Heute morgen beim Aussteigen aus dem Nightliner erst mal schneeblind gewesen. Hier ist alles weiß. Zwar habe ich in den vergangenen Tagen in der Netzeitung vom Schneechaos im Süden gelesen, aber wir waren davon noch weit entfernt. Hier türmen sich jetzt hohe Schneehügel an den Straßenrändern. Sicher nichts gegen die Situation in Bayern. Ich mag Schnee und Winter — wenn er wirklich weiß ist und nicht grau. Habe mich dann auf dem Weg vom Bus in die Halle erst mal mit Schnee abgerieben. Gesicht, Hals und Arme. Du spürst, daß Du lebst. Würde jetzt gerne in die Sauna gehen und mich danach wie ein junger Hund im Schnee wälzen. Rodeln. Skifahr’n. Leben. Vermisse gerade jemanden zum Teilen. Egal. Weiter.
Also in die Halle. Wie gestern ist die Stadthalle Chemnitz (drinnen, etwas verschämt versteckt, findet man auch noch alte Plakate mit Stadthalle Karl-Marx-Stadt) ein DDR – Bau. Superbreite Bühne, aber hier auch wenigstens richtig tief. Ein Zwitter zwischen ZK – Selbstbeweihräucherungsbau und Theater. Sehr mehrzweckig. Auch wie gestern kann man den kompletten Saal auf Bühnenniveau fahren, um für rauschende Bälle eine große ebenerdige Fläche zu haben. Heute hängen wir nicht einen eigenen Motor, es geht alles an Hauszüge. Aber unsere Trussbox bauen wir trotzdem. Der seitliche Abschluß vom Haus ist leider in einem ockerknatschgelb. Paßt eigentlich nicht so richtig zu unserem schwarzen Bühnendesign. Auch wie gestern legen wir keinen schwarzen Tanzboden, weil ich für diese breiten Bühnen nicht genug dabei hab‘. Für den zweiten Block müssen wir mal noch drei Rollen zusätzlich mitnehmen.
Internetzugang heute sehr beschränkt. Alle normalen Nummern sind seitens der Telephonanlage gesperrt, W-LAN gibt’s auch nicht. Was eigentlich unverschämt ist, denn in der Bühnenanweisung stehen unbeschränkte Telephonanschlüsse. Aber zum Glück hat Arcor auch normale Festnetzeinwahlnummern, eine auch in Chemnitz, so daß ich als Ortsgespräch ins Web komme.
Irgendwie ist der Wurm in der Crew: Uli ist zwar wieder gesund, aber Guido hat ’ne Erkältung, Dennis Zahnschmerzen und ich merke beide Nieren. Nicht schön.
Der Aufbau läuft rund, ich sitze in meinem Büro und jetzt kommt auch noch die Sonne raus. Zusammen mit den Reflexionen des Schnees taucht sie das Büro in gleißendes Licht. Das ist schön. Sonne, Schnee, fast wie Winterurlaub. Auch draußen ist es eigentlich nicht kalt. Es riecht nach Kindheitsskiurlaubserinnerungen und ich komm‘ mir gerade ein wenig eingesperrt vor in meiner Hallenkunstlichtwelt. Jajaja, ich bekomm‘ mich ja schon wieder ein ;-)
Die Vorbereitung von Düsseldorf nervt ein wenig. Die Halle ist gerade frisch umgebaut, es gibt einige Pläne noch gar nicht, die Leute werden faktisch in 270° rund um die Bühne sitzen, man kann nicht richtig fliegen. Aber ich glaube, wir wissen jetzt, wie wir’s machen wollen. Das werde ich jetzt mal zusammenfassen und vermailen. Immerhin wird das Publikum schön nah an der Bühne sitzen und bei zirkusähnlichen Arenen ist die Stimmung auch immer sehr intensiv.
In Düsseldorf, aber auch in Erfurt und Kiel sind wir so gut verkauft, daß wir jetzt um jeden zusätzlichen Platz kämpfen. Sichtbehinderungen werden abgewogen, Mischpultplätze knapp bemessen. In anderen Städten geht gar nichts mehr und in Berlin spielen wir fünf (!) Tage hintereinander weg. Schon geil.
Marycha, unsere Köchin, hat vor einigen Tagen herausbekommen, daß ich Blumen mag und mich heute mit einem Korb voller Blütenblätter verwöhnt. Jetzt riecht mein Büro sehr lecker. Danke !
Das Duschen nach dem Aufbau habe ich heute richtig genossen. Fetter Strahl. Nicht so ein Geluller, was in manchen Duschen herauskommt. Ich hab‘ über ’ne halbe Stunde daruntergestanden und mich vom Wasser massieren lassen. Überhaupt sind es die kleinen Freuden, die einen auf Tour überleben lassen. Man hockt ja doch sehr dicht aufeinander, hat faktisch keinen Privatraum. Auch wenn Ihr Euch mal anschaut, was die Kollegen so von sich geben: ein Nutellabrötchen beispielsweise. Erstaunlich (und eigentlich schade), daß noch keiner von den Konzertbesuchern zumindest mal den öffentlich zugänglichen Kollegen (Ton, Licht) was mitgebracht hat.
Habe eben 10 Minuten in den Tropen verbracht. Kurzflug gewissermaßen. Hier in der Stadthalle gibt es einen kleinen Tropengarten. Schöner Kontrast zum weißen Wetter. Aber wenn man zu meinem Büro kommt, wird man spätestens neben meiner Türe wieder in die Realität zurückgeholt.
Weil ich jetzt schon weiß, daß ich während der Show wieder nicht zum Photographieren kommen werde, gibt es heute ein Bild vom Soundcheck. In dem Zusammenhang: laut kommentierter Bühnenanweisung wird es morgen in der Alten Oper Erfurt kein Telephonanschluß geben. Ich war da noch nie (und auch keiner meiner Kollegen, selbst der Örtliche bespielt das Haus zum ersten Mal). Wenn ich also nichts von mir hören lasse, dann liegt das an der fehlenden Möglichkeit.
Matthias Schättgen und Matthias Baumann, Projektleiter bei Semmel Concerts waren hier und zufrieden. Morgen soll der Chef himself kommen, aber er hat die Show ja schon in Lüneburg gesehen. Manchmal hat man trotz ungünstigem Bau ja doch die Möglichkeit, Photos zu schießen. Hier wieder eine eher ungewöhnliche Perspektive.
Der Abbau läuft wie immer geschmeidig; trotz der im Haus stattfindenden Party werden wir aber nach dem Abbau in Richtung Erfurt losdüsen. Bei dem Wetter weiß man nie…..