Direkt in der Zentrale: Kremlin Palace, Moskau

Letzte Woche spielten wir zwei Konzerte in Rußland, das erste direkt im politischen Mittelpunkt der Macht, im Kreml. Da man sich die Zollabwicklung nicht antun wollte, spielten wir mit örtlicher Technik, die im wesentlichen aus fest eingebautem Material bestand. Hermann, unser Frontton – Mann, saß den ganzen Tag mit fettem Grinsen über alle vier Backen hinter seinem Pult, denn die örtliche PA bewegte schon recht viele Pappen und lieferte ein ordentliches Brett ab. Moderne Techniker werden jetzt was von Phasengang und so ’nem Quatsch erzählen, ja, das stimmt auch alles, aber trotzdem ist eine ordentlich aufgehängte Anfang-der-90er-state-of-the-art – PA schon ein Garant für Rock ’n‘ Roll. Beim Ton also alles gut.

Beim Licht hatten wir nicht ganz so viel Glück. Aus Gründen, die nur der russischen Seele verständlich sind, vielleicht aber einfach nur aus Kostengründen (die offizielle Begründung möchte ich hier nicht wiedergeben, weil ich niemanden der Lächerlichkeit preisgeben möchte), durften wir nämlich auch nach längeren Verhandlungen das hauseigene Frontlicht nicht nutzen. Statt dessen hing eine Traverse mit zehn Mac 600 fünf Meter hinter der Bühnenvorderkante, so daß die Mönchwandelfläche erst 6,5m hinter der Bühnenvorderkante beginnen konnte. Zusammen mit den etwa acht Metern, die die erste Reihe von der Bühne entfernt war, kamen wir also auf stattliche 14,5m Sicherheitsabstand zwischen Publikum und Sängern. Beim ursprünglich bei unserer Ankunft angebotenen Aufbau kam dann auch schon sehr bald die Band, so daß die Wandelfläche auch nur ein Meter tief gewesen wäre; das haben wir aber dann noch umbauen lassen, sogar mit Videowand. Letztlich kamen wir also auf normale fünf Meter Tiefe. Während des Einleuchtens stellten wir dann fest, daß Uraltbrenner und komplett verstaubte Optiken aus den Lampen nur wenig Licht austreten ließ. Da war es aber eindeutig zu spät, daran noch was zu ändern.

Da wir im Kreml waren, war natürlich auch der KGB nicht weit, hier seht Ihr eine Nebenbeobachtungsstelle, die ich heimlich mit versteckter Kamera photographieren konnte. Man achte besonders auf den roten Knopf rechts. Den Platz der Inspizientin konnte ich nur zufällig ablichten, dann erwischte mich Major Iceborg und verbot grundsätzlich und streng jedes Photo auf der Bühne. Auch während der Show. Die Tatsache, daß es ja „unsere“ Show sei, ließ sie nicht gelten und drohte statt dessen mit Hausverbot. Andere Securities versperrten meinen FOH – Kollegen trotz Backstageausweis‘ in der Pause den Zugang hinter die Bühne. „Access all aerea“ gilt eben nicht im Kreml.

Auch einen der berüchtigten Verhörplätze konnte ich heimlich ablichten. Die Schminkplätze hinter der Bühne versprühen einen gemütlichen Charme der 60er und sind bis heute in Nutzung — warum auch nicht. Spielt ja.

Zu guter Letzt noch einen Blick in die Abklingbecken der Kreml’schen Atomwaffen, den ich unter Einsatz meines Lebens exklusiv für Euch erhaschen konnte. Die Hinterbühne sieht bei Showumgangslicht schon etwas gespenstisch aus. Gut zu sehen sind die Kulissen und Materiallager auf drei Ebenen.

gelbgoldblau

Letzte Woche in Osteuropa und Rußland lag noch Schnee, hier scheint die Sonne und die ersten Blüten leuchten hell. Ein schöner Kontrast. Möge es einen grandiosen Frühling und wunderschönen Sommer geben.

Vivian Maier in Hamburg

Seit knapp zwei Jahren steigt in rasantem Tempo der Stern einer sehr begnadeten Photographin: Vivian Maier schaffte es in dieser Zeit von absoluter Unbekanntheit zur weltweit gerühmten Street Photographerin. Ein toller Erfolg. Und fast ein Märchen. Denn Vivian Maier starb in den Tagen ihrer absolut zufälligen Entdeckung und hinterließ in Kisten, die versteigert wurden um Mietschulden zu zahlen, über 100.000 Photos und mehrere Tausend unentwickelte Rollfilme. Bilder, die außer ihr zuvor niemand sah, weil sie sie hütete wie einen Schatz. Bilder von bezaubernder Schönheit und perfekter Komposition. Bilder aus den 50er bis 90er Jahren. Straßenphotographie und Studien, die den Vergleich mit allem was man so kennt absolut nicht scheuen braucht.

Der Ersteigerer der Bilder suchte eigentlich etwas ganz anderes, erkannte aber recht schnell, daß die Arbeiten, die er da erstanden hatte, von großem Wert sein müssen und begann sie zu veröffentlichen. Die Reaktionen waren überwältigend und so wird nun der ganze photographische Nachlaß aufgearbeitet. Der Nachlaß einer Frau, die eigentlich niemand so richtig kannte, die verschlossen war und als Kindermädchen im Wesentlichen in Chicago lebte.

Einen ersten Überblick der Arbeiten kann man zur Zeit und noch bis zum 28.04.2011 in der Hamburger Galerie Hilaneh von Kories sehen. Zwar finde ich den Titel der Ausstellung „Twinkle, twinkle, little star…“ selten dämlich, aber das sollte nicht schrecken, die wirklich sehenswerte Präsentation trotzdem zu besuchen — zumal der Eintritt frei ist.

Jenseits der Tatsache, daß ich die Bilder auch wirklich toll finde und der Meinung bin, daß es sehr schade gewesen wäre, wären sie im Orkus verschwunden, beschäftigt mich aber auch die Frage, was denn Vivian Maier dazu gesagt hätte, daß ihre Bilder nun weltweit gezeigt werden. Wie das eigentlich mit dem Copyright von Bildern aussieht, wenn jemand keine Verwandten hat; kann der Käufer der Negative sie einfach unter sein Copyright stellen ?  Wie das mit den Persönlichkeitsrechten der abgebildeten Personen ist, die da jetzt in Galerien ausgestellt werden; darf man die nun einfach zeigen ?  Für Vivian Maier waren ihre Bilder ihre ureigene Privatsache, nie hat sie ihre Werke jemandem gezeigt. Die vielen Tausend unentwickelten Filme zeigen eher, daß sie der Moment des Photographierens viel mehr interessierte, als das Betrachten der Photos. Wie würde diese Frau also auf ihren plötzlichen Ruhm reagieren ?

Auf jeden Fall aber lohnt es, sich mit den Arbeiten Vivian Maiers zu beschäftigen.

Gut

Gerade las ich den folgenden Spruch auf einer Website und ich empfinde ihn als sehr angenehm:

In einer Welt
die immer nur
besser
sein will
ist
gut
ein angenehmer Ausdruck
von Zufriedenheit.

Wie wahr.

Langeweilenphotos

In diesen Tagen stehen ein paar Arzttermine an. Und weil Warten ja ziemlich langweilig ist, kann man die Zeit dazu nutzen, ein paar Detailphotos zu machen. Ich bedauerte schon, daß ich nur meine Taschenknipse und keine Spiegelreflex mit dabei hatte. Nächstes Mal dann. Wobei ich schon auf das Gesicht des Arztes gespannt bin, wenn ich mit Kamera in der Hand vor seinen Apperaturen knie.

In der HNO – Technik scheint sich jedenfalls in den letzten 40 Jahren nicht allzuviel getan zu haben. Beachtlich finde ich, daß der vieltausendfach genutzte Bananenstecker der Kopfleuchte absolut ok aussieht. Scheint eine gute Qualität und pflegliche Behandlung gleichermaßen zu sein.

Zuhause ist auch nicht alles Gold

Zu den Dingen, die man überhaupt nicht gebrauchen kann, wenn man nach Wochen wieder nach Hause kommt, gehört unter anderem auch ein Wasserrohrbruch. Heute Abend kam in der Küche das Wasser aus der Steckdose. Da gehört es ziemlich deutlich nicht hin. Der hinzugerufene Klemptnernotdienst meines Vermieters bestätigte mir meine schlimmsten Befürchtungen: zum einen habe ich für den Rest des Wochenendes kein Wasser, weil der Haupthahn zugedreht werden mußte und zum anderen wird Anfang der Woche die Wand aufgeklopft um die 60 Jahre alte Bleiverrohrung komplett zu erneuern. Suuuuuuper.

Bekenntnis zur politically incorrectness

Gestern Abend, nach unserer allerletzten Show dieser Tour, sprach mich vor der Backstagetür in St. Petersburg eine Frau an und bedankte sich für mein Blog und meine Sicht auf Rußland. Das Ganze in fließendem und akzentfreiem Deutsch. Ich war überrascht, daß sogar Menschen in Rußland hier lesen (aber mich überrascht sowieso immer wieder, wieso doch recht viele Menschen mein Blog lesen) und im Nachhinein dachte ich darüber nach, ob ich in der Vergangenheit nicht vielleicht sehr einseitig und vielleicht zu negativ über dieses Land geschrieben habe. Ich bekam fast sowas wie ein schlechtes Gewissen. Dann dachte ich an die vergangenen Tage und ich war mir sicher: nein. Ich war eigentlich immer eher beschönigend.

Rußland heißt bei uns in der Produktion „The country of NJET“.

Ja, es gibt natürlich immer wieder Ausnahmen, gerade gestern in St. Petersburg gab es so eine Ausnahme, wo sich die örtliche Produktionsleiterin echt Mühe gegeben hat und ehrliche Antworten gab; aber diese Ausnahmen sind kleine Kerzen inmitten von tiefer Dunkelheit. Rußland ist für mich geprägt von Unfreundlichkeit, Ruppigkeit und ganz offensichtlicher und plumper Lüge. Natürlich ist dieser Eindruck geprägt von den Menschen, die uns tourbedingt umgeben. Aber eben auch von den Menschen, denen man zufällig begegnet: im Bahnhof, im Zug, am Flughafen, beim Spaziergang. Und da war der Übergang von Estland nach Rußland ein Kontrast, der härter nicht ausfallen konnte.

Rußland ist ein Land, in dem ich nicht leben wollte. Die gesellschaftliche Struktur ist mir nicht nur fremd, sie erscheint mir … abstoßend. Und wenn ich mit dieser Einschätzung den wenigen Kerzen in der Dunkelheit vors Schienenbein trete, dann tut mir das tatsächlich leid, denn diese Ausnahmen die ich kennenlernte, schätze ich wirklich sehr. Aber sie sind eben Ausnahmen.

Wieder im Zug

Unser Zug von Tallin nach Moskau

Das ist der Zug, der uns von Tallinn nach Moskau bringen soll. Und was von außen erst einmal wie ein ganz normaler russischer Zug aussieht, wie wir ihn im Herbst zu Dutzenden bestiegen haben, birgt im Inneren einige Überraschungen. Es ist nämlich kein russischer, sondern ein estnischer Zug. Was den entscheidenden Unterschied ausmacht. Klar, die Aufteilung ist die selbe wie in Rußland und es gibt immer noch den Heißwasserkessel gegenüber der Schaffnerkabine. Aber schon die Schaffnerin ist keine „scary lady“ wie wir sie im Herbst nannten, sondern eine sympathische Estnin.

Das Abteil von Hermann und mir

Die Abteile schon beim ersten Blick deutlich heller und moderner als alles was wir je in Rußland sahen. Es gibt Bordradio und sogar einen Fernseher. Die Sitze und der Boden sehen sauber aus und selbst den Toiletten traut man über den Weg.

Es ist das, wonach es aussieht: Strom und ... INTERNET

Beim Blick unter den Tisch entdeckt man etwas, das man nicht für möglich halten würde: Strom und … ja, genau, es ist Internet. Gibt’s übrigens auch als kostenloses, freies WLAN. Im Zug. Während der Fahrt. Na ja. Jedenfalls in Estland. In Rußland soll es dann nicht mehr funktionieren. Aber das war für uns hier fast ein Kulturschock. Das schafft ja nicht mal die Deutsche Bahn.

Die estnische Landschaft

Die Landschaft ist ehrlicherweise nicht sehr unterschiedlich abwechslungsreich, also so wie in Rußland. Und noch mächtig verschneit. Aber bei so einem Zug kann man das mal locker bis Moskau aushalten. Die Reise fängt also sehr positiv an.