Da hat mich die kleine Twitter – Nachricht einer Bekannten doch ganz schön erwischt, viel mehr als die Meldung in der Zeitung und ich habe länger drüber nachgedacht, warum eigentlich. Heute wurde also die letzte Zeche im Ruhrgebiet, die letzte Zeche Deutschlands geschlossen. Ich bin aus dem Ruhrgebiet, aus Duisburg – Huckingen, habe weite Teile meiner Jugend in Hüttenheim verbracht. Der Eingeborene weiß schon, was das bedeutet.
Ganz ehrlich: natürlich möchte ich das Ruhrgebiet meiner Kindheit nicht wieder zurück. Den von Schwefel gelben Himmel am Tag und den durch die Abstiche roten Himmel bei Nacht. Das Donnern und Brausen, wenn man im Bett lag und drei Kilometer weiter wieder Tonnen an Stahl aus dem Hochofen schossen.
Du hast ’nen Pulsschlag aus Stahl; man hört ihn laut in der Nacht.
sang Grönemeyer dazu. Und er hatte recht: der Pulsschlag war nicht zu überhören und doch war er wie der gewohnte Pulsschlag der Mutter für einen Neugeborenen: er ließ einen ruhig schlafen. Heute ist der Puls tot. Da wo bei Schichtwechsel um 06:00, 14:00 und 22:00 Uhr früher viele Tausend Arbeiter aus den Toren quollen, steht heute der Löwenzahn; auf ehemaligen Schlackehallen lächerliche Großskulpturen. In Meiderich ist ein ehemaliges Thyssen – Stahlwerk heute ein „Landschaftspark“, Krupp Rheinhausen ist komplett weg. Auf einem kleinen Bruchteil des Geländes fertigt heute mit einem noch kleineren Bruchteil an Belegschaft McDonalds Patties. Hurra. Letztlich muß man feststellen: der Stolz, den die Region so lange geprägt hat, ist lange gebrochen. Früher prägten Kohle und Stahl das ganze Ruhrgebiet. Das Werksgelände Thyssens zog sich vom Rhein in Duisburg durchgehend bis nach Dortmund. Heute droht trotz oder gerade wegen der im ganzen Ruhrgebiet um Potenzen besseren Luft auf der in etwa parallel zum Firmengelände laufenden A40 ein Fahrverbot für Diesel wegen Feinstaubs (die Ironie dieses Urteils hat auch eine ganz besondere Qualität).
Zwischenzeitlich lebe ich in Hamburg, wohne da, wo sie alle wohnen wollen, genau im Übergang zwischen Pauli, Eimsbüttel & Altona und will ganz sicher nicht mehr ins Ruhrgebiet zurück. Vielleicht, weil der Stolz eben gebrochen und nur noch Trotz ist. Dennoch fühle ich heute ganz deutlich
Ruhrgebiet, ich komm‘ aus Dir, Ruhrgebiet, ich häng‘ an Dir. Glück auf !