St. Petersburg, Moskau, Minsk

Wir sind mit unserem Männergesangsverein mal wieder im Osten Europas unterwegs und es ist doch schon wirklich vieles ganz anders, als im übrigen Europa. Das fängt schon bei der Einreise nach Rußland an. Mir erschließt sich beispielsweise nicht, warum in Dreiteufelsnamen die Abfertigung unserer zwei LKW und des Nightliners 7,5 Stunden an der Grenze zwischen der EU und Rußland benötigt, obwohl wir doch ein ATA – Carnet (internationales Zollpapier) sogar in russischer Sprache haben und es andere Länder in 15 – 30 Minuten schaffen, auch wenn es nicht in ihre Landessprache übersetzt ist. Und ich weiß, daß wir ja schon eine privilegierte Abfertigung bekommen, daß Zollbeamte für uns bestochen wurden. Andere, normale LKW warten manchmal Tage. Es ist ja nicht so, daß unsere Fahrzeuge ausgeladen würden, um alles genau zu kontrollieren, nein. Man verschwindet mit den Papieren nur einfach irgendwo und kommt nicht wieder. Keine Ahnung, was dann damit angestellt wird, ob eine Wünschelrute über das Carnet wandert, oder sie die Zukunft damit vorhersagen, aber das Carnet ist erstmal weg. Nun haben wir eine Einladung des russischen Kultusministeriums. Wir kommen also sowieso rein. Warum dann nicht knackig in sagen wir mal einer Stunde (an einen kürzeren, mit anderen Ländern vergleichbaren Zeitraum will ich gar nicht denken), sondern eben in siebeneinhalb ?

In den russischen Hallen stoßen wir auf eine neue Vorschrift: in einem Land, in dem Heizungsthermostate, ja Heizungsventile quasi nicht vorhanden sind, weil die Raumtemperatur mit dem Fenster geregelt wird, muß jetzt beim Ein- und Ausladen erst alles in einen Luftschleusenraum geladen werden, dann geht die eine Türe zu, die andere auf und man räumt den Raum leer. So stockt der Auf- und Abbau natürlich zeitlich deutlich, besonders dann, wenn der Schleusenraum vielleicht 5m² groß ist, wie in St. Petersburg.

Hochinteressant finde ich auch den Unterschied zwischen den Geschlechtern. Während junge russische Frauen anscheinend versuchen, sich weiterzubilden und durchaus in der Lage sind, wenigstens grundlegende Dinge in Englisch zu klären, verbringen viele junge russische Männer augenscheinlich ihre Zeit in der Muckibude, was nicht nur dazu führt, daß neben den Damen oft Gorillas laufen, sondern auch dazu, daß eben von 14 Stagehands kaum einer in der Lage ist, ohne Dolmetscherin (!) seine Arbeit zu machen. Auch sind junge Frauen in der Regel sehr freundlich und hübsch, während schon junge Männer eher ruppig sind. Kein Wunder, daß ältere russische Frauen dann auch irgendwann dem Griesgram verfallen — bei den Männern. Beachtlich ist aber auch, daß die Männer durchaus spuren, wenn ihnen eine Frau klare Ansagen macht. Sowohl in St. Petersburg, als auch in Moskau gab es (natürlich englischsprechende) Frauen, die vom Führungsstil her auch Generalfeldmarschall bei der russischen Armee hätten sein können. Ich hatte nicht den Eindruck, daß auch nur einer der Stagehands überhaupt daran gedacht hat, den Frauen zu widersprechen.

In der letzten Nacht sind wir dann von Moskau nach Minsk gefahren. Es fielen in der Zeit etwa 1m Schnee, was auch für die hiesigen Verhältnisse und vor allem für die Jahreszeit viel ist. Wir brauchten 15 Stunden für knapp 780km Fahrtstrecke. In dieser Zeit lernten wir, daß wir mit unserem westlichen Denken durchaus in unserem Handeln limitiert sind. Die Fahrtrichtungen auf der weißrussischen Autobahn sind nur durch einen etwa 5m breiten Grasnarbenstreifen getrennt, es gibt keine Mittelleitplanke. Aus gutem Grund: wenn auf einer Seite das Weiterfahren wegen Schneeverwehungen nicht mehr möglich ist, dann wird halt auf die andere Fahrtrichtung gewechselt. Das Ganze geschieht automatisch und im Fluß, ohne daß es irgendwelcher polizeilicher Regelung bedarf.

Allerdings sind wir auf unserer Fahrt auch an einigen Unfällen vorbeigekommen, die einen schon wirklich schlucken lassen. Auf vielleicht 1,5m³ zusammengedrückte PKW, oder LKW ohne Fahrerkabine, vor denen eine Frau betend im Schnee kniet gab es beispielsweise zu sehen.

Eine interessante Frage ist auch, was man eigentlich mit Brücken macht, vor denen ein Höhenbegrenzungsschild mit 4m steht, wenn man 3,8m hoch ist und auf einer etwa 50cm dicken Schneedecke fährt. Es hat immer gepaßt.

In Minsk ist so viel Schnee gefallen, daß bislang nur die Hauptstraßen wirklich geräumt wurden. Die Räumtrupps sind auch um diese Uhrzeit noch unterwegs (wir haben 2h Zeitverschiebung, also jetzt 22:15). Man kann den ganzen Schnee nicht einfach zur Seite schieben, sondern er wird in viele, viele LKW geladen und vor der Stadt abgekippt. Hier gibt es gar nicht genug Platz dafür.

Der weißrussische Rubel ist quasi nichts wert. Spielbanknoten. Ein Euro sind 11.300,00 Rubel. Da wird man am Geldautomaten schnell zum Millionär, obwohl man noch nichtmal 100€ abgehoben hat. Da ich in den letzten Tagen meine Jacke verlor und es bei diesen Temperaturen schon ratsam ist, eine zu haben, kaufte ich mir eben eine, die von 999.000 Rubel auf 499.900 heruntergesetzt war. Und Kollegen erzählten gerade, daß sie mit einem Trupp für zwei Millionen essen waren.

Wie schon bei unserem letzten Besuch hier fällt sofort auf, daß die Menschen viel freundlicher als in Rußland sind, Minsk deutlich gepflegter aussieht, als russische Städte. Und daß mehr Männer Englisch sprechen als in Rußland. Da würde man doch in einer Quasidiktatur nicht unbedingt mit rechnen.

Jetzt aber erstmal die Erkältung auskurieren.

Gute Nacht.

4 Gedanken zu „St. Petersburg, Moskau, Minsk“

  1. ich war mal mit! DELADAP in Minsk. Abgesehen von der Gage fragte der Veranstalter, wieviel Leute wir denn sind. Nach Beantwortung der Frage dauerte es ca. 20 Minuten, bis die entsprechende Anzahl junger Damen vor Ort.. ;-)

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