Transportbox steht rechts neben der Maschine; dafür gab es aber auch kein Fischeinwickelpapier).

Ihr seht auch, daß eine so Trockeneis – Nebelmaschine ein echtes Ungetüm ist. Darin verbergen sich 160 Liter +80°C warmen Wassers, die dann auf das mindestens -79°C kalte Trockeneis gepumpt werden.

Mit Trockeneis kann man übrigens auch zaubern. Wenn man nur ein kleines Stück in ein Waschbecken legt und normales Wasser darüberlaufen läßt, kann man den Abfluß verschwindenlassen. Hokus Pokus. Nicht so gut ist es übrigens, wenn man ein auch nur wirklich sehr kleines Stückchen in eine Flasche Mezzo Mix wirft. Zusammen mit der Kohlensäure ……… äh … ja. Ich habe die Sauerei auch wieder weggemacht. Nur Thomas war etwas angefressen, weil er danach kein Getränk mehr greifbar hatte. Auch an dieser Stelle: ‚Tschuldigung. Ich hatte nicht mit einem soooo durchschlagenen Erfolg gerechnet.

mit Herz

Man könnte ja schon meinen, daß Johannes, unser Monitormann, nur Scheiße fabriziert, wenn man diese Verkleidung hier sieht. Das ist aber natürlich nicht wahr: Johannes versteht sein Handwerk hervorragend und war bei der Band sehr beliebt. Hier ging es darum, seinen Arbeitsplatz (das Monitorpult, also das Mischpult, mit dem er den individuellen Sound für jeden Musiker mischt, damit die sich optimal hören können) so fürs Publikum zu verstecken, daß er nicht so auffällt. Trotzdem mußte er die Möglichkeit haben, einen Blick auf die Jugendtanzformation (wie die Truppe von unserem Backliner Reiny liebevoll genannt wurde) zu werfen. Da taten diese Wände doch eine hervorragende Arbeit. Und was zu Grinsen hatten wir alle auch noch.

frischer Fisch

Bei den Gregorian hatten wir auch eine klassische Trockeneis – Nebelmaschine. Die macht im Gegensatz zu normalen Nebelmaschinen einen sehr schönen, dichten Nebel, der auf dem Boden entlangfließt und sich nicht im ganzen Raum verteilt. Normalerweise wird dieses -79°C kalte Trockeneis in Styroporboxen angeliefert — nur nicht in Wien. Da kamen die einzelnen Scheiben wie Fisch auf dem Markt in Papier eingewickelt in einer Pappkiste. Das sah schon recht lustig aus.

In Leipzig wurde uns übrigens als einziger Stadt der Tour der Einsatz des Trockeneises verboten. Man hatte Angst, daß wir mit den 20kg Trockeneis, wie wir pro Showhälfte einsetzten, das Publikum einschläfern, was uns aber auch in den anderen Städten nicht gelang. Wahrscheinlich mischte Hermann einfach zu laut :-)

Mein Arbeitsplatz

Die Gregorian – Tour ist nun schon seit einigen Wochen vorbei und jetzt komme ich auch allmählich dazu, mal die Bilder zu sichten und sortieren. In den nächsten Tagen werde ich hier noch ein paar Dinge zeigen. Anfangen möchte ich mit meinem Show – Arbeitsplatz. Als … „Schein – Heiliger“ (also als Heinz mit vielen Lappen) war ich für einige Effekte verantwortlich. Ihr seht den Not – Aus – Schalter, mit dem ich die Laseranlage und auch die Flammenwerfer im Gefahrenfall ausschalten konnte. Beide wurden nämlich von John, unserem Lichtdesigner, per DMX (ein digitales Protokoll zur Steuerung von Showlicht) zusammen mit dem Licht gesteuert, damit alles immer schön zusammen paßte. Davor steht das Pyro – Zündpult, mit dem die ganzen Brandrinnen, Blitze und auch der Knall, also der Knall, gezündet wurde.

Unter dem Pyropult ist die Steuerung für die C1 – Anlage zu sehen. Für die mitlesenen Laien dazu eine Erklärung: wir hängen unsere ganze Licht- und Ton – Konstruktion ja in der Regel mit Kettenzügen in die Hallendecke. Diese Motorkettenzüge gibt es in verschiedenen Ausführungen und je nachdem wie viele Sicherheitsvorkehrungen und Redundanzen darin eingebaut sind, darf man diese Motoren während der Show über Menschen bewegen — oder eben nicht. C1 – Züge sind die sichersten Motorzüge und die darf man über Menschen verfahren. Genau das haben wir auch gemacht. Wir hatten eine sogenannte Movingtruss (auch produktionsintern „Jojo“ genannt), die während der Show in genau programmierten Höhenstufen verfahren wurde und die millimetergenaue Kontrolle der dazugehörigen Motoren geschah eben mit diesem Controller. Ich selbst fand es schon erstaunlich, wie viel Vertrauen die Sänger in die Technik und mich als Bediener hatten, denn ich habe während der Show Traverse und die daran befestigten 16 Lampen genau zwischen die Köpfe eingefädelt. Es gab zum Glück nie eine Beule.

Unter dem Motorcontroller ist noch die Auslöseeinheit für den Kabuki [ein fallender Vorhang]. Nach dem Soundcheck wurde damit der aufgerollte Frontvorhang so ausgelöst, daß er dann die Bühne für das Publikum verdeckte; im Intro fiel der Vorhang dann ganz und gab den Blick auf die Sänger frei.

Na, und ganz unten in dem Pappkarton lag noch eine Löschdecke. Die habe ich an dieser Stelle aber zum Glück nie gebraucht……

Auf dem Roten Platz

Nach dem Konzert in Moskau haben es Andi und ich gewissermaßen „trotz“ örtlichem Veranstalter noch geschafft, auf den Roten Platz zu kommen. Der Rest unserer Truppe hatte der örtlichen Betreuung geglaubt, daß das nachts nicht möglich sei und hat sich schnell ins weitab liegende Hotel verfrachten lassen. Als wir dann später unsere Bilder zeigten, gab es ob der verpaßten Gelegenheit einige lange Gesichter. Tagsüber kann man wohl auch noch in den Kreml selbst, aber wir waren froh, daß wir von den Bauten überhaupt was sehen konnten, nachdem wir nach dem Konzert schnellstmöglich vom Gelände gezerrt worden waren.

Direkt am Roten Platz liegt auch das Kaufhaus Gum, ein Edelladen wie in London das Harrods, beispielsweise. Und das ganze Jahr recht … weihnachtlich … beleuchtet. Wir machten uns bei unserem Besuch Gedanken darüber, daß es wohl eine ziemlich ruckelige Sache gewesen sein muß, als Mathias Rust dort seine Chesna auf dem Kopfsteinpflaster herunterbrachte.

Auch auf dem Roten Platz ist das Lenin – Mausoleum, ein ehrlicherweise ziemlich häßlicher Bau, der nachts von drei Soldaten bewacht wird. Wahrscheinlich eine weise Entscheidung, denn ich kann mir vorstellen, daß der ein oder andere gern mal späte Rache nehmen möchte.

Für die Türme mit dem roten Stern ist der Kreml ja berühmt. Der Kreml ist rundum von einer hohen Mauer umgeben und an den vier Eckpunkten dieser rechteckigen Konstruktion ist jeweils ein solcher Turm, die aber alle unterschiedlich aussehen.

Auch an diesem Platz ist wie ich finde sehr schöne russisch – orthodoxe Basilika. Die vielen bunten Zwiebeltürme sehen schon sehr östlich aus und bilden einen guten Kontrast zur hohen Mauer des Kremls.

Wir waren jedenfalls ziemlich froh, doch noch auf den Platz gekommen zu sein, denn wenn man ehrlich ist, dann reizt an Touren in fremden Ländern ja auch der touristische Aspekt. Man möchte nicht nur einfach verwahrt werden, sondern auch was sehen.

Direkt in der Zentrale: Kremlin Palace, Moskau

Letzte Woche spielten wir zwei Konzerte in Rußland, das erste direkt im politischen Mittelpunkt der Macht, im Kreml. Da man sich die Zollabwicklung nicht antun wollte, spielten wir mit örtlicher Technik, die im wesentlichen aus fest eingebautem Material bestand. Hermann, unser Frontton – Mann, saß den ganzen Tag mit fettem Grinsen über alle vier Backen hinter seinem Pult, denn die örtliche PA bewegte schon recht viele Pappen und lieferte ein ordentliches Brett ab. Moderne Techniker werden jetzt was von Phasengang und so ’nem Quatsch erzählen, ja, das stimmt auch alles, aber trotzdem ist eine ordentlich aufgehängte Anfang-der-90er-state-of-the-art – PA schon ein Garant für Rock ’n‘ Roll. Beim Ton also alles gut.

Beim Licht hatten wir nicht ganz so viel Glück. Aus Gründen, die nur der russischen Seele verständlich sind, vielleicht aber einfach nur aus Kostengründen (die offizielle Begründung möchte ich hier nicht wiedergeben, weil ich niemanden der Lächerlichkeit preisgeben möchte), durften wir nämlich auch nach längeren Verhandlungen das hauseigene Frontlicht nicht nutzen. Statt dessen hing eine Traverse mit zehn Mac 600 fünf Meter hinter der Bühnenvorderkante, so daß die Mönchwandelfläche erst 6,5m hinter der Bühnenvorderkante beginnen konnte. Zusammen mit den etwa acht Metern, die die erste Reihe von der Bühne entfernt war, kamen wir also auf stattliche 14,5m Sicherheitsabstand zwischen Publikum und Sängern. Beim ursprünglich bei unserer Ankunft angebotenen Aufbau kam dann auch schon sehr bald die Band, so daß die Wandelfläche auch nur ein Meter tief gewesen wäre; das haben wir aber dann noch umbauen lassen, sogar mit Videowand. Letztlich kamen wir also auf normale fünf Meter Tiefe. Während des Einleuchtens stellten wir dann fest, daß Uraltbrenner und komplett verstaubte Optiken aus den Lampen nur wenig Licht austreten ließ. Da war es aber eindeutig zu spät, daran noch was zu ändern.

Da wir im Kreml waren, war natürlich auch der KGB nicht weit, hier seht Ihr eine Nebenbeobachtungsstelle, die ich heimlich mit versteckter Kamera photographieren konnte. Man achte besonders auf den roten Knopf rechts. Den Platz der Inspizientin konnte ich nur zufällig ablichten, dann erwischte mich Major Iceborg und verbot grundsätzlich und streng jedes Photo auf der Bühne. Auch während der Show. Die Tatsache, daß es ja „unsere“ Show sei, ließ sie nicht gelten und drohte statt dessen mit Hausverbot. Andere Securities versperrten meinen FOH – Kollegen trotz Backstageausweis‘ in der Pause den Zugang hinter die Bühne. „Access all aerea“ gilt eben nicht im Kreml.

Auch einen der berüchtigten Verhörplätze konnte ich heimlich ablichten. Die Schminkplätze hinter der Bühne versprühen einen gemütlichen Charme der 60er und sind bis heute in Nutzung — warum auch nicht. Spielt ja.

Zu guter Letzt noch einen Blick in die Abklingbecken der Kreml’schen Atomwaffen, den ich unter Einsatz meines Lebens exklusiv für Euch erhaschen konnte. Die Hinterbühne sieht bei Showumgangslicht schon etwas gespenstisch aus. Gut zu sehen sind die Kulissen und Materiallager auf drei Ebenen.

Bekenntnis zur politically incorrectness

Gestern Abend, nach unserer allerletzten Show dieser Tour, sprach mich vor der Backstagetür in St. Petersburg eine Frau an und bedankte sich für mein Blog und meine Sicht auf Rußland. Das Ganze in fließendem und akzentfreiem Deutsch. Ich war überrascht, daß sogar Menschen in Rußland hier lesen (aber mich überrascht sowieso immer wieder, wieso doch recht viele Menschen mein Blog lesen) und im Nachhinein dachte ich darüber nach, ob ich in der Vergangenheit nicht vielleicht sehr einseitig und vielleicht zu negativ über dieses Land geschrieben habe. Ich bekam fast sowas wie ein schlechtes Gewissen. Dann dachte ich an die vergangenen Tage und ich war mir sicher: nein. Ich war eigentlich immer eher beschönigend.

Rußland heißt bei uns in der Produktion „The country of NJET“.

Ja, es gibt natürlich immer wieder Ausnahmen, gerade gestern in St. Petersburg gab es so eine Ausnahme, wo sich die örtliche Produktionsleiterin echt Mühe gegeben hat und ehrliche Antworten gab; aber diese Ausnahmen sind kleine Kerzen inmitten von tiefer Dunkelheit. Rußland ist für mich geprägt von Unfreundlichkeit, Ruppigkeit und ganz offensichtlicher und plumper Lüge. Natürlich ist dieser Eindruck geprägt von den Menschen, die uns tourbedingt umgeben. Aber eben auch von den Menschen, denen man zufällig begegnet: im Bahnhof, im Zug, am Flughafen, beim Spaziergang. Und da war der Übergang von Estland nach Rußland ein Kontrast, der härter nicht ausfallen konnte.

Rußland ist ein Land, in dem ich nicht leben wollte. Die gesellschaftliche Struktur ist mir nicht nur fremd, sie erscheint mir … abstoßend. Und wenn ich mit dieser Einschätzung den wenigen Kerzen in der Dunkelheit vors Schienenbein trete, dann tut mir das tatsächlich leid, denn diese Ausnahmen die ich kennenlernte, schätze ich wirklich sehr. Aber sie sind eben Ausnahmen.