Wiederaufbau

Während zuhause schon mal die ersten Rezepte für Weihnachtsplätzchen herausgekramt werden, passiert bei uns im Lager faktisch ähnliches: Dekobauten für Weihnachtstouren werden hervorgeholt und einer liebevollen Überarbeitung unterzogen. Schließlich sollen die Kulissen ja in wenigen Tagen auf der Bühne wieder glänzen.

In diesem Fall handelt es sich um den Kastelruther Dorfplatz, der mitsamt der Kirche aufgebaut wird. Nach der Überarbeitung, bei der die Fronten faktisch komplett neu bemalt werden, schmücken wir die Teile mit Schnee und Eiszapfen vor und verstauen alles in Dollies (große Rollwägen aus Stahl), damit die Deko schnell und schonend verladen werden kann.

Nebenan bereiten Kollegen eine größere Opernproduktion vor: 50 Funkmikrophone werden eingesetzt. Damit das alles neben Kamerateams problemlos läuft, wird ein Teil der Strecken auf Sonderfrequenzen ausgelagert. Außerdem oben links im Rack: eine Semiduplex – Verbindung zwischen klassischem Interkom und Funkgeräten.

Das Drumherum

Es ist Sonntag Morgen, drei Stunden vor Einlaß und vier Stunden vor Konzertbeginn. Die ersten paarhundert Fans haben sich schon vor dem Zelt versammelt. Es herrscht fast so etwas wie Ausnahmezustand, jeder achtet peinlich genau darauf, daß sich niemand vordrängelt, alle wollen später die ersten sein.

Wenn jugendliche Festivalbesucher glauben, daß nur in Scheeßel oder in Wacken gecampt würde, täuschen sie sich gewaltig. Zu den Terminen der Kastelruther Spatzen tauchen hunderte von Wohnmobilen auf und bevölkern das Tal. Von klein und schnuckelig bis groß und perfekt ausgestattet: Spatzenfans scheinen auch Wohnmobilfans zu sein. Zelte gibt es nur ganz wenige.

Ganz anders als bei den großen Rock ’n‘ Roll – Festivals ist das aber hier mit den Ordnern gelöst. Der Backstagebereich ist zwar blickdicht eingezäunt, aufdringliche Fans (und davon gibt es einige und auch sehr dreiste) werden jedoch eher freundlich aufgefordert, die Folie nicht noch weiter einzureißen und bitte die Privatsphäre zu akzepieren. Dabei kann man feststellen, daß 75jährige Omas nicht weniger erfinderisch sind als 17jährige Teenies.

Wenn 15.000 Zuschauer auf Tischen und Bänken hüpfen, dann ist das schon ein echtes Erlebnis und ich finde es eher bemerkenswert, daß nicht ganze Hundertschaften mit gebrochenen Beinen abtransportiert werden müssen. Denn ehrlicherweise fließt daß örtliche Forst – Bier in großen Krügen.

Größer als der Everest ist das Kastelruther Spatzenfest

Diese Behauptung stelle nicht etwa ich auf, sondern ist ein Textauszug aus einem Stück über das Ereignis. Und ein bißchen was ist auch dran. Jedenfalls sahen am letzten Wochenende an drei Tagen in vier Shows 60.000 Besucher die geballte Ladung folkstümlicher Freuden. Bei so einem Konzert spielen nicht einfach die Kastelruther Spatzen, sondern es ist ein vielstündiger Event mit zahlreichen, jeweils wechselnden Vorbands, hier beispielsweise das aus fünf Musikern bestehende Schlernsextett. Ich weiß nicht, ob einer wegen Bauchweh nicht konnte.

Auch Gast am Samstag waren die Salten Oberkrainer, eine handwerklich tolle Kapelle, die mit echter Spielfreue auf der Bühne stand. Man mag zur Oberkrainer Musik stehen wie man will, aber was diese Herren hier boten war richtig gute Musik, die allen Beteiligten incl. uns abgefuckten Technikern großen Spaß gemacht hat. Oft geht es doch in unserem Beruf nur um Show; hier ging es um handgemachte Musik. Und man achte mal auf die kleinen Details wie Gitarre und Baß…

Gast am ersten Abend war Helene Fischer, die ehrlicherweise eher Schlager singt als Volkstum, aber die Massen sicher zu begeistern weiß. Anwesende Kameraleute, egal ob Video oder Photo, egal ob Profi oder Amateur, lieferten sich jedenfalls heiße Schlachten vor der Bühne (an der es keine „three songs, no flash“ – Regel gab). Und auch am Autogrammstand ging es nach dem halbstündigen Set so heiß her, daß Tische flogen und die betreuenden gut gebauten Herren arg ins Schwitzen kamen. Das war schon fast Rock ’n‘ Roll.

Höhepunkt jeder Show war dann natürlich der Auftritt der Kastelruther Spatzen. Diese Band ist tatsächlich ein echtes Phänomen. Das Publikum ist zwischen 17 und 90, extrem textfest und ab der ersten Zeile, ach was, ab dem ersten gespielten Ton partybereit.

Sänger Norbert Rier scheint in den vergangenen 25 Jahren ein genaues Gefühl für seine Fans entwickelt zu haben und zu wissen, was sie hören wollen.

Jedenfalls standen am Ende der Show immer 15.000 Menschen auf Tischen und Bänken, um die Band zu feiern, als wäre es eine angesagte Teenieband. Schon beeindruckend.

Bäuerliche Eventtechnik

Diese Woche bin ich im Südtiroler Ort Kastelruth, wo beim Spatzenfest in vier Shows an drei Tagen insgesamt 60.000 Menschen eine Show eben der Kastelruther Spatzen besuchen werden. Dieses Spatzenfest hat eine lange Tradition und findet in einem gigantischen Bierzelt statt. Damit angetrunkene Gäste nicht über so Kleinigkeiten wie Basements (das sind gewissermaßen die Füße von Traversenkonstruktionen) stolpern, werden diese einfach eingegraben. Das sieht schon ganz lustig aus und man ist schwer versucht, mal die Gieskanne herauszuholen und zu sehen, ob aus den 2,40m – Pieces noch 3m – Stücke werden.

Die Helden der Produktion (und das meine ich jetzt tatsächlich ernst) sind die Holzjungs (hier nicht im Bild; das ist nur Martin, unser SysOp); eine Gang aus pensionierten Bauern, die mit einer Kettensäge schneller eine perfekte Treppe gebaut haben, als Du denen erklären kannst, was Du eigentlich willst. Daß man dann die Herkunft nicht ganz verleugnen kann, sieht man an dem Mischpultplatz, der eher an ein Schweinegehege erinnert. Sehr gefällt mir auch der trockene Südtiroler Humor, mit dem diese Siebzigjährigen gesegnet sind.

Auch wenn das hier harte Arbeit ist — es gibt keine Hands und unsere Truppe aus zehn Leuten incl. zwei Trucker muß wirklich alles rund um die Bühne selbst machen — so finde ich es doch sehr erstaunlich zu sehen, mit welcher Professionalität Chuzpe Erfahrung hier gearbeitet wird. Ich habe großen Respekt.

Kastelruther Spatzen auf der Loreley

Die Kastelruther Spatzen werden bei ihren Hallentouren seit einiger Zeit durch unser Unternehmen betreut und seit kurzem liegt das Projekt bei mir. Zwar frühstückt die Truppe die Sommertermine im Wesentlichen mit eigenem Material und komplett mit eigenem Personal ab, auf der Loreley reicht aber die mitgeführte PA nicht aus und so stellten wir eine Meyer – Banane. Für mich war es dann auch mal interessant, das Phänomen „Kastelruther Spatzen“ mitzuerleben.

Bei Einlaßbeginn ist erst mal kein Unterschied zu einem Teenie – Konzert zu sehen: die Massen stürzen auf die besten Plätze. Im Dauerlauf. Und das selbst bei Jahrgängen, bei denen man das sicher nicht mehr erwartet hätte. Die Erwartung auf’s Konzert scheint also ein Jungbrunnen zu sein.

Dieses Jahr war bereits die zehnte Loreley – Show, ein kleines Jubiläum also. Bemerkenswert für mich: im Gegensatz zu Rockkonzerten wird hier schon im Vorprogramm ab dem ersten Song heftig mitgeklatscht und geschunkelt; die gute Laune ist einfach Programm und hält über fünfeinhalb (!) Stunden an.

Höhepunkt ist natürlich das Konzert der Kastelruther Spatzen selbst. Und am Ende bin ich doch beeindruckt. Ehrlicherweise nicht von der Musik. Ich stehe eher auf Soul und Funk. Aber von der Stimmung die entsteht und der man sich kaum entziehen kann. Und von der Tatsache, daß hier mit technisch einfachen Mitteln viele tausend Menschen begeistert werden, die auf Showeffekte pfeifen, sondern sich einfach von „ihrer“ Musik anstecken lassen. Letztlich also für die Zielgruppe ein tolles Konzert — und nur darauf kommt’s ja an.