Tag 4: Khabarovsk

Nach unserem ersten Konzert hatten wir am nächsten Morgen einige Stunden Zeit, um uns die Stadt anzuschauen. Ich verband das direkt noch mit einer Einkaufstour durch örtliche Elektronikshops, da wir dringend ein Ersatzteil brauchten. Aber auch im Fernen Osten Rußlands ist man bestens sortiert und so war das kein Problem.

Das Bild zeigt den Blick aus meinem Hotelzimmerfenster hinaus auf den Amur und es zeigt auch, daß Khabarovsk eine sehr grüne Stadt ist. Sie steht schon im direkten Gegensatz zum ersten Eindruck, den ich von Ostrußland in Vladivostok bekam. Die Stadtregierung Khabarovsks legt großen Wert darauf, eine lebenswerte Stadt zu verwalten und das ist ihr auch gelungen.

Natürlich gibt es neben den im Osten üblichen Holzhäusern auch sozialistische Wohnbauten, aber trotzdem macht alles einen relativ gepflegten Eindruck und ich fühle mich recht wohl in der Stadt.

Bei der Planung hat sich mal jemand wirklich Gedanken gemacht: es gibt drei große Hauptstraßen, die parallel zueinander laufen. Damit die Fußgänger und Radfahrer sich nicht dem Verkehr aussetzen müssen, gibt es zwischen diesen Hauptstraßen immer Boulevards, also sehr breite, parkähnliche Grünstreifen, auf denen man wandeln kann. Finde ich eine gute Idee, den man auch in anderen Städten mal umsetzen könnte.

Aber auch richtig schöne Gebäude gibt es dort. Insgesamt wird das Gesicht der Stadt eben nicht wie woanders in der Gegend durch Bausünden, sondern durch halbwegs überlegte Architektur geprägt. Die Kirche ist übrigens relativ neu, erst nach dem Fall der Sowjetunion entstanden; sieht man ihr nicht an, finde ich.

Der Amur ist der Fluß der Stadt und seine Gewaltigkeit kann man aus dieser Perspektive heraus gar nicht erkennen, da nur ein Nebenarm bis zum nächsten Inselstreifen zu erkennen ist.

Am Fluß entlang verläuft eine Uferpromenade mit Verkaufsbuden und Kunst, meine lokale Führerin Julia erzählte mir, daß vor allem Abends die Promenade ein beliebter Treffpunkt der hiesigen Studenten sei. Die Kunst wird auch genutzt, wie man sehen kann. Die beiden hatten bei ihrem Photoshooting übrigens eine Menge Spaß.

Spaßig geht es hier nicht zu. Das ist das offizielle Kriegsdenkmal des zweiten Weltkriegs, an dem bis heute eine Gedenkflamme brennt. Auf diesem Denkmal sind alle aus der Stadt gefallenen Soldaten vermerkt. Nur aus dieser Stadt und nur die Soldaten. Da mußte ich tatsächlich erst einmal schlucken. Das sind ganz schön viele Namen, die da eingemeißelt sind. Europa ist sooo weit weg und Khabarovsk hat so viele Menschen verloren ?  Wie kann das sein ?  Erst langsam geht mir auf, daß der zweite Weltkrieg nicht von ungefähr Weltkrieg und nicht Europakrieg heißt. Japan war Verbündeter Deutschlands im Krieg gegen Rußland, gewissermaßen also die rückseitige Front. Auch hier war also Krieg.

Noch nachdenklicher wird man dann bei diesem, direkt hinter dem Weltkriegsmahnmal stehenden Denkmal für alle gefallenen Soldaten der Stadt bei den zehn Kriegen seit 1945; inklusive elf Jahren Afghanistan. Das wirkt dagegen, ohne das ich jetzt hier die Schicksale der Gefallenen vernachlässigen möchte, übersichtlich und läßt noch einmal sehr deutlich werden, wie unglaublich viel Elend die von Deutschland maßgeblich geprägte Zeit Anfang der 40er Jahre gebracht hat.

Nachmittags stiegen wir dann wieder in einen Flieger, der uns weiter ostwärts brachte. Die Sicherheitskontrollen incl. Abtasten wurden ausschließlich von jungen, äußerst attraktiven Frauen durchgeführt, die sogar lächelten. Das war für uns alle natürlich ein angenehmes Erlebnis. Auf dem Flughafen, wie auch schon in Vladivostok und dann auch später noch auf Sakhalin, standen einige alte Maschinen herum, teilweise ohne Triebwerke. Das wäre bestimmt ein tolles Photosafariegelände …… wenn man das Risiko einer Bekanntschaft mit russischen Sicherheitskräften eingehen möchte.

Der Sakhaliner Flughafen ist schon sehr spartanisch; es gibt erst gar keine Ankunftshalle. Am Flugzeug wird man per Bus abgeholt und an den Zaun des Vorfelds gefahren. Dort geht man dann durch ein Tor raus, ein Stück weit zum Flughafengebäude und wartet dann draußen (!), bis die Türe zum einzigen Gepäckband geöffnet wird. Das stelle ich mir bei Regen oder im Winter … suboptimal … vor, aber wir hatten Glück und stiegen dann trocken in unseren Bus.

In Rußland ist das mit den Sicherheitsvorschriften so eine Sache. In der Regel mag es zwar welche geben, aber es kümmert sich eigentlich niemand darum, weil man ja jemanden kennt, der dafür verantwortlich ist und den man schmieren kann. Sehr speziell sind diese Klappsitze, die sich in vielen Bussen im Gang befinden. Ist der Bus voll, werden einfach diese Sitze mit drei schnellen Handgriffen ausgeklappt und es gibt zusätzliche Sitzplätze. Daß man damit einen eventuellen Fluchtweg und natürlich auch den Weg für andere Fahrgäste zum Ausgang verbaut, nimmt man billigend in Kauf.

Das war es erst einmal für heute; hier noch alle Bilder des Tages.