Licht und Schatten

„…Bleibt nur hinzuzufügen, daß es das großartigste Bilderbuch — jawohl, Bilderbuch — von Hamburg ist, das uns in den letzten Jahren unter die Augen kam…“

Diese Kritik des Hamburger Echos zum 1953 erschienenen Buch „Hamburg in Licht und Schatten“ würde man in modernen Zeiten vielleicht so nicht mehr ganz stehenlassen, trotzdem kann es seine Anziehung auch über 50 Jahre nach Erscheinen noch voll entfalten. Die Bilder und die kurzen Texte leben von den kunstvoll gespannten Kontrasten, die jeweils zwischen den beiden Doppelseiten herrschen und führen uns in ein Hamburg, das nach dem Krieg wieder auferstanden ist und nach Leben giert. Dabei zeigt Rudolf Ohnesorge Details und Weiten, Kunst und Industrie, Schnörkel und gerade Linien.

Copyright: Rudolf Ohnesorge

Passend zur Jahreszeit möchte ich Euch aus dem Buch einen Blick auf die zugefrorene Alster zeigen. Leider war sie ja schon seit 12 Jahren nicht mehr so, daß man sie begehen könnte, damals war es aber wohl kein Problem. Das Kontrastbild dazu ein ein Alsterbild aus dem Sommer, mit Seglern und Ruderern.

Ich finde sehr schön, daß es bei Amazon nicht nur aktuelle Titel und Elektronikkram gibt, sondern mittlerweile auch einen großen Fundus an antiquarischen Titeln zu erstaunlich günstigen Preisen.

Hamburg in frühen Luftaufnahmen

Mal wieder bin ich zufällig auf ein Buch gestoßen, dieses Mal ist es Hamburg in frühen Luftaufnahmen, das sogar von einer Hamburger Behörde herausgegeben wurde. In knapp über 100 Luftaufnahmen sieht man die Entwicklung des Fuhlsbütteler Flughafens (ja, auch vom Knast gibt es eine Aufnahme), Schächte im U-Bahn – Bau, den Hafen, Pauli, St. Georg & die Altstadt und viele weitere Details. Leider ist die Gegend in der ich wohne auf zwei Bildern nur knapp nicht zu sehen. Ich hätte schon gerne mal gewußt, wie es hier vor dem Krieg aussah. Beim Photo auf dem Umschlag, bei dem die Mönckebergstraße und der Rathausmarkt zu sehen ist, frag ich mich ja, was es denn Besonderes im Rathaus gab, daß man in so langen Schlangen anstand. Freibier wird es ja nicht gewesen sein.

Wenn man das Buch mit ein wenig Ruhe durchschaut, dann ist es schon interessant zu sehen, wie sich die Stadt verändert hat und was heute eigentlich genau so ist wie vor 80 Jahren. Manche Bilder hätte ich mir größer und detailreicher gewünscht. Daran könnte man bei einer Neuauflage noch arbeiten.

Hamburg schwarz-weiß

Ich weiß nicht, ob es Euch genau so geht, aber Schwarzweißbilder üben auf mich eine besondere Faszination aus. Sie fühlen sich vertrauter an, als Farbbilder. Sie erinnern mich an Kindheit, obwohl meine Eltern schon farbig photographierten. Sie erzeugen in mir ein Gefühl von Heimweh, obwohl ich beispielsweise vor meiner Geburt natürlich nie in Hamburg war. Und so konnte ich natürlich nicht widerstehen, als ich gestern dieses Buch in einer Buchhandlung sah.

Michael Fackelmann zog als Jugendlicher und junger Erwachsener mit seiner M3 durch Hamburg und fing die Atmosphäre auf den Straßen ein. Das ist ihm so gut gelungen, daß es seine Bilder nun als Buch zu bestaunen gibt. Es sind Bilder aus dem Alltag; vom Fischmarkt, vom Stangeneislieferanten, von spielenden Kindern auf der Straße. Aber beispielsweise auch von Konzerten in der Musikhalle, im Stadtpark und in den unzähligen Clubs rund um die Reeperbahn.

Mir gefällt dieses Buch sehr. Die Photos sind mit einem guten Auge entstanden, sie zeigen Hamburg in den beginnenden sechziger Jahren so, daß man faktisch in die Bilder hineinspazieren kann.

Show Design

In der gleichen Reihe erschien auch das Buch Show Design. Darin geht es aber nicht um Shows an sich, sondern um Showrooms und Messestände. Zu den beiden anderen Büchern unterscheidet es sich zum einen in der Größe —  es ist ist mit A5+ nur halb so groß —, zum anderen auch in den Informationen zu den einzelnen Beiträgen, die es hier nämlich einfach nicht gibt. So hat zwar auch dieses Buch gute Photos, erscheint aber liebloser, schneller, billiger gemacht und hinterläßt nicht den selben positiven Eindruck wie die beiden großen Brüder. Nichtsdestotrotz kann man natürlich auch hier in den Ideen der führenden Agenturen schwelgen und vielleicht auch etwas für eigene zukünftige Projekte herausziehen.

Event Design

Vor rund einem Jahr stellte ich hier schon das Buch Stage Design vom daab – Verlag vor. Dieser Verlag hat einige Bücher rund um Veranstaltungsdesign in seinem Programm, so auch den Photoband Event Design.

Das Buch stellt zahlreiche Veranstaltungen in kurzen Worten und zahlreichen, sehr guten Bildern vor. Dabei geht es im Wesentlichen um sogenannte Industrieproduktionen. Es wird gezeigt, mit welchen Ideen in den letzten vier Jahren im Eventbereich gearbeitet wurde und auch, daß in den Agenturen gute Ideen noch nicht ausgehen. Auffällig ist aber auch, daß die hier vorgestellten Events alle deutlich nicht am unteren Ende des Etatbereichs angesiedelt sind. Das ist etwas schade, denn manchmal gibt es ja gerade Events mit kleinen Etats, die die tollen Ideen haben. Nichtsdestotrotz ist dieses Buch Pflichtlektüre für alle Veranstaltungsleute, die im Eventbereich zuhause sind.

Dokumentationen über Berlin

Bei meinem Bericht über die Ausstellung „So weit kein Auge reicht“ erwähnte ich, daß die dort zusammengestellten Photos im Rahmen eines anderen Projekts das Dunkel des Archivs erstmals verließen. Die Magistratsverwaltung im Osten Berlins beschäftigte Photographen zur Dokumentation des Zustands und des Aufbaus der Stadt. Diese Bilder, immerhin etwa 50.000, wurden nun vor drei Jahren durch die Berlinische Galerie, die heute Besitzerin des Archivs ist, erfaßt, ausgewertet und sollen auch langfristig öffentlich im Internet zugänglich gemacht werden. Eine Übersicht über dieses Archiv bietet das Buch Ost – Berlin und seine Bauten, das ich nach der besuchten Ausstellung kaufte.

Nicht nur Berliner, sondern alle an Architektur und Stadtentwicklung Interessierte werden hier fundiert, mit Hintergrundinformationen und vor allem mit vielen Photos in die Entwicklung Ost – Berlins eingeführt. Für mich selbst ist es aus heutiger Perspektive interessant zu sehen, wie rücksichtslos nach dem Krieg auch erhaltene Gebäude einem uniformierten, angeblich moderneren Bauen Platz machen mußten. Ehrlicherweise wurden solche Bausünden ja auch im Westen begangen.

Ebenfalls in diesem Buch zu sehen sind einige Entwürfe, Modelle und Alternativplanungen zu prominenten Plätzen wie dem Alexanderplatz, die so nie realisiert wurden. Da die Originale meist verschollen oder vernichtet sind, bieten die Photos die einmalige Chance, sich den Ideenreichtum neben dem industrialisierten Plattenbau vor Augen zu führen.

Schon in meinem Bericht erwähnte ich das Buch zur Ausstellung. Auch hier gibt es zahlreiche Hintergrundinformationen zur Zeit zwischen 1949 und 1952 im Osten Berlins und über die Entstehung der Bilder. Nicht nur die in der Galerie gezeigten Panoramen, auch weitere Bilder sind hier großformatig dargestellt. Teilweise können die Photos vierfach ausgeklappt werden, um auch große Panoramen gut darstellen zu können.

Hochinteressant bei der Durchsicht der Bilder finde ich, daß nur alte und keine jungen Menschen darauf zu sehen sind. Das macht mich tatsächlich nachdenklich. Sahen die Menschen in dieser Zeit unabhängig ihres Alters einfach alle alt aus ?  Waren tagsüber auf den Straßen nur die Alten und in den Büros nur die Jungen ?

Beide Bücher gefallen mir sehr und ich kann sie jedem, der sich für diese Thematik, oder überhaupt für Photographie interessiert, guten Gewissens empfehlen.

Naivität

Im Urlaub hat man ja viel Zeit. In einer Husumer Buchhandlung stolperte ich über das Buch von Rochus MischDer letzte Zeuge“ und so las ich das Tagebuch eines der Menschen, die bis ganz zuletzt im Führerbunker Adold Hitlers aushielten. Der Bericht ist erstaunlich sachlich, hält sich recht hart an Fakten, schildert aber auch den ganz banalen Alltag im Führerhauptquartier.

Durch Eichingers Film „Der Untergang“ kennt man die Schilderungen Traudl Junges der letzten Tage im Bunker. Ihr Buch „Bis zur letzten Stunde“ las ich direkt im Anschluß. Zum einen, weil ich eben den Film kannte, zum anderen, weil Rochus Misch dieses Buch in seinem ausdrücklich erwähnt und anhand der Bunkerbauzeichnung und anderer Fakten zeigt, daß Traudl Junges Bericht zumindest in Teilen nicht ganz der Wahrheit entsprechen kann.

Für mich auffällig ist an beiden Büchern erst einmal, daß beide Autoren nicht Mitglied der NSDAP waren. Ich war ganz selbstverständlich davon ausgegangen, daß dies eine Grundvoraussetzung dafür war, um sich so dicht an Hitler bewegen zu können. Für mich auch interessant ist, daß beide Autoren davon berichten, wie naiv und unkritisch sie die Diktatur Hitlers als junge Erwachsene beurteilten. Während Misch vielleicht auch durch seine Kindheit als Vollwaise stets darauf bedacht war, „keinen Ärger“ zu machen und gewissermaßen nur zufällig bis in die höchsten Kreise des Reichs schlitterte, bewarb sich Junge ganz bewußt in die Reichskanzlei.

Auch wenn beide Bücher die selbe Zeit, die selben Ereignisse beschreiben, so sind sie doch äußerst unterschiedlich. Junge schrieb ihre Erinnerungen 1947 als 27-jährige; das Mädchen, das gerade in der Anfangszeit aufgeregt plappernd schreibt, ist deutlich zu spüren. Misch brachte seine Erinnerungen erst in den vergangenen anderthalb Jahren zu Papier, weil er merkte, daß das Interesse an der Zeit zunimmt, die Zeugen aber naturgemäß abnehmen. Dabei ist erstaunlich, wie präzise seine Schilderungen immer noch sind.

Ich selbst kann von Art und Tonfall mit dem Buch „Der letzte Zeuge“ mehr anfangen, als mit „Bis zur letzten Stunde“. Vielleicht, weil es mir dann doch zu voyeuristisch vorkommt, wenn die verschiedenen Kleider Eva Brauns diskutiert werden. Nebenher eine Persönlichkeit, die beide Autoren schwer beeindruckte. Es ist interessant zu lesen, wie profan letztlich das Leben Hitlers war, wie sehr er seine enge Umgebung täuschen konnte, wie sehr die Umgebung getäuscht werden wollte und wie sehr er überschätzt wurde.

Fleisch ist mein Gemüse

Heinz Strunk: Fleisch ist mein Gemüse; Copyright: Rowohlt

Der Wahnsinn erinnerte mich an ein Buch, das ich vor einiger Zeit las und hier auch kurz erwähnte: Heinz StrunksFleisch ist mein Gemüse„. Wer schon immer einmal wissen wollte, welcher Wahnsinn hinter den Tanzbands steckt, der wird in diesem Buch vollends aufgeklärt. In sehr witziger, aber auch manchmal nachdenklicher Weise werden hier zwölf Jahre hartes Business reflektiert. Für Menschen aus dem Hamburger Raum vielleicht besonders amüsant, weil man manche Akteure des Buches anhand ihrer Eigenschaften durchaus lebenden Größen der Szene zuordnen kann. Aber auch alle Nichthamburger und alle Nichtmusikszeneangehörigen werden voll auf ihre Kosten kommen. Unbedingt lesen !

Eine deutsche Liebe

Arno Surminski: Polninken; Copyright: Ullstein - Verlag

Vor kurzem wurde mir dieses Buch empfohlen und interessanterweise paßt es sehr gut in die Stimmung der letzten Tage. Arno Surminskis „Polninken“ ist tatsächlich ein Liebesroman. Es erzählt über die Liebe zwischen einem West- und einer Ostdeutschen, viel mehr aber noch über die Liebe zur Heimat, zum Frieden und zur Versöhnung. Alles Zutaten, die daraus eine superkitschige Geschichte werden lassen könnten. Daß es das nicht wurde, sondern ein wunderschön geschriebenes Werk über die Masuren, über Polen und die Polen und über den Wert des Menschen ist die Leistung, die man Arno Surminski anerkennen muß. Das Buch eines Heimatvertriebenen, das sich so angenehm anders liest als das, was man so oft aus der Vertriebenenecke zu hören bekommt, ist ein Bekenntnis zum Humansimus.

Es spielt im Wesentlichen im Jahr 1980, die Mauer zwischen den beiden deutschen Staaten steht fester denn je, in Danzig beginnen die Streiks an der Lenin Werft mit späterer Gründung der Solidarność und auch in Westdeutschland ist man mit dem Radikalenerlaß nicht gerade entspannt. Und wir sehen, daß die Systeme vielleicht gerade die am meisten strafte, die an sie glaubten.

Mir hat das Buch wirklich gefallen. Vielleicht, weil ich die Masuren kennenlernen durfte, ich überhaupt schon die ehemaligen deutschen Gebiete im heutigen Polen bereiste (u.a. hier). Vielleicht, weil ich Begeisterung für Heimat nachvollziehen kann. Vielleicht, weil mich die jüngere deutsche Geschichte interessiert. Vielleicht, weil ich wie der Autor als erstes den Menschen sehe und nicht das System, in dem er lebt. Darum möchte ich Euch das Buch ans Herz legen und Euch eine gute Zeit damit wünschen.

Informationen zu Touren und anderen Einzelteilen

Buch 'Informationen zu Touren und anderen Einzelteilen' von Wir sind Helden; Copyright: Fischer - Verlag

Da das Wochenende von reichlich Bahnfahrten gesegnet war, brauchte ich natürlich auch Lektüre. Um mich mal ein wenig über die Konkurrenz zu informieren las ich „Informationen zu Touren und anderen Einzelteilen“ der Band „Wir sind Helden„. Auf dem Cover steht, daß es kein Fanbuch sei, aber das ist natürlich Quatsch. Wen sonst als einen Fan soll denn die Entstehensgeschichte und der Alltag einer Band interessieren. Aber das muß ja kein Nachteil sein; auch für den nur randmäßig begeisterten Fan ist es eine interessante Lektüre, weil es auch einiges über die Mechanismen der Branche verrät. Und eben darüber, daß Musikmachen nicht nur toll ist. Ein immer wieder gern übersehener Aspekt.

Ich habe mich jedenfalls bestens unterhalten gefühlt, habe alte Bekannte wiedergetroffen und aber auch Ereignisse vermißt. Und das war für mich das wirklich Interessante an dem Buch: die Passagen, die fehlten. Auch Helden müssen ja überleben.