Krabat im Deutschen Schauspielhaus

Wer das Buch Krabat von Otfried Preußler kennt weiß, daß es eigentlich keinen besseren Tag als ausgerechnet Silvester gibt, um es zu lesen — oder eben zu sehen. Nach dem für mich recht enttäuschenden Film starteten wir also gestern Nachmittag den Versuch im Deutschen Schauspielhaus.

Schon nach Öffnen des Vorhangs mit dem Krabat – Schriftzug hatte ich das Gefühl, daß es eine gute Inszenierung werden würde. Es erwartete uns kein überladenes Bühnenbild, kein buntes Kindertheater, sondern eine faktisch leere Bühne, nur mit Mühlrad, Meister und Krabat.

Die Verwandlungen des Bühnenbildes erfolgten in der Mehrheit nicht durch einfliegende Kulissen aus der Obermaschinerie, sondern durch den offenen Einsatz der Untermaschinerie: Drehbühne und Hubpodien veränderten im Wesentlichen das Bild in dem Stück, das ohne Unterbrechungen, ohne Vorhänge gespielt wurde. Mit geprägt wurde die Inszenierung durch musizierende Knappen, die den Rhytmus, die Dynamik der Mühle unterlegten und dem ganzen einen guten Drive gaben.

Natürlich mußte es Anpassungen des Buches an die Bühne geben. Die wurden aber nach meinem Geschmack deutlich geschickter, schlüssiger gelöst als im Film: aus drei Jahren wurden zwei, aus zwölf Knappen sieben und aus der Kutsche des Herrn Gevatter wurde eine knochige Hand, die in den Vollmondnächten die Knochen zum mahlen brachte.

Neben der Mühle und der hier zu sehenden Stube des Meisters gab es auch noch das Schützenfest in Schwarzkollm als Hubpodienelement.

Insgesamt waren die Bilder immer sehr passend zur Atmosphäre umgesetzt, hier ein Albtraum Krabats kurz vor Ende des Stücks, als er sich überlegen soll, ob er das Erbe des Meisters annimmt, oder nicht.

Auffällig für mich war das recht junge Ensemble. Oft hat man ja ältliche Matronen, die dann die jugendliche Liebhaberin spielen; zugegeben: besonders oft nicht im Theater, sondern in der Oper. Hier paßte die Besetzung perfekt und alle spielten ihren Part hervorragend und überzeugend. Insgesamt war die Leistung der Schauspieler unaufgeregter und genau deshalb besser und ehrlicher, als im Film, wo man mit zu viel Macht Eindrücklichkeit erreichen wollte und sie genau dadurch zerstörte.

Ich glaube, wir sahen gestern eine besondere Silvesterausgabe des Stücks. Jedenfalls kann ich mir nur so erklären, daß der Meister in der Hand des Herrn Gevaters „Heute ist nicht alle Tage; ich komm‘ wieder, keine Frage“ sagte und mit diesem Filmzitat für großen Jubel im Publikum sorgte. Aber selbst wenn der Spruch zum Text gehörte, so war er doch nicht fehlplaziert, war die Inszenierung doch nicht so düster wie der Film. Die Knappen untereinander hatten durchaus viel Spaß.

Am Ende des Stücks bleibt das Gefühl, eine tolle, stimmige Inszenierung mit einer guten Besetzung genau am richtigen Tag gesehen zu haben. Das Stück läuft noch häufiger in den nächsten Wochen und ich kann Euch allen den Besuch nur sehr empfehlen. Das Publikum war gestern sehr gemischt zwischen 12 und 80 und genau für diese breite Gruppe ist das Stück auch geeignet. Habt viel Spaß dabei.