Holiday Inn St. Petersburg – Moskovskye Vorota

Die erste Nacht in Rußland verbrachten wir im niegelnagelneuen Holiday Inn Moskovskye Vorota. Das Hotel war so neu, daß das Grand Opening noch bevorstand und wir gewissermaßen zu den Testgästen gehörten. Im Hotel erst mal alles gut. Neben ein paar Eckchen, die einfach noch nicht fertig waren, war alles auf den ersten Blick so, wie man es von einem Holiday Inn erwarten würde: Geschmackvoll und hochwertig eingerichtete Zimmer, gute Restaurants mit unglaublichen Kellnerinnen (keine Sorge, das Thema „die russische Frau“ wird hier noch einen eigenen Artikel bekommen), Bar, Spa, alles da.

Auch der Rohbau direkt gegenüber meines Hotelzimmerfensters konnte bei milder Herbstbeleuchtung meinen Eindruck vom Haus nicht trüben. Komisch war etwas anderes, ein Eindruck, der sich im Laufe der Reise noch verdichten sollte: schon bei Neubauten ist der Verfall mit eingebaut, ganz Rußland ist ein Staat, der im Verfall liegt. Nur Altbauten strahlen sowas wie eine unzerstörbare Robustheit aus. Es sind die Dinge auf den zweiten Blick, die mich stutzen ließen: die nicht ganz sauber verfugten Badezimmerfliesen, der kleine Wasserschaden an der Baddecke, der an einigen Stellen raue Putz im Flur. Kleinigkeiten bloß, aber doch symptomatisch für das ganze Land, in dem Neubauten nicht ganz fertig werden, schon aufgegeben sind, bevor sie vollendet wurden. Das ist eigentlich schade, denn im Grunde ist das Hotel, sind die anderen Bauten, die wir noch betraten, gute Entwürfe.

Und noch etwas ist mir aufgefallen: ich bin aus einer Generation, die von James Bond sozialisiert wurde. Der Agent im Dienste Ihrer Majestät hat in mir verankert, daß kyrillische Schilder immer den Atomtod bedeuten. Oder aber zumindest mal irgend eine andere Fiesheit. Keine Ahnung beispielsweise, was auf diesen Schildern im Hotelzimmerflur steht. Aber in meinen Augen geht es wenigstens um mit Atomsprengköpfen bestückte U-Boote, die den dritten Weltkrieg heraufbeschwören wollen. Mindestens !  Aber auch ein Arbeiter, der mit einem Schriftzug auf dem Rücken in seinem Blaumann steckt und wahrscheinlich nur einfacher Gaswasserscheiße – Monteur ist, steigt in meiner Phantasie sofort zum Geheimlaboraten von Mr. No auf, bloß weil ebendieser Schriftzug nicht in lateinischen, sondern kyrillischen Buchstaben aufgestickt ist. Paradox. Aber auch lustig, weil man diese Phantasien ja auch bewußt beflügeln kann.