Wie der Vorwurf der Fehlinformation zur Fehlinformation wird

Die großen Tageszeitungen sind eine der Säulen unserer Demokratie, weil sie Mißstände aufklären und schonungsloser Wahrheit verpflichtet sind. In Internetangeboten anderer Anbieter hingegen kann man Berichten oft nicht trauen, weil da jeder reinschreiben kann und Informationen ungeprüft und tendenziös verbreitet werden. Die Tageszeitungen stehen für Qualitätsjournalismus.

Diese Meinung soll verfestigt werden und dafür tun die großen Tageszeitungsverlage alles. Auch ganz offensichtlich lügen.

Wie oft Falschmeldungen ungeprüft auch in angeblich seriösen Publikationen verbreitet werden, konnte man in den letzten Monaten ja immer wieder lesen. Wie tendenziöse Berichterstattung aussieht, kann man in diesen Tagen rund um die Artikel beobachten, die das sogenannte Leistungsschutzrecht betreffen. Da wird auch in den deutschen Leitmedien die Wahrheit verbogen, daß es ein wirklicher Skandal ist. Und diese Kampagne wird mittelfristig den Verlagen schaden, die sie betreiben, weil sie eben ihre eigene Reputation demolieren.

Worum geht es: die Verlage werfen Suchmaschinen wie Google vor, daß sie Geld mit den Inhalten der Verlage verdienen; sie möchten gern vom Kuchen, den die Suchmaschinen verdienen, ein dickes Stück abhaben. Wenn ein Internetnutzer heute eine Neuigkeit sucht, dann gibt er ja seine Stichworte bei einer Suchmaschine ein und die führt ihn dann zu den gesuchten Informationen. Weil die Suchergebnisseiten aber auch jede Menge Werbung enthalten, können die Unternehmen wie Google oder Yahoo recht gut davon leben. Die Verlage behaupten nun, daß Google & Co. gar nicht überleben könnten, gäbe es die Verlage nicht und deshalb müsse man die Verlage an den Gewinnen der Suchmaschinen beteiligen.

Nun.

Umgekehrt wird da eher ein Schuh draus.

Die Internetauftritte der großen Tageszeitungen hätten erheblich weniger Besucher (und damit Werbeeinnahmen), führten die Suchmaschinen die Leser nicht dorthin. Diesen Dienst erbringen die Suchmaschinen für die Verlage völlig kostenlos und es ist auch nicht im Gespräch, daß die Suchmaschinen für die Leserzuführung in Zukunft Gebühren erheben will. Im Übrigen liegt es in der Hand der Verlage, ob und wie sie in den Suchergebnissen gefunden werden. Über die HTML – Befehle .norobot und .nosnippet kann man das nämlich für jeden einzelnen Artikel steuern; die Suchmaschinen akzeptieren und beachten diese Befehle alle. Bei .norobot überspringen die Suchroboter die Seite komplett und führen sie nirgends auf. Bei .nosnippet wird in den Suchergebnissen zwar die Überschrift gezeigt, jedoch kein Textauszug aus dem Artikel. Wenn die Verlage also bei Google nicht auftauchen wollen, dann haben sie schon heute alle Möglichkeiten dazu.

Noch perfider wird es bei Diensten wie news.google.de. Google nimmt nämlich eine Zeitung erst dann in seine spezielle Zeitungssuchmaschine auf, wenn die Zeitung das ausdrücklich schriftlich beantragt hat. Möchte eine Zeitung dort nicht mehr gelistet werden, dann reicht eine kurze Kündigung und die Zeitung erscheint in der Nachrichtenzusammenstellung nicht mehr.

Von all dem ist in der Berichterstattung der Zeitungen zum Leistungsschutzrecht natürlich nichts zu lesen. Auch von einem sehr kritischen Bericht einiger Kommunikations- und Medienwissenschaftler findet man dort nichts. Ebensowenig von der Kritik des BDI am geplanten Gesetz. Da wird nur über die Suchmaschinen geholzt.

Für mich ist interessant, wie blind und verbohrt sie Diskussion bei den Verlagen betrieben wird. Denn all das, was hier in Deutschland zur Zeit passiert, hat es in anderen Ländern ja in den letzten Jahren schon gegeben. In den Ländern, in denen ein Leistungsschutzrecht eingeführt wurde, strich Google die kostenpflichtigen Nachrichten einfach aus den Suchergebnissen. Das führte dazu, daß es erhebliche Besuchereinbrüche bei den Zeitungen gab, sodaß sich deren Internetauftritte nicht mehr rechneten. Daraufhin einigten sich die Verlage mit den Suchmaschinen auf kostenlose Übernahme und alles war wieder wie zuvor. Wieso in Dreiteufelsnamen soll es also diese Entwicklung in Deutschland so auch geben ?

Die einzige Erklärung, die sich mir anbietet, ist ein Machtspiel: haben die Zeitungsverlage auch in Zeiten des Internets noch so viel Macht, daß sie ein eigenes, im Grunde völlig unsinniges Gesetzt durch den Bundestag bringen. Um diese Frage geht es heute Abend in Berlin. Und ich hoffe, daß sich die Verlage eine blutige Nase holen und das Gesetz nicht verabschiedet wird. Weil es ein auf Lügen und Wahrheitsverdrehung basierendes Gesetz wäre.

6 Gedanken zu „Wie der Vorwurf der Fehlinformation zur Fehlinformation wird“

  1. Was mir nicht in den Kopf will:

    Das Gesetz (oder besser die Gesetzesänderung) bringt doch der Presse gar nichts. Es wäre für die großen Verlage gleichzusetzen mit .noindex oder .nosnpippet. Das können sie jetzt schon in die robots.txt schreiben.

    Für die nichtoffizielle Presse hingegen (Blogs etc.) wäre es ein Schritt der Zensur, weil durch die Rechtsunsicherheit viele Verlinkungen mit Kurzzitaten wohl eher nicht mehr getätigt werden würden.

  2. Nun, das Gesetzt betrifft ja in der derzeitigen Version „nur“ kommerzielle Suchmaschinen (das war in einer Vorabversion ja auch schonmal anders), Blogs können also (voraussichtlich) so weitermachen wie bisher. Und darum verstehe ich wie Du den Druck nicht, mit dem die Zeitungsverlage die Verabschiedung dieses Gesetzes verfolgen. Ich kann es mir wie schon geschrieben nur so erklären, daß es um eine Machtdemonstration geht. Daß diese letztlich die Basis der Tageszeitungen, nämlich das Vertrauen in die objektive Betrichterstattung, zerstört, wird dabei billigend in Kauf genommen.

  3. und was man vor allem nicht vergessen darf – die meisten Verlage zahlen fuer ihre Autoren *keine* gesonderte Verguetung fuer die Online-Nutzung ihrer Werke (Texte, Fotos, etc) erhalten (wenn schon fuer die gedruckte Ausgabe ein Honorar bezahlt wurde), sondern dies als mit dem Print-Honorar abgegolten gilt – andererseits aber durch Werbung, Gewinnspiele und Zusatz-Abos deutliche Zusatzeinnahmen einstreichen :(

  4. Verstehen kann ich die Verlage schon, nutzen wird es ihnen nichts. Das Grundproblem ist dass den News-Medien im Printbereich buchstäblich die Leser wegsterben, diejenigen die ihre Zeitung zum Frühstück brauchen werden weniger und es ist zwar richtig, dass man eine Fliege nicht mit dem ipad erschlagen sollte, aber da findet sich anderes.

    Das Problem liegt in der Verderblichkeit der Ware „news“ und den Distributionswegen. Bis die Printausgabe beim Leser ist steht im Internet schon die zweite Version des Artikels zur Verfügung. Entsprechend der Aufmerksamkeit und der Leseranzahl verschieben sich nun die Werbeeinnahmen zu den Online-Anbietern.

    Das perfide ist dass die Verlage das Problem auch nicht durch kostenpflichtigen Content lösen können. Ich habe früher immer sehr gerne in die Straits Times (ist die wohl beste Zeitung in Sudostasien) online reingeschaut, aber dafür zahlen war mir, da bin ich ehrlich, zu viel des guten, d.h. seit die meisten Nachrichten in den kostenpflichtigen premium-Bereich abgewandert sind schaue ich da nicht mehr rein.

    Frankfurter Rundschau hats erwischt, die Financial Times Deutschland ist diese Woche dran (Stichtag 7.12.) und die Probleme des Spiegel sind ja bekannt. Was denen nur nicht auffällt ist, dass ihnen das Leistungsschutzrecht nichts bringt, auch damit lässt sich ein veraltetes Geschäftsmodell nicht auf Dauer am Leben erhalten. FTD hat es selbst sauber diagnostizeirt dass es ihnen nicht gelungen ist ein tragfähiges internetbasiertes Geschäftsmodell auf die Beine zu stellen.

    Die Chance der wenigen die nach dem fälligen Konzentrationsprozess übrigbleiben liegt in sauber recherchierten Hintergrundberichten, also platt gesagt endlich mal wieder Qualitätsjournalismus liefern. Obs reicht wird sich zeigen.

Kommentare sind geschlossen.