Herbstfarben

Eigentlich müßte ich mal mit dem Rußlandbericht weiter machen. Aber da gibt es so viele Bilder, daß es fast schwerfällt, sie auszusortieren und zu einem Bericht zu verwursten. Aber im Laufe der Woche sollte dann endlich mal was passieren. Derweil also erst noch mal ein paar Impressionen aus dem Garten. Auffällig ist übrigens, daß ganz im Osten Rußlands vor einem Monat die Bäume alle schon faktisch komplett kahl waren, während zuhause sich jetzt noch die Bäume in den schönsten Farben zeigen. Das sind also mal locker anderthalb Monate Unterschied. Ganz schön viel für eine Linie, die eigentlich fast auf der selben Höhe liegt.

Diese Bilder hier stammen aus dem Garten, der dieses Jahr deutlich zu kurz kam. Schade eigentlich. Trotzdem belohnt er mich jetzt mit tollen Farben. Der Gute ist also zum Glück nicht nachtragend ;-)

Entspannungswochenende

Wo kann man besser entspannen, als an der See ?!  Während wir genau vor einem Jahr unsere Proben zur Gregorian – Tour im Ostseebad Timmendorf hatten, war ich dieses Jahr nach den letzten Konzerten der Jubiläumstour übers Wochenende im Ostseebad Sopot in der Danziger Bucht. Es gab schönes Wetter, also ideale Bedingungen, um sich nach der Rußlandtour wirklich wieder zu erholen.

Die Hauptsaison ist natürlich lange vorbei, aber Sopot genießt in Polen gerade unter den jungen Leuten auch außerhalb der Saison einen guten Ruf, es gibt keine geschlossenen Restaurants, so wie vielleicht in anderen Seebädern und so war es schon durchaus gut gefüllt von Menschen — und von Möwen, die auf Fütterung warteten.

Der nun von Strandkörben weitgehend geräumte Strand läd zu Spaziergängen ein und zum Entdecken von Dingen, die in der Hauptsaison vielleicht untergehen.

Jedenfalls gibt es schon einiges Strandgut und erstaunlicherweise nicht nur Möwen, sondern auch ausnehmend viele Raben, die in großen Schwärmen die Luft besetzten und Strandabschnitte nach Eßbarem umgraben.

Derweil balanciert über der Hauptfußgängerzone, auf der man in manchen Cafés auch jetzt noch draußen sitzen kann, um sehen und gesehen werden zu können, ein Fischer mit seiner Beute. Zugegeben, eine Plastik, die aber natürlich trotzdem einen Balanceakt darstellt, der auch bei Wind nicht einfach umkippen darf.

Es war ein schönes Wochenende, das, WizzAir und Hotelangeboten sei Dank, als bezahlbarer Ausflug empfohlen werden kann, zumal ja auch Danzig per S-Bahn (die dort SKM heißt) nur 15 Minuten entfernt liegt. Ich jedenfalls bin sehr entspannt wieder nach Hause gekommen.

schlichtes Design

Allmählich taue ich wieder auf. Meine Nachbarin hatte für mich eingekauft, so daß ich gestern nicht bei ganz leerem Kühlschrank ankam. Lieben Dank dafür auch an dieser Stelle. Neben einem wirklich leckeren Brot gab es unter anderem auch diese Milch, deren Packungsdesign ich ziemlich klasse finde. Eine ganz einfache, klare Verpackung für ein klares Produkt. Sowas müßte es viel häufiger geben, denn letztlich sieht die Tüte eben durch ihre Schlichtheit besonders hochwertig aus.

zurück

Nun bin ich zurück aus dem russischen Reich und ganz ehrlich: ich bin froh. Die Tour war anstrengend und in vielerlei Hinsicht desillusionierend. In den nächsten Tagen werde ich dann mal anfangen nachzutragen, was sich denn alles ereignet hat. Eines kann ich schon mal sagen: der Satz „This is Russia !“ als Standardentschuldigung für jeden Schwachsinn kann ich nicht mehr hören und auch die Standardantwort auf Fragen jedweden Inhalts, „HET“ (sprich: njet) brauche ich in nächster Zeit nicht mehr. Immerhin haben wir mit unserer Tour wohl einen Rekord aufgestellt. Der örtliche Tourveranstalter behauptete, daß wohl noch nie ein westlicher Künstler so viele Konzerte in so kurzer Zeit absolviert habe; wir würden damit in die Bücher der russischen Konzertgeschichte eingehen. Ehrlicherweise ein Rekord, auf den ich auch gern hätte verzichten können. In Rußland back to back reisen heißt große Schmerzen auf sich zu nehmen.

Jetzt gehe ich aber erst einmal ins Bett. Habe ich dringend nötig.

Tolle Konzertphotos

Copyright: Heiner Klaffs

Heute haben wir auf unserer Gregorian – Tour seit langem mal einen richtigen freien Tag, aber ich habe heute keine Lust zum Bloggen. Ruhe ist mir nach den letzten Tagen wichtiger. Die Tour ist nämlich tatsächlich recht anstrengend und nervenzehrend. In der Zwischenzeit könnt Ihr Euch Hamburger Konzertphotos ab Anfang der 70er Jahre bei Heiner Klaffs anschauen. Dieses Blog des altgedienten freien Pressephotographen ist zwar erst einmal etwas gewöhnungsbedürftig aufgebaut, laßt Euch aber davon nicht schrecken, denn sehr bald werdet Ihr sehen, daß sich das Stöbern dort wirklich lohnt und es tolle Photos zu sehen gibt. Von mir also eine Vorbeisurfempfehlung.

Tag 4: Khabarovsk

Nach unserem ersten Konzert hatten wir am nächsten Morgen einige Stunden Zeit, um uns die Stadt anzuschauen. Ich verband das direkt noch mit einer Einkaufstour durch örtliche Elektronikshops, da wir dringend ein Ersatzteil brauchten. Aber auch im Fernen Osten Rußlands ist man bestens sortiert und so war das kein Problem.

Das Bild zeigt den Blick aus meinem Hotelzimmerfenster hinaus auf den Amur und es zeigt auch, daß Khabarovsk eine sehr grüne Stadt ist. Sie steht schon im direkten Gegensatz zum ersten Eindruck, den ich von Ostrußland in Vladivostok bekam. Die Stadtregierung Khabarovsks legt großen Wert darauf, eine lebenswerte Stadt zu verwalten und das ist ihr auch gelungen.

Natürlich gibt es neben den im Osten üblichen Holzhäusern auch sozialistische Wohnbauten, aber trotzdem macht alles einen relativ gepflegten Eindruck und ich fühle mich recht wohl in der Stadt.

Bei der Planung hat sich mal jemand wirklich Gedanken gemacht: es gibt drei große Hauptstraßen, die parallel zueinander laufen. Damit die Fußgänger und Radfahrer sich nicht dem Verkehr aussetzen müssen, gibt es zwischen diesen Hauptstraßen immer Boulevards, also sehr breite, parkähnliche Grünstreifen, auf denen man wandeln kann. Finde ich eine gute Idee, den man auch in anderen Städten mal umsetzen könnte.

Aber auch richtig schöne Gebäude gibt es dort. Insgesamt wird das Gesicht der Stadt eben nicht wie woanders in der Gegend durch Bausünden, sondern durch halbwegs überlegte Architektur geprägt. Die Kirche ist übrigens relativ neu, erst nach dem Fall der Sowjetunion entstanden; sieht man ihr nicht an, finde ich.

Der Amur ist der Fluß der Stadt und seine Gewaltigkeit kann man aus dieser Perspektive heraus gar nicht erkennen, da nur ein Nebenarm bis zum nächsten Inselstreifen zu erkennen ist.

Am Fluß entlang verläuft eine Uferpromenade mit Verkaufsbuden und Kunst, meine lokale Führerin Julia erzählte mir, daß vor allem Abends die Promenade ein beliebter Treffpunkt der hiesigen Studenten sei. Die Kunst wird auch genutzt, wie man sehen kann. Die beiden hatten bei ihrem Photoshooting übrigens eine Menge Spaß.

Spaßig geht es hier nicht zu. Das ist das offizielle Kriegsdenkmal des zweiten Weltkriegs, an dem bis heute eine Gedenkflamme brennt. Auf diesem Denkmal sind alle aus der Stadt gefallenen Soldaten vermerkt. Nur aus dieser Stadt und nur die Soldaten. Da mußte ich tatsächlich erst einmal schlucken. Das sind ganz schön viele Namen, die da eingemeißelt sind. Europa ist sooo weit weg und Khabarovsk hat so viele Menschen verloren ?  Wie kann das sein ?  Erst langsam geht mir auf, daß der zweite Weltkrieg nicht von ungefähr Weltkrieg und nicht Europakrieg heißt. Japan war Verbündeter Deutschlands im Krieg gegen Rußland, gewissermaßen also die rückseitige Front. Auch hier war also Krieg.

Noch nachdenklicher wird man dann bei diesem, direkt hinter dem Weltkriegsmahnmal stehenden Denkmal für alle gefallenen Soldaten der Stadt bei den zehn Kriegen seit 1945; inklusive elf Jahren Afghanistan. Das wirkt dagegen, ohne das ich jetzt hier die Schicksale der Gefallenen vernachlässigen möchte, übersichtlich und läßt noch einmal sehr deutlich werden, wie unglaublich viel Elend die von Deutschland maßgeblich geprägte Zeit Anfang der 40er Jahre gebracht hat.

Nachmittags stiegen wir dann wieder in einen Flieger, der uns weiter ostwärts brachte. Die Sicherheitskontrollen incl. Abtasten wurden ausschließlich von jungen, äußerst attraktiven Frauen durchgeführt, die sogar lächelten. Das war für uns alle natürlich ein angenehmes Erlebnis. Auf dem Flughafen, wie auch schon in Vladivostok und dann auch später noch auf Sakhalin, standen einige alte Maschinen herum, teilweise ohne Triebwerke. Das wäre bestimmt ein tolles Photosafariegelände …… wenn man das Risiko einer Bekanntschaft mit russischen Sicherheitskräften eingehen möchte.

Der Sakhaliner Flughafen ist schon sehr spartanisch; es gibt erst gar keine Ankunftshalle. Am Flugzeug wird man per Bus abgeholt und an den Zaun des Vorfelds gefahren. Dort geht man dann durch ein Tor raus, ein Stück weit zum Flughafengebäude und wartet dann draußen (!), bis die Türe zum einzigen Gepäckband geöffnet wird. Das stelle ich mir bei Regen oder im Winter … suboptimal … vor, aber wir hatten Glück und stiegen dann trocken in unseren Bus.

In Rußland ist das mit den Sicherheitsvorschriften so eine Sache. In der Regel mag es zwar welche geben, aber es kümmert sich eigentlich niemand darum, weil man ja jemanden kennt, der dafür verantwortlich ist und den man schmieren kann. Sehr speziell sind diese Klappsitze, die sich in vielen Bussen im Gang befinden. Ist der Bus voll, werden einfach diese Sitze mit drei schnellen Handgriffen ausgeklappt und es gibt zusätzliche Sitzplätze. Daß man damit einen eventuellen Fluchtweg und natürlich auch den Weg für andere Fahrgäste zum Ausgang verbaut, nimmt man billigend in Kauf.

Das war es erst einmal für heute; hier noch alle Bilder des Tages.

Terrorism

Wenn man einmal verstanden hat, wie sich die kyrillischen Buchstaben aussprechen, dann erschließt sich die Bedeutung des Wortes oft ganz von allein. Hier geht es ganz offensichtlich um Terrorism und das ist sowas von ein Lehnwort, daß das Verständnis sehr einfach ist. Auf der Schaustafel im Backstagebereich des heutigen Teaters in Ekaterinburg wird gezeigt, was alles passieren kann und wie man sich dagegen am besten schützt. Dabei ist Terrorismus heute ein oft mißbrauchtes Wort; ich weiß nicht, ob ich es immer als Terrorismus bezeichnen möchte, wenn durch staatliche Gewalt unterdrückte Bevölkerungsgruppen egal wo in der Welt sich nicht nur gewaltlos wehren, sondern mit denen ihnen zur Verfügung stehenden eher einfachen Mitteln.

Ein einfaches Beispiel: die Menschen, die Attentatsversuche auf Hitler verübten, würde man auf die heutige Zeit übertragen ja auch als Terroristen bezeichnen, obwohl wir sie heute eher Helden nennen. Ein schwieriges Thema also.

Neues aus der Schule

Während es hier leider zur Zeit nur recht unregelmäßig etwas zu lesen gibt, weil ich einfach nicht dazu komme, hier in Rußland regelmäßig zu bloggen, kann ich Euch ja ein neues Blog empfehlen, damit Ihr Euch nicht langweilt. Frl. Krise ist Lehrerin an einer Hauptschule Gesamtschule mit hohem Ausländeranteil und schreibt so unglaublich klasse von Ihrer Sicht der Dinge, daß es eine echte Freude ist, es zu lesen. Das Rübersurfen sei Euch also empfohlen.

Tag 3: auf nach Khabarovsk

Morgens früh, so früh, daß es im Hotel noch gar kein Frühstück gab, zogen wir auch schon weiter, um die letzte Etappe unserer Anreise hinter uns zu bringen. Damit wir was im Magen hatten, fuhren wir noch an einem Frühstückscafé vorbei. Überall in Rußland laufen in den Restaurants, auch in recht teuren, Fernseher (oft sogar mit Ton und manchmal auch mehrere Programme parallel, was echt nervig ist), dort gab es zum Frühstück eine russische Boxvariante, bei der offenbar mehr oder weniger alles erlaubt war und es recht blutig herging. In mir weckten diese Bilder, zu denen übriggebliebene Mietdamen und sehr kräftige Polizisten aßen, das Ressentiment des bösen Russen, wie es Menschen meiner Generation im Kalten Krieg eingeimpft wurde. Diese Kämpfe befremdeten mich auf der einen Seite, auf der anderen merkte ich aber auch, daß sich mein Stammhirn durchaus angesprochen fühlte und mitging. Ein komisches Gefühl.

Komisch sind für mich auch diese ganzen Uniformen hier, diese ganzen Mützen mit überhohen Spiegeln, die man im Westen eher als Karrikatur sehen würde, hier aber Autorität ausstrahlen sollen. Überall Wachmänner, Securities, die stiernackig nach Autorität lechtzen. Das ganze Machogehabe geht mir jetzt schon mächtig auf den Geist.

Auch dieser Transport vom Hotel zum Flughafen war nicht echt durchdacht. Zwar gab es diese Mal einen Bus, der hatte aber faktisch keinen Laderaum, sodaß sich das Gepäck auf und zwischen den Sitzen stapelte. Na ja.

Oben dann mal ein Teil unseres Gepäcks beim Ausladen aus dem Bus am Flughafen. Kommt schon was zusammen. 27 Teile plus Handgepäck.

Passend zu den Kämpfen im Fernsehen dann das Einchecken; fast gibt es eine Prügelei. Ein bulliger Typ, Frau und Kind hinter sich herschleifend, drängelt sich massiv vor und übersieht aber, daß wir als Gruppe einchecken, sich das Vordrängeln nicht lohnt und er im Gegenteil mit seinem Gepäck jetzt im Weg ist, weil wir ja alle Teile aufgeben müssen. Als einer der Mönche versucht, ihm das freundlich zu erklären, wird der Stiernacken direkt handgreiflich. Der Promoter übersetzt und beruhigt. Der Nacken zieht ab.

Wir fliegen entlang der chinesischen Grenze, der östlichen Grenze Chinas; das ist schon bemerkenswert. Für mich war Sibirien immer eine kleine, abgeschlagene Gegend im Nordosten Rußlands. Daß Sibirien faktisch die komplette Gegend östlich des Urals ist und damit der mit Abstand größte Teil des gigantischen russischen Staates, geht mir erst jetzt auf. Wenn man sich das mal anschaut versteht man plötzlich überhaupt gar nie nicht mehr, wie man als Feldherr auf das schmale Brett kommen kann, Rußland einnehmen zu wollen. So viel Soldaten und Material kann man doch gar nicht haben.

Beim Anflug auf Khabarovsk überfliegen wir eine bizarre Gegend, die ich leider nicht photographieren kann, weil ich nicht am Fenster sitze. Der Amur, Grenzfluß zu China, windet sich auf vier, fünf Kilometern Breite mit unzähligen Neben- und Altläufen durch die Landschaft und ändert auch regelmäßig sein Hauptbett, was genauso regelmäßig zu Grenzdiskusionen zwischen China und Rußland führt. Ein echter, wilder, ungebändigter, natürlicher Fluß, der von oben aussieht wie ein Flußdelta, aber eben doch nur der normale Flußverlauf ist. Toll.

Das ist also unsere erste Spielstätte dieser Tour quer durch Rußland, das Musiktheater Khabarovsk. Wir sind jetzt neun Zeitzonen von zuhause entfernt. Wenn die Kollegen in Crailsheim um 10:00 Uhr konzentriert an ihren Schreibtischen sitzen, oder in Kastelruth gerade Halbmittag ist, haben wir 19:00 Uhr und damit Showtime. Was die Kommunikation nicht immer vereinfacht.

Im Theater recht guter Service und sogar freundliche, lächelnde Menschen, nur das örtlich gestellte Pult, auch nur eine Hog 1000, kennt die ebenfalls örtlich gelieferten Futurelight – Movingheads nicht, es müssen Fictures geschrieben werden, was aufhält.

Plötzlich wildes Geschreie Backstage. Einer der örtlichen Schauspieler, schon etwas gealtert und mit offensichtlichem Egoproblem regt sich über zehn Minuten sehr lautstark darüber auf, daß er sich heute nicht komplett frei in „seinem“ Haus bewegen und einfach das Catering plündern darf. Dabei wollte er doch seiner deutlich jüngeren Begleitung beweisen, daß er ein echter Star ist. Sehr lustig.

Und das ist sie nun, unsere erste Show. Whow. Es ist alles sehr gut gelaufen und so weit von zuhause weg jubeln die Menschen der Truppe euphorisch zu. Das ist schon komisch und schön. Und damit dachten wir, daß es dann schon werden würde in Rußland, daß es alles immer so gut laufen würde wie in Khabarovsk. Nun. Das war — soviel kann ich nach zehn weiteren Tagen schon sagen — doch etwas naiv. Aber davon dann in den nächsten Tagen, wenn ich wieder Internetzugang habe. Wir sind nach der Show erst einmal noch lecker essen gewesen, haben ein wenig gefeiert und das hatten wir uns nach der langen Reise ja auch verdient.

Bilder des Tages

Tag 2: Reise von Moskau nach Vladivostok

Nach stundenlangem Warten in Moskau ging es dann kurz vor Mitternacht ortszeit los mit unserem Flug nach Vladivostok. Die Boeing 777 ist ein klassisches Langstreckenflugzeug, das man bei einem Inlandsflug erst einmal nicht erwarten würde, wenn man in europäischen Dimensionen denkt. Ich möchte Euch bitten, Euch tatsächlich mal die Zeit zu nehmen und bei Google Maps, oder aber in Eurem guten alten Diercke Schulatlas nachzuschlagen, wie groß, wie wirklich unglaublich groß Rußland ist. Es ist mit weitem Abstand das größte Land der Erde, das bevölkerungsreichste Land China mit seinen großen Weiten paßt fünf Mal hinein. Und dann versteht man auch ganz schnell, warum ein Langstreckenflieger an den Start geht, wenn man 3/4 des Landes durchqueren will, was in diesem Fall eine Flugstrecke von rund 7.000km bedeutet.

Die komplette Crew des Fluges machte einen ziemlich gepißten Eindruck. Auch das ist für mich als Mitteleuropäer erst einmal ungewohnt, normalerweise lächeln die Jungs und Mädels ja um die Wette. Hier sollte das eine gute Einstimmung auf den typischen Russen östlich des Urals sein. Das Essen weist … nun ja … russische Qualitäten auf, so daß ich recht viel zurückgehen lasse und die Klimaanlage tut richtig etwas für unsere Gesundheit, indem es Kneipp’sche Wechselbäder während des Fluges ermöglicht. Ein echter Service.

Auf den Bildern oben kann man mal unseren Weg sehen und auch, daß wir einen kleinen Bogen fliegen mußten, um chinesisches Territorium zu umgehen.

Auch die Abfertigung ankommender Fluggäste ist in Rußland anders als anderswo. Kaum hat man das Flughafengebäude betreten, ist man auch schon von seinen Liebsten umgeben; sie stehen direkt an der Türe, man muß sich durch sie durchdrängen, will man weiter. Die Türe zum Gepäckband ist zu; man kann den Raum erst betreten, wenn das Gepäck auch da ist. Natürlich kommen Oma, Opa, Onkel Pit, Tante Kläre und die Kinder auch mit, was das Durcheinander am Band erst richtig perfekt macht.

Vor dem Flughafen stehen drei Toyota Minibusse (also VW-Bus – Größe), die 18 erwachsene Leute plus ihr Gepäck für vier Wochen plus sechs fette Koffer Props (Kostüme und sonstiges Geraffel) transportieren sollen. WTF. Auf russischer Seite zeigt man sich überrascht. Es kommt dann tatsächlich auf die Schnelle noch ein zusätzliches Fahrzeug.

Die Fahrt vom Flughafen zum Hotel dauert über eine Stunde und führt durch Gegenden die deutlich nicht den Naturschutzpreis gewinnen würden. Industrieanlagen pusten ungefiltert und stinkend ihre Abgase in die Luft; die Gegend sieht deutlich mißhandelt aus. Als erster Eindruck vom Land ein Albtraum. In den Gärten brennen Feuer mit Abfällen, direkt daneben hängt Wäsche zum Trocknen. Später lese ich, daß die WHO 80% der Außenbezirke Vladivostoks als gesundheitsgefährdend einstuft. Da können wir bei uns zuhause noch so sehr einen Handstand machen, die ökologische Zukunft unserer Erde wird nicht in good old Europe, sondern in den Schwellenländern entschieden; da scheint diese Erkenntnis aber bisher nur bedingt angekommen zu sein.

Wir sind nicht nur in den Osten geflogen — Vladivostok liegt genau östlich von Nordkorea, hat aber faktisch keine asiatische Bevölkerung, was auch komisch ist —, sondern haben auch eine Zeitreise gemacht, die uns geradewegs in die 80er geführt hat. Die Herren tragen VoKuHiLa und Pornobalken, im Radio läuft Scooter, Scorpions, van Halen, Harold Faltermeier und Opus neben lokalen Größen. Sehr lustig.

Auf der Straße ist ganz normaler Rechtsverkehr, allerdings sind sicher 95% der Fahrzeuge japanische Rechtslenker – Autos; überhaupt spielt der europäische Automobilbau hier absolut keine Rolle. Auffällig ist auch der sehr hohe Anteil an SUVs, was bei den Straßen erst mal kein Wunder ist. Wenn man sich aber mal überlegt, was der durchschnittliche Ostrusse so verdient, dann reibt man sich schon die Augen und fragt sich, worauf er denn alles verzichtet, um sich so ein Angeberauto leisten zu können.

Unser Hotel Equador sieht von außen erst einmal nicht gerade vertrauenswürdig aus, ist von innen aber ok. Allerdings merkt man beim Bett doch die Nähe Japans (das auf dem Bild unten auch zu sehen ist), denn die Matratze ist betonhart. Und der gastronomische Service läßt doch zu wünschen übrig.

Die Stadt selbst ist städtebaulich eine brutale Mischung aus Sozialismus und Kapitalismus. Auf Ästhetik schaut hier jedenfalls niemand. Auch haben die Menschen hier nichts zu lachen. Im Gegensatz zu unserer letztjährigen Reise im Westen Rußlands sind selbst junge Frauen knallhart in ihrem Gesichtsausdruck, auch wenn sie nur minimalst bekleidet sind und Stiefel mit Absätzen tragen, für die man sicher einen halbjährigen Laufkurs mit Führerscheinprüfung absolvieren muß. Später lerne ich, daß in dieser Gegend es als dumm und ungebildet gilt, zu lächeln. Die wenigen lächelnden Ausnahmen, die ich kennenlernen werde, beweisen allerdings das Gegenteil.

Auch wenn ich jetzt hier erst über den zweiten Tag schreibe, so sind wir mit unserer Reise ja schon viel weiter. Dabei sind echt viele Bilder angefallen, die ich hier und auch im Photoblog nicht alle unterbringen kann, die aber doch einen guten Eindruck von Reise und Land vermitteln. Eigentlich hatte ich sie für eine bestimmte Person hochgeladen, aber da ich das Blog ja auch als Tagebuch für mich nutze, möchte ich sie eigentlich gar nicht aus meinem Webspace löschen. Darum gibt es ab sofort am Ende eines jeden Artikels den Link zu den Bildern des Tages; da könnt Ihr Euch dann alle Photos ansehen. Das sind heute noch nicht viele, aber in einigen Tagen werden es dann doch deutlich mehr.

Bilder des Tages