Die Millennium – Triologie

Manch einer mag sich wundern, daß ich diese Bücher erst jetzt las, sind Stieg Larssons Bücher „Verblendung„, „Verdammnis“ und „Vergebung“ doch seit langem Bestseller und sogar verfilmt, doch ich entdeckte das erste Buch tatsächlich erst während meines Segeltörns. Ehrlicherweise ist der Begriff „Millennium – Triologie“ auch nicht ganz ehrlich, denn die Bücher zwei und drei bilden eine durchgehende Geschichte, Buch eins eine abgeschlossene eigene. Stieg Larsson gelingt hier auf insgesamt 2.280 Seiten das, was Kutscher eben nicht gelang: verschiedene Handlungen so miteinander zu verweben, daß man eigentlich alle drei Bücher in einem Rutsch durchlesen möchte und sich durch so Nebensächlichkeiten wie Essen und Schlaf nur sehr ungern stören läßt. Übrigens werde ich mir die Verfilmung nicht ansehen, mir reicht die eine Vorschau die ich sah. Die Personen des Films unterscheiden sich so diametral von den Figuren, die sich in meiner Phantasie Dank der guten Beschreibungen glasklar gebildet haben, daß ich mir das nicht antun möchte.

Worum geht es nun: es geht vordergründig um eine schwedische Wochenzeitung, in Deutschland vielleicht inhaltlich vergleichbar mit Spiegel, Stern oder Focus und um Ermittlungen, die diese Zeitung anstellt, um Mißstände die sie aufdeckt. Eigentlich geht es aber um die Personen. Um deren Schwächen, um deren Geheimnisse, um deren Obsessionen. Gerade diese Personen sind die unglaubliche Stärke dieser Bücher, weil sie faszinieren, weil sie leben, weil sie — zumindest mich — darüber nachdenken lassen, wie ich eigentlich bin und die Menschen, die ich liebe. Dabei möge jetzt bitte nicht der Eindruck entstehen, daß da eine nette sozialkritische Story erzählt wird. Die Serie trieft vor Gewalt und Blut, vor üblestem sexuellen Mißbrauch und gnadenlos ausgespielter Macht. Korrekt verfilmt wäre der Eintritt sicher erst ab 18 Jahren möglich. Neben dieser unglaublichen Mischung aus den dunklen Seiten des Menschen ist aber eben die …… fast möchte ich sagen Zartheit der Hauptdarsteller, obwohl das komplett danebenliegt …… Überlebenskunst der Protagonisten, das Suchen nach Licht im Dunkeln, das die Triologie so lesenswert macht.

Der stumme Tod

Volker Kutschers „Der stumme Tod“ war ein weiteres Buch, das ich in den vergangenen Wochen las. Die Geschichte ist erst einmal ganz interessant: im Berlin der 30er Jahre werden Schauspielerinnen, die bisher Stummfilme drehten und nun Tonfilme machen, umgebracht. Vorher werden ihnen aber noch die Stimmbänder entfernt. Dadurch lernt man ein wenig über den Umbruch in der Filmbranche, über Stumm- und Tonfilme und über den größeren Aufwand, den letztere mit sich brachten. Leider folgt der Autor einem Muster, das mir schon bei den sonntäglichen Tatorten regelmäßig auf den Senkel geht: natürlich gibt es noch private Verwicklungen, die nebenher gelöst werden müssen. Und sogar Adenauer wird herangezerrt. Das. ist. zu. viel. Der Krimi verreckt zwischenzeitlich in diesen Handlungen und entwickelt nicht den Fluß, der einen das Buch nicht aus den Händen legen läßt. Das ist schade, denn zielstrebiger geschrieben hätte es eine gute Geschichte werden können.

Fazit: für langweilige Zugfahrten ok, aber keine packende Unterhaltung.

Das glücklichste Volk

In den letzten Wochen las ich einige Bücher; ein paar davon möchte ich Euch hier gern vorstellen. Anfangen möchte ich mit Daniel Everetts „Das glücklichste Volk“. Die Amerikaner sind schon merkwürdig. Da fährt also ein von einer evangelikalen Kirche finanzierter, angesehener Sprachforscher an den Amazonas, um die einmalige Sprache eines eingeborenen Volks zu erlernen und zu verstehen und soll gleichzeitig die Heilsbotschaft Jesu unter die Leute bringen. Forschung und Missionierung. Das paßt ja für mich eigentlich nicht zusammen. Und Daniel Everett stellt das im Laufe der Jahre auch fest; die Piranhã missionieren ihn, er verliert seinen Glauben an Gott und gewinnt den Glauben ans Leben.

Da lebt im Urwald Brasiliens ein Volk mit einer ganz einmaligen Sprache, die unerforscht ist. Niemand außer den Eingeboren spricht sie, sie ist eine Mischung aus Lauten, Knacken und Melodien und natürlich soll sie erforscht werden, damit sie nicht völlig in Vergessenheit gerät, falls sie als gesprochene Sprache aussterben sollte. Everett stellt fest, daß das Volk ausgesprochen glücklich ist, daß es überdurchschnittlich viele lachende Menschen gibt, obwohl das Leben extrem hart ist. Erst mit dem Lernen der Sprache erschließt sich ihm die Lebensphilosophie dieser Menschen. Es gibt genau drei Zahlenwörter: eins, mehrere, viele. Zeit spielt nur eine sehr relative Rolle, das Jetzt ist wichtig. Und es gelten nur die Geschichten, die man selbst erlebt hat, oder jemand, den man persönlich kennt und dem man vertraut. Diese Einstellungen gepaart mit durchaus großer Lebensweisheit formen ein Volk, das bei aller archaischer Lebensform das Leben genießt.

Das alles ist nun keine erfundene Geschichte, sondern real. Das Buch ist gewissermaßen ein zusammengefaßter Forschungsbericht. An einigen Stellen wurde es für mich doch etwas zu sehr sprachwissenschaftliche Fachliteratur, aber dann überspringt man diesen Abschnitt und ist ganz schnell wieder in wirklich spannenden Berichten über das Leben und Denken dieser Menschen. Ein interessantes, spannendes und bewegendes Buch.

Photos aus den Zwanzigern

Manche Lebensläufe haben interessante Wendungen in sich. Marianne Breslauer, die nach dem Krieg unter Ihrem Ehenamen Marianne Feilchenfeldt als Galeristin und Kunsthändlerin einen internationalen Namen hatte, arbeitete vor dem Krieg als Photographin. Dies so gut, daß Ray Man, zu dem sie damals in die Schule gehen wollte, sie als Schülerin ablehnte: sie könne doch schon alles und dürfe gern sein Atelier mitbenutzen. Und so entstehen in gut zehn Jahren viele wirklich toll beobachtete Bilder aus dem Alltag der Metropolen.

1936 mußte sie emigrieren, ihr ganzes Photomaterial konnte sie dabei mitnehmen. Es wurde gut verpackt und erblickte dann jahrzehntelang kein Licht mehr. Erst in den achziger Jahren besann man sich der Arbeiten und so ist zur Zeit in der Berlinischen Galerie eine große Ausstellung über das Werk Breslauers zu sehen, die ich bislang aber nicht besuchen konnte. Parallel zur Ausstellung erschien auch dieser Photoband, in dem viele ihrer wunderschönen Schweizweißbilder zu sehen sind. Breslauer interessierte sich immer für die Menschen und die Metropolen. Sie zeigt sie mit aufmerksamem und liebevollem Blick. Auch das Leben der modernen Frau in den Zwanzigern stellt sie in kleinen Serien dar. Ihre warme Art der Darstellung spricht mich sehr an und ich bin wirklich gespannt, wie mir die Ausstellung gefallen wird, die ich wohl im August sehen werde.

Sophie Scholl

Über Sophie Scholl glaubt man ja alles zu wissen: sie war studentische Widerstandskämpferin im Dritten Reich, wurde erwischt und hingerichtet. Daß sie zuvor begeistertes Mitglied und Leiterin im BDM war, ist weniger bekannt und paßt auch erstmal nicht in das leuchtende Bild, das sich von Sophie Scholl und ihrem Bruder Hans gebildet hat. Hier setzt nun das Buch von Barbara Beuys an. Mittels erst seit kürzerer Zeit der wissenschaftlichen Auswertung zur Verfügung stehender Tagebucheinträge und Briefwechsel zeichnet sie die Entwicklung der Scholl – Familie und die von Sophie Scholl nach. Dabei kratzt sie manchmal durchaus am Heiligenschein Scholls, zeichnet letztlich aber das Bild einer nachdenklichen Frau, die bereit ist, alles ihrer Sehnsucht nach Freiheit vom unterdrückenden Nazisystem unterzuordnen.

Diese Biographie ist hervorragend zu lesen und schafft den Balanceakt, wie ein guter Roman zu packen, ohne dabei flach zu werden. Das Buch hat mir sehr gefallen.

Zeitsprung

Zur Zeit lese ich eine wirklich packend geschriebene Sophie Scholl – Biographie in die ich eben so sehr versank, daß ich gerade beim Blick auf Spiegel online spontan eine Sekunde lang verwundert war, daß es keine Meldungen zur aktuellen Frontlage gibt. Spricht für das Buch, finde ich.

Wenn ich’s ausgelesen habe, werde ich es hier noch ausführlicher besprechen.

Das letzte Kind

Was so alles in den USA möglich ist …… man mag es ja gar nicht glauben. John Harts „Das letzte Kind“ ist ein Thriller in dem es natürlich spannend zugeht — klar, sonst wär’s ja auch kein Thriller. Aber ansonsten wird so dick aufgetragen mit guten und bösen Menschen, mit Haß und Liebe, mit Ober- und Unterschicht, mit Gott und Dämonen, mit Zufällen und Vorsehung, daß es einem schon etwas schlecht wird. Allein der Versuch, die Geschichte zusammenzufassen, wird ob der vielen moralingetränkten Subebenen etwas anstrengend. Johnny ist ein dreizehnjähriger Junge, dessen Zwillingsschwester vor einem Jahr Opfer einer Entführung wurde; seitdem ist sie verschwunden. Auch wenn die Polizei die Suche aufgab hat er dennoch Hoffnung sie wiederzufinden und als eine Klassenkameradin ebenfalls verschwindet, setzt er alles daran, beide, Schwester und Kameradin, wiederzufinden. Dabei geschehen so viele unglaubliche Dinge, daß sie tatsächlich wohl nur in gods own country geschehen können.

Den Kauf des gebundenen Buches kann ich eindeutig nicht empfehlen; da driften mir Preis und Leistung doch zu sehr auseinander. Als Dahinleselektüre an freien Tagen am Strand mag das bestimmt irgendwann erscheinende Taschenbuch ok. sein. Die Begeisterung, mit der mir das Buch empfohlen wurde, mag ich aber ganz eindeutig nicht teilen. Dazu ist mir die Geschichte zu plakativ. Ich bin halt kein Ami.

Der Komponist und seine Richterin

Zur Zeit lese ich recht viel, unter anderem Patricia Dunckers „Der Komponist und seine Richterin„, ein Buch das gut beginnt und dann aber zu viel will. Der Grundplott ist eigentlich erstmal vielversprechend: eine Sekte voller intelligenter, gesellschaftlich gutgestellter und vermögender Menschen löscht sich selbst und seine Kinder aus, nur einer der Toten ist erschossen und hat sich nicht selbst vergiftet. Die Waffe ist verschwunden und damit weist der Fall eine Parallele zu einem ähnlichen Vorfall vor ein paar Jahren auf. Die Ermittlungen beginnen, die Geschichte ist gut und spannend erzählt, ich las das Buch gern und an einem Stück. Dann aber verliebt sich nicht nur der leitende Kriminalbeamte recht hartnäckig in die Ermittlungsrichterin, sondern auch der Hauptverdächtige wirbt mit großer Vehemenz um die Dame. An dieser Stelle wird die Geschichte für mich grotesk, die Spannung leidet doch ziemlich und ich schaute auf die Uhr. Hupps, schon 02:30 Uhr. Da lege ich das Buch doch mal weg und gehe schlafen. Und so dümpelt das Buch dann einige Seiten lang vor sich hin, obwohl es interessante (und tatsächlich wahre) astronomische Details enthält.

Nach einem dramatischen Finale, das glücklicherweise kein Happy End ist (das hätte ich dann nicht mehr ertragen und das Buch dann doch zum reinen Frauenroman werden lassen), gibt es aber auch schriftstellerisch ein unbefriedigendes Ende; es liest sich mal eben hingeschrieben und nicht so packend, wie der wirklich gute Anfang. Es bleiben Fragen offen, Handlungsstränge werden nicht zuende geführt, alles kommt doch sehr abrupt zum stehen. Da scheint also Frau Duncker im Laufe der Strecke die Luft ausgegangen zu sein. Mein Fazit: warten, bis das Buch als Taschenbuch zu bekommen ist, dann kann man es gut lesen.

Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker Nicht nur im Titel erinnerte mich das Buch übrigens an eines, mit dem ich seinerzeit in der Schule ausgiebig gequält wurde: Friedrich Dürrenmatts „Der Richter und sein Henker„, das ich mir zum Vergleich trotz der negativen Erinnerung spontan kaufte und direkt hinterher las. Dabei fiel mir mal wieder auf, daß die Bücher, die ich im gymnasialen Deutschunterricht lesen mußte, oft tatsächlich gar nicht so schlecht waren, sie zu Recht gelesen werden sollten. Allerdings wurde mir auch sehr klar, daß der Unterricht und das krampfhafte Zerpflücken eines Buches nicht gerade zur Literaturpflege taugt. Natürlich hat man mit geschätzten 15 Jahren andere Dinge im Kopf, als einen alternden, schweizer Kriminalbeamten und seinen Lebensfeind. Trotzdem bin ich mir sicher, daß man das Buch und die darin enthaltende Gesellschaftsstudie auch spannender hätte vermitteln können und ohne ein Werk auf Jahre in der Erinnerung zu demontieren.

Dürrenmatt auf jeden Fall erzählt seine Geschichte viel stringenter und schlüssiger, benötigt nicht so viel Firlefanz drumherum, ist mit seinem Ende sicher mindestens genau so überraschend wie Duncker, schafft es aber, den Bogen von Anfang bis zum Ende zu halten. Wenn man bedenkt, daß dies Dürrenmatts erstes Buch war und Ducker schon einige schrieb, so muß Duncker deutlich noch etwas üben, um die Qualität zu erreichen. Masse (die Richterin ermittelt auf 348 Seiten, der Richter auf 118) schlägt deutlich nicht klasse. „Der Richter und sein Henker“ gibt es natürlich als Taschenbuch und da dies selbst neu für nur 4,95€ (gebraucht bereits ab einem Cent) zu haben ist, lohnt sich diese Investition auf jeden Fall.

Falls jemand von Euch auch beide Bücher gelesen haben sollte, so wäre ich über Eure Meinung sehr gespannt.

Das Wörterbuch der Profis

Einige von Euch kennen das vielleicht, da ist man gerade in Frankreich, Spanien oder Weißrußland unterwegs, möchte dem örtlichen Helfer was erklären und die entscheidende Vokabel fällt einem im Englischen nicht ein, oder der Helfer versteht keine der Sprachen, wie man selbst spricht. Dann sucht man im Langenscheidt und stellt fest, daß ausgerechnet Schäkel, Kontergewicht, oder Trussbolzen nicht drinsteht. Stammeln ist angesagt. Ärgerlich. Zum Glück gibt es die Theatre Words, eine Buchreihe des schwedischen Verbands der Theatertechniker, die für 24 Sprachen Übersetzungen für alles bietet, was rund um Bühnen und Veranstaltungen gebraucht wird. Jede Edition hat bestimmte Sprachräume, die man damit abfrühstücken kann, oder man bestellt eine personal edition, in der es eine persönlich zusammenstellbare Mischung von Sprachen gibt.

Copyright: Olle Söderberg, Sttf

Neben den Übersichten in den einzelnen Sprachen gibt es in den Büchern Zeichnungen, mit denen man sich auch schon ganz oft weiterhelfen kann, indem man einfach draufzeigt. Die Nummern geben dann den Weg zu den einzelnen Übersetzungen an.

Die Bücher sind sehr übersichtlich und praxistauglich aufgebaut, alle wichtigen Begriffe sind drin und ich kann sie ohne Einschränkungen empfehlen. Es gibt sie bei den deutschen Fachverbänden in deren Bücherversand, oder aber direkt bei den Schweden. Die Versandkosten sind übersichtlich.

Die Vermessung der Welt

Wissenschaft ist etwas für Spezialisten, für Leute, die sich ganz in ein Detail versenken und da ihr Leben für hingeben. So denken wir wohl heute. Die faszinierende Spezies der Generalwissenschaftler gibt es in unserer Zeit leider nicht mehr. Das war früher anders, Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß waren unter anderen solche Menschen, die sich nicht in einem Thema verloren, sondern sich mit vielen verschiedenen Dingen beschäftigten — wenngleich auch durchaus intensiv. „Die Vermessung der Welt“ erzählt von diesen beiden Wissenschaftlern, von ihrem Leben und dem Willen, die ganze Welt, das Leben vermessen und verstehen zu wollen. Nicht als trockenes Faktenbuch, sondern als Roman. Im Vordergrund steht also die Unterhaltung des Lesers und nicht das wissenschaftliche Detail. Und diese Unterhaltung gelingt Daniel Kehlmann sehr gut. Er schafft es, die Verschroben- und Besessenheit dieser Wissenschaftler gut lesbar darzustellen und auch, daß sie im Alter letztlich an sich selbst scheiterten. Es ist Ironie, die sich in weiten Teilen durch das Buch zieht und es so unterhaltsam macht.