Rigging for Runaways

So eine Fachmesse zeigt den aktuellen Stand der Technik —  sollte man meinen. Tatsächlich gibt es hier aber einiges, das man sich im realen Leben nun wirklich nicht erlauben darf. Besonders fällt mir dabei seit vielen Jahren das Thema Rigging auf. Gut, zugegeben, in Taiwan und China, oder woher sonst manche Billiganbieter kommen, ist der Rohstoff Mensch eine gut nachwachsende Recurce, da muß man vielleicht nicht besonders aufpassen. Aber ich wundere mich, daß die Frankfurter Messe diese Konstruktionen durchgehen läßt. Hier mal ein paar Bilder von meinem zweitägigen Messebesuch. Bei allen Situationen bewegen sich Menschen unter den gehängten Dingen.

gefröscheltes Stahlseil

Dieses Cluster mit drei Boxen hängt an einfach gefröschelten Stahlseilen. Mal abgesehen davon, daß wir bitte gar nicht mehr fröscheln und schon gar nicht nur mit einer Klemme, ist er hier sogar auch noch falsch aufgesetzt. „Never saddle a dead horse“ heißt der Merkspruch. Was heißt: den Sattel der Drahtklemme nie auf das tote Ende setzen.

Safen wäre klasse

Erst mal vorweg: der hier sichtbare Hersteller der Motoren hat nichts mit den Boxen zu tun, die darunter hängen. Die Motoren sind fein und sie sind sogar nach BGV-C1, müssen also nicht gesafed werden. Aber was ist den mit den Schlingen oben in der Truss ?  Drunter hängen lange und große Bananen eines sehr bekannten Herstellers und ich hoffe einfach mal, daß die Schlingen Steelflex sind und ich das einfach nur nicht erkenne; denn dann wäre ja alles gut.

gar nichts gut

Hier ist aber ganz sicher gar nichts gut. Der Handkettenzug ist sicher nicht mehr geTÜVt, es ist nichts gesafed, das sind bestimmt keine Steelflex und außerdem ist der Winkel der Schlingen so flach, daß es echt schon weh tut. Drunter hängt eine asiatische 8er – Banane. Der Stand gehört spontan stillgelegt und die Messeleitung, die sowas durchgehen läßt, in eine Schulung.

Cluster an 'nem Spiegelkugelmotor

Der Effekt ist klasse, die Ausführung aber nicht. Der Standbetreiber hat sich wahrscheinlich gedacht, daß man statt einer Spiegelkugel ja auch ein Lautsprechercluster an so einen Spiegelkugelmotor hängen kann, damit er sich fröhlich dreht. Leider ist der Motor eher von der billigen Sorte und der Motorbolzen nicht zweifach gegen Durchfallen gesichert. Das auch hier der Winkel der Kette flacher als 120° ist, kommt noch hinzu.

Grüße aus dem Baumarkt

Auch hier hängt ein Billigcluster drunter. Der Motor ist aus dem Baumarkt, den Bindfaden hinten möchte ich nicht als Safety verstanden wissen und alles zusammen macht bestimmt Kopfweh, wenn’s einem auf den Dätz fällt.

Liebe Dozenten der zahlreichen Vorträge parallel zur Messe: kommt mal aus Euren Vortragsräumen raus und schaut Euch das wahre Leben an. Grauselig. Auf der anderen Seite muß es wohl noch viele Vorträge geben, wenn einem noch immer solche Beispiele begegnen. 

10 Gedanken zu „Rigging for Runaways“

  1. Hallo Markus, zumindest auf dem Stagemaker Foto scheinen Steelflex (softsteels oder wie auch immer…) im Einsatz zu sein, da mir die grauen Typenschilder nur von den „Rundschlingen mit Stahleinlage“ bekannt sind… Alles andere ist in der Tat grauslich und würde man sonst eigentlich nur beim Kollegen Chrickel auf einer Baustelle aus einem weit entfernten Land, und nicht auf einer deutschen FACHmesse erwarten…;)
    Gruß Daniel (der sich immer wieder über dieses „Szeneblog“ freut!)

    1. Wie schon geschrieben hoffe ich einfach mal, daß es sich auf dem Nexo – Stand (da hängen die Stagemaker – Motoren) um Steelflex handelt. Ich war mir da optisch nicht sicher, aber bei der Firma kann man eigentlich davon ausgehen, daß sie wissen, was sie tun.

  2. Für weitere Besuche ist auch der Stand von DBMess (Betreiber ist der Admin des PA-Forums) „lohnenswert“. Ein Beamer am Spanngurt geflogen, der (zumindest vorhandene) Safety ist durch den Griff des Beamers gezogen. In der Truss fehlen jede Menge Splinte (in den senkrechten Strecken stecken nur jeweils die Hälfte aller). Der Trusswürfel steht nur auf 3 Stützen (in der 4. Ecke ist zwar ein Corner+Down, allerdings fehlt der Tower). Über so Kleinigkeiten wie Haushaltsstromkabel redet man dann gar nicht mehr.

    1. Hört sich spannend an. Leider bin ich nicht mehr vor Ort und so kann ich kein Photo dazu beisteuern. Wenn noch jemand eins macht, wäre ich interessiert.

    2. Ein paar Anmerkungen dazu:

      1.) Ein Standard-Beamer wird an keiner Stelle so warm, dass man sich die Pfoten daran verbrennen kann. Dass man mit solchen Temperaturen einen Spanngurt durchschmilzt, ist hinreichend unwahrscheinlich. Ein solcher Spanngurt wird vom Hersteller mit 250 kg angegeben, da steckt üblicherweise eine Sicherheit von 4 drin, ab etwa 1000 kg ist mit einem Versagen zu rechnen. Wenn da nun ein Gerät von etwa 3kg damit festgezurrt wird (viersträngig, theoretisch also 4000 kg), dann sehe ich da kein akutes Problem.

      Zum Diebstahlschutz / Safety: Der Griff würde beim Versagen des Spanngurtes der dynamischen Belastung standhalten.

      2.) In den Stand wurde ein Truss-Tisch von 3 x 3 m gestellt, gebaut aus Litec QX 30. Belastet war der Stand mit dem besagten Beamer, 2 x PAR 46, einem 40″-LCD-Display, einer Projektionsfläche 1,60 x 1,20, ein Notebook sowie ein wenig Papier (Flyer, dagelassene Visitenkarten…). Da ein Kollege seinen Verbinderkoffer in Berlin hat stehen lassen, wurde nur der obere Rahmen vollständig verbolzt, bei allen Stützen und den unteren Horizontalen wurden nur zwei Verbinder (diagonal) gesetzt.

      Ich habe mir mal eben den Spaß gegönnt, das mit ProRigg SUS zu rechnen: Bei einer Länge von 2m (die Horizontalen) könnte man mit nur zwei Verbindern (inkl. aller Sicherheitsfaktoren sowie dem BGV C1-Abschlag von 50%, weil der Hersteller die Traverse ja nicht für diesen Einsatzzweck nachgewiesen hat) eine Last von etwa 250 kg anbringen. Wir waren bei der am stärksten belasteten Horizontalen bei etwa 10% dieses Wertes.

      Die horizontalen Stützen nehmen überhaupt keine Zugkräfte auf.

      3.) Die Standsicherheit des Aufbaus ist auch mit nur 3 Stützen gewährleistet. Hintergrund dieser Konstruktion ist, dass damit Platz für einen Tisch geschaffen werden sollte – der dann allerdings nicht mehr in den Sprinter gepasst hat. (Die fehlende Stütze hätte auch nicht mehr reingepasst…)

      4.) Haushaltsstromkabel… Nach meiner Erinnerung hatten wir alles in Gummi. Für den Fall, dass meine Erinnerung trügen sollte: Wir befinden uns in einem trockenen Raum, die mechanischen Anforderungen sind überschaubar, alles hängt an der mit 10A abgesicherten Nachtstromdose, der größte Verbraucher zieht 300W.

      5.) Es wurde zwar nicht erwähnt, aber wenn wir schon anfangen, Kleinigkeiten zu diskutieren: Die Projektionswand war eine weiß beschichtete Spanplatte (1,60 x 1,20 x 0,8), aufgehangen an vier Kabelbindern. Auch da sehe ich kein nennenswertes Problem: Erprobtermaßen hält ein einzelner Kabelbinder die komplette Platte. Hitzequellen haben wir nicht in der Nähe. Wenn die Teile versagen, dann brennt die Halle. Drunter stehen kann keiner (Unterkante vielleicht in 1,20 m Höhe). Wenn einer drunter liegt, während die Halle brennt, kommt’s darauf auch nicht mehr an.

      1. Nun … wie schon geschrieben hatte ich den Stand nicht beachtet. Wenn ich aber jetzt die Beschreibung lese und vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der gewisse Dinge begründet werden, dann wundere ich mich schon ein wenig. Jenseits der Tatsache, daß man sich fast alles schönrechnen kann finde ich es eine Frage der professionellen Ehre, einen Job technisch aber auch optisch sauber abzuliefern. Tun das die Profis nicht, dann kann ich das von der Amateurliga erst recht nicht erwarten und ich lande im absoluten Chaos.

  3. hammer, ich bin zwar nur laie mit zwei semestern bühnentechnik und arbeitssicherheit, aber das ist schon abenteuerlich. interessehalber: wieso fröscheln wir nicht mehr?

    1. Beim Fröscheln wird das Stahlseil sehr punktuell zusammengepreßt und in seiner Struktur beschädigt; dadurch verliert es erheblich an Tragkraft und es besteht die Gefahr, daß es reißt. Man hat sich dann damit beholfen, daß man zwei oder drei Frösche setzte, die Reibungskraft also verteilte und jeden einzelnen nicht mehr ganz so fest anzog, letztlich aber ein schlechter Kompromiß und so sind Frösche mittlerweile berufsgenossenschaftlich geächtet. Mit Keilklemmen gibt es ja auch eine sehr sichere Alternative. Ich selber finde, daß ich irgendwelche 5kg – Dekoteile durchaus mit Fröschen an ’nem 4mm Stahlseil aufhängen kann. Boxen oder andere echte Lasten aber bitte niemals.

  4. Abenteuerlich!
    Egal, ob es um 120° oder eigentlich 140° (2×70° ab Vertikale) geht.
    Gerade auf Messen, sieht man immer wieder schauriges. Allzuoft sind das aber die Standbetreiber im Nachgang und hoffentlich seltenst Kollegen.
    Anderenfalls bekommt der Anschlagschein eine ganz neue Bedeutung :)
    Gruss A.J.

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