Gastbeitrag: Circus Roncalli in Hamburg

Echte Männer, … bitte mal kurz herschauen.

Das könnt Ihr doch sicher auch alle. Einfach mal nachmachen, davon ein Photo an Markus senden und … dann habt Ihr einen Wunsch frei — oder beste Aussichten auf eine Karriere als Artist im Circus Roncalli.

Das Motto des aktuellen Programms  „All you need is Laugh“  gilt aber nur für das Publikum, sofern man überhaupt noch lachen kann, nachdem man so viel Geld an der Kasse gelassen hat. Die Artisten jedenfalls müssen richtig was tun. Der Herr oben auf dem Photo heißt Encho Keryazov und ist ehemaliger bulgarischer Landesmeister der Sportakrobatik. Und ich würde mit ihm keinen Streit anfangen.

Es gab auch weibliche Artisten, besonders gefiel mir das Trio Belissimo. Absolventinnen der Zirkusschule in Kiev, die ähnlich muskulös gebaut waren und sich auf sehr heikle und elegante Weise stapeln konnten. Von denen sah keine so aus, als würde sie so schnell aus der Puste kommen, wenn sie mal dem Bus hinterher rennt. Die machten eher den Eindruck, als ob sie so einen Bus im Flic Flac links überholen.

Wie man es vom Cirkus Roncalli gewohnt ist, gibt es viel echte, anmutige Körperarbeit, echte Musik, echten Gesang, echt romantische Inszenierung, echt wenig Tier, echt schöne Clownerien mit dem Papi aus dem Publikum, jede Menge Konfetti auf Kinderköpfe und Liebesäpfel und zum Schluss das klassische weinende Auge, als der zum dummen August gemachte Manegendiener das Kostüm und  die rote Nase wieder abgeben muss und er zurück zum Besenschwinger mutiert. Echt echte Melancholie.

All you need is Laugh, das muß sich Herr Paul auch gesagt haben als er den Standort gesehen hat. Der Zuckerwattecircus Roncalli gastiert  im nüchternen Gewerbegebiet an der Nordkanalstraße. „Auf einem neuen, zentralen Platz in Hauptbahnhofnähe.“ Schöne Umschreibung für: Parkplatz am Rande der Welt.

Es hat mir sehr gefallen, doch bin ich eher berührt als beschwingt aus der Vorstellung gegangen. Es war mir, als wäre ich mit lauter verlorenen Werten bombardiert worden, als hätte man mich in eine Zeitmaschine gesteckt, in verschiedenen Gängen durchgeschleudert und mich dann zum abkühlen wieder in den Wind der Nordkanalstraße gestellt.

Text und Bilder: Annette Prüfer

Bäuerliche Eventtechnik

Diese Woche bin ich im Südtiroler Ort Kastelruth, wo beim Spatzenfest in vier Shows an drei Tagen insgesamt 60.000 Menschen eine Show eben der Kastelruther Spatzen besuchen werden. Dieses Spatzenfest hat eine lange Tradition und findet in einem gigantischen Bierzelt statt. Damit angetrunkene Gäste nicht über so Kleinigkeiten wie Basements (das sind gewissermaßen die Füße von Traversenkonstruktionen) stolpern, werden diese einfach eingegraben. Das sieht schon ganz lustig aus und man ist schwer versucht, mal die Gieskanne herauszuholen und zu sehen, ob aus den 2,40m – Pieces noch 3m – Stücke werden.

Die Helden der Produktion (und das meine ich jetzt tatsächlich ernst) sind die Holzjungs (hier nicht im Bild; das ist nur Martin, unser SysOp); eine Gang aus pensionierten Bauern, die mit einer Kettensäge schneller eine perfekte Treppe gebaut haben, als Du denen erklären kannst, was Du eigentlich willst. Daß man dann die Herkunft nicht ganz verleugnen kann, sieht man an dem Mischpultplatz, der eher an ein Schweinegehege erinnert. Sehr gefällt mir auch der trockene Südtiroler Humor, mit dem diese Siebzigjährigen gesegnet sind.

Auch wenn das hier harte Arbeit ist — es gibt keine Hands und unsere Truppe aus zehn Leuten incl. zwei Trucker muß wirklich alles rund um die Bühne selbst machen — so finde ich es doch sehr erstaunlich zu sehen, mit welcher Professionalität Chuzpe Erfahrung hier gearbeitet wird. Ich habe großen Respekt.

Gleichberechtigung

Im Grunde finde ich gut, wenn man klar sagt was man will. Dann bleiben Mißverständnisse aus und keiner ist enttäuscht, weil er sich Hoffungen gemacht hat, die nicht erfüllt werden. Und die ganzen Regelungen, wie eine Stellenanzeige auszusehen hat, finde ich deutlich überzogen. Darum begrüße ich diesen Aushang in einem Schaufenster, den ich vor ein paar Tagen sah.

Ich stelle mir nur gerade mal vor, ein … sagen wir mal Schlosser … suchte explizit einen männlichen Mitarbeiter. Jungejungejunge, was gäb das für ein Geschrei.

Frostkonzert

Über das ganze Wochenende war in Hamburg die offizielle Feier zur Volljährigkeit der deutschen Einheit (warum immer diese Feier nicht in einem ehemaligen Grenzort, sondern in einer „normalen“ Stadt gefeiert wird) und in diesem Rahmen gab es viele Konzerte; unter anderem eines mit Annett Louisan, Ruben Cossani und Stefan Gwildis direkt am Wasser der neuen HafenCity.

Das Wetter gestern war nicht so richtig OpenAir – freundlich: extrem windig, ziemlich feucht und kalt. Immerhin so windig, daß man am Nachmittag zwischendurch schon mal alle Kräfte zum eventuellen Abbau der Bühne (die nur bis 8 Bft hält) versammelt hatte. Das blieb uns aber zum Glück erspart. Da den ganzen Tag über Programm auf der Bühne war, durfte ich die Backline schon um 07:30 Uhr bauen. Also vor dem Aufstehen. Abends regnete es wenigstens nicht mehr so richtig. Echte Gemütlichkeit kam aber zumindest hinter der Bühne nicht auf.

Neben Annett, die auch ihre neue Single spielte (in dem Video dazu tanzt übrigens unter anderen Gwenny Ludwig, eine charmante Tänzerin, mit der ich mal lange auf Tour war) und die trotz des Wetters für gute Stimmung sorgte, gab es auch Ruben Cossani zu sehen. Schon optisch sind sie den 60ern verbunden und das hört man auch sehr deutlich.

Den Abschluß machte Stefan Gwildis und ich sah selbst hartgesottene Annett – Fans (Gruß an die erste Reihe), denen das wohl gut gefiel. Zu Recht, wie ich finde, denn Stefan gelingt es immer wieder, seine „Gemeinde“ hinter sich zu versammeln.

Daß Stefan nicht nur singen und Gitarre spielen kann, sondern sich auch auf Percussion versteht, bewies er mal wieder bei seinem schon fast legendären Sulo – Solo.

Für mich kam gestern schon ein wenig Abschiedsstimmung auf. Aller Voraussicht nach war das erst mal mein vorletztes Annett – Konzert, das letzte werde ich am 23.10. betreuen. In der Tourcrew gibt es einige Umstrukturierungen und bevor jetzt irgendjemand „Verrat“ schreit: das ist ein völlig normaler Prozeß, den es auch schon bei den vergangenen Touren gab. Schade finde ich’s natürlich trotzdem.