Bevor ich mich also über den Abend des Schanzenfests auslasse, möchte ich mit dem Tag beginnen. Das ist ja auch eigentlich logisch und gibt mir die Gelegenheit, den Nichthamburgern unter Euch ein paar Hintergrundinformationen zu geben. Das Schanzenviertel in Hamburg ist das, was in Berlin Kreuzberg, oder der Prenzel ist: ein ehemals heruntergekommenes Viertel, vor 20 Jahren von der Alternativszene entdeckt, im Laufe der Zeit immer schicker geworden und heute ist es in der Regel ein toller Schmelztiegel; nur manchmal übertreibt es die eine oder andere Seite ein wenig. Ein mal im Jahr ist großes Schanzenfest. Da gibt es im ganzen Viertel Trödelmarkt und sonstige Stände, viele Anwohner machen mit und es herrscht eine ganz tolle Stimmung.
Auch wenn die Veranstaltung illegal ist, so sind die Besucher aus der kompletten Bandbreite der Bevölkerung: alt und jung, alternativ oder gesettelt, hauptsächlich aus der Gegend, aber auch aus dem weiteren Umfeld. Die Organisatoren erheben keinerlei Standgebühren (klar, die Veranstaltung ist ja nicht genehmigt), sorgen aber doch dafür, daß alles halbwegs den Vorschriften entspricht. Jeder der Lebensmittel anbietet — und das sind im wesentlichen Anwohner, die ihren selbstgebackenen Kuchen oder Ähnliches verkaufen — bekommt ein Hygienemerkblatt, Rettungswege werden beachtet, alles geht sehr friedlich und nachbarschaftlich ab. Im Viertel wohnt eher die alternative Szene und so gibt es auch vegane Döner (wie immer das schmecken können soll) und bio-dynamische Muffins. Der Preis für fast alles ist ein Euro (auch Bionade, Bier, Cola) und daran sieht man auch, daß das keine kommerzielle Veranstaltung ist, sondern einfach ein gigantisches Nachbarschaftsfest. Das macht diesen Tag so schön.
Auf dem Trödelmarkt gibt es alle möglichen Sachen, auch viel schönes Zeug und die Leute nehmen sich selbst nicht allzu Ernst, was beispielsweise dieses recht kostengünstige Existenzgründerset zeigt, das ich auf der Bartelsstraße sah.
An allen möglichen Stellen gibt es auch Musik, aus dieser farbenfrohen Anlage kommt … klar … Reggae. Wenn man das alles so liest, dann könnte man sich natürlich fragen, warum in Dreiteufelsnamen diese jährliche Veranstaltung illegal ist und nicht genehmigt wird. Denn das hört sich doch alles sehr gut an.
Während manche Städe im Osten der Republik ein rechtes Problem haben, gibt es in Hamburg eher ein linkes. Und so prallen auch ganz stark die Mehrheit der Bewohner des Viertels mit dem linken Block aufeinander. Während also der eher jugendliche Schwarze Block das System revolutionieren will, wollen die meisten Anwohner nur in Ruhe feiern und die teilweise recht eigenwilligen politischen Parolen gehen vielen einfach auf den Geist. Im Alltag geht das meistens gut, manchmal allerdings…
Die Bühne auf dem Bild sieht für die Veranstaltungstechniker unter uns auf den ersten Blick erst einmal erschreckend aus. Beim ersten ernsthaften Wind würde sie wegfliegen und sie entspricht ganz sicher keinerlei Vorschrift. Im Laufe des Abends wird man dann ganz plötzlich verstehen, warum sie so ist: man kann sie sehr, sehr schnell wegbauen. Und das ist dann auch leider notwendig.
Erst mal kann man also festhalten: das Schanzenfest ist tagsüber eine tolle Veranstaltung, bei der es sich lohnt, hinzugehen.