Die Show in Ekaterinburg

Die Techniker in Petersburg und Moskau hatten uns schon gewarnt: wir würden die Zivilisation verlassen, wenn wir an den Ural führen. Ganz so schlimm ist es nun nicht, aber es ist schon ein deutlicher Unterschied zu spüren. Die Halle ist ein durchgängig nach Popkorn riechender Kinokomplex, dessen größter Saal mit Veranstaltungstechnik aus den 80ern ausgestattet ist (man achte mal auf den Groundsupport der Backtruss). Angeblich sei in der ganzen Umgebung nichts moderneres zu finden; das Lichtpult, eine Roadhog, kam schon mit uns aus Moskau mit dem Flieger. Dabei ist die Stadt je nach Quelle die dritt- oder viertgrößte Stadt Rußlands.

Das Personal ist sehr bemüht, unseren Rider zu treffen, aber es ist schon eine recht improvisierte Show. Statt moderner Striplights gibt es beispielsweise diese Rock ’n‘ Roll – Lösung. Jedenfalls kommt da anständig was raus. Eine andere schöne Lösung wird uns statt des nicht vorhandenen Stardrops (Sternenvorhang) präsentiert. Vor einem schwarzen Vorhang baumeln einfach auf drei unterschiedliche Dimmerkreise gesteckte Tannenbaumlichterketten, die mittels Chaser animiert werden. Geht doch. Auch zumindest eines der im Rider geforderten Keyboards stammt nicht von einem professionellen Backlineverleiher: auf den Tasten kleben Bildchen und Buchstaben, die Kindern das Lernen vereinfachen sollen. Ich wüßte ja schon gern, in welchem Wohnzimmer man für einen Tag auf das Instrument verzichten mußte.

Dennis, unser Monitormann, ist aufgrund seines Alters und seiner bisherigen Studiokarriere mehr oder weniger ausschließlich hochwertige moderne Digitalpulte gewohnt und steht zum ersten Mal in seinem Leben vor einem betagten Soundcraft SM20, einem Pult, das erst dann richtig klingt, wenn es bei +20dB ordentlich brennt. Eine klare Herausforderung für ihn, weil seine normalen Pulte die 0dB bitte nie berühren dürfen, damit es nicht digital scheppert.

Auch sehr schön ist der Blick in die Brandmeldezentrale des Hauses. Ich bin sicher, daß man dort einen Feueralarm nicht überhören kann, selbst wenn der Wachhabende bereits verstorben ist.

Von den in großen Gruppen überall herumstehenden Securities erzählte ich ja schon. Auch sonst scheinen die Personalkosten in Rußland noch gering zu sein. Wenn man beispielsweise darum bittet, vor der Show die Bühne gereinigt zu bekommen, dann kommt nicht eine Reinigungskraft sondern direkt ein ganzer Trupp, der äußerst gewissenhaft arbeitet. Ich war fast erschrocken, als ich die vier Frauen anrauschen sah, weil ich das nicht gewohnt bin, vom Ergebnis aber überzeugt.

Aus Ekaterinburg kann ich sogar eine Sehenswürdigkeit zeigen, aber auch nur, weil wir direkt daneben spielten. Die Kirche stehen an der Stelle, an der die Zarenfamilie Anfang des letzten Jahrhunderts ausgelöscht wurde. Es gab sicher Zeiten, in denen man dessen sehr stolz war; heute möchte man da zumindest von Seiten unserer Betreuer nicht mehr so gern drüber sprechen.

Die Show lief dann trotz aller Improvisation sehr gut und die Reaktion des Publikums war super. Ich hatte allerdings mit Abstand den ältesten Spot der Tour zu bedienen. Ein altes Teil ohne Dimmer, nur mit Shutter, er kannte also nur 100% an oder eben aus. Für unsere Show nicht immer ideal. Da es auch kein echtes Interkom gab, sondern nur eine Einwege – Komandostrecke, kam es zu einer recht lustigen Gegebenheit. Zum Showbeginn fing plötzlich ein zweiter Spot mit an zu leuchten und keiner wußte, wer den denn wohl bediente. Auch zog er die Iris immer viel zu weit auf, so daß die halbe Bühne beleuchtet war. In der Pause stellte sich heraus, daß einer der Helfer der Meinung war, daß zwei Spots einfach besser aussehen als einer und daß er darum einfach mal mitgemacht hatte.

Sonst war aber alles gut und nach der Show wurde ich wieder von einigen Zuschauern angesprochen, wir sollten doch auf jeden Fall wiederkommen. Ich erklärte ihnen, daß sie doch bitte den örtlichen Veranstalter anrufen sollten, denn der müsse uns ja buchen. Sie versprachen, es zu tun. Mal sehen, ob und wann wir also wieder in die Gegend reisen. Nach der Show dann ganz, ganz schnell weg, denn um 03:45 war schon wieder Lobby – Call für unseren Flug nach Helsinki.

Ein Gedanke zu „Die Show in Ekaterinburg“

  1. Hey, ein SM20 ist doch modernste Technik, das kann ja sogar Intercom-Rufe signalisieren (wenn man denn ein Intercom-System hat *g*)
    Daß gelbe Lampen von Vorteil sind habe ich auch schon gemerkt und passe die Gain-Struktur in der Fabrik an die Bühnenlautstärke an.
    Und ich sehe, daß ich nicht der Einzige bin, der zur besseren Übersicht Faderkappen tauscht.

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