Neger & Kanaken

In den letzten Wochen hatten die Verfechter der political correctness ja mal wieder Hochsaison. Nicht nur unsere Bundesfamilienministerin, auch andere sind der Meinung, daß man verschiedene Worte nicht mehr nutzen sollte und blasen zum Halali auf Neger, Zigeuner & Co. Kinderbücher werden umgeschrieben, Zeitungen ändern ihre Vorgaben.

Bringt uns das was ?

Im Leben nicht !

Veränderungen müssen in unseren Köpfen stattfinden, da sind die Worte völlig egal. Beispiel gefällig ?  Gern: wenn ich heute von einer „Gruppe Jugendlicher mit Migrationshintergrund“ spreche, dann rufe ich in der Regel bei meinem Gegenüber eine ähnliche Assoziation hervor, als hätte ich vor 20 Jahren von einer „Kanakenbande“ gesprochen. Ja, klar, die erste Variante klingt eleganter, aber ist sie ein echter Fortschritt ?  Glaubt jemand im Ernst, daß die Vorbehalte gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen abnehmen, bloß weil ich sie jetzt „Schwarze“ und nicht mehr „Neger“ nenne ?  Das wäre naiv. Wenn wir etwas ändern wollen, dann müssen wir unsere Positionen überdenken, müssen wir Fremdem eine Chance geben; welche Worte wir dann wählen, ist völlig egal, solange der Tonfall stimmt.

Dazu zwei kleine Geschichten: vor einiger Zeit war ich mit einer schwarzen Bekannten in einem Supermarkt. Ein paar Meter neben uns quengelte ein kleiner Junge vor dem Süßigkeitenregal, er wolle unbedingt Negerküsse. Jetzt und sofort. Die Mutter des Jungen sah meine Bekannte Suzanna und begann hektisch dem Sohn zu erklären, daß die Dinger nicht Negerküsse, sondern Schokoküsse hießen, was dem völlig egal war. Er schrie weiter nach Negerküssen. Suzanna reagierte ziemlich amüsiert und sagte zu dem Jungen, er habe völlig Recht; die Dinger hießen wirklich Negerküsse und wenn er etwas größer sei, würde er auch verstehen warum: nichts sei so süß, wie der Kuß einer schwarzen Frau. Spach’s, drückte dem verdutzten Jungen einen Kuß auf die Wange und grinste die perplexe Mutter an.

In den Niederlanden ist der Nikolaustag in etwa das, was in Deutschland der Heiligabend ist. Der Nikolaus bringt die großen Geschenke, nicht das Christkind. Als Helfer hat Sinterklaas, wie der Nikolaus dort genannt wird, den „Zwarte Piet“, also den schwarzen Peter. Das ist eine Figur, die in etwa so aussieht, wie der Sarottimohr, also ein Schwarzer in der Kleidung des 17. Jahrhunderts. Vor einigen Jahren gab es dann in den Niederlanden große Diskussionen: man könne den Helfer Sinterklaas‘ doch nicht als Neger darstellen, das sei diskriminierend. Vielmehr solle man die Figur schwarz, braun, rot, gelb, weiß gestreift schminken, um ihn als allgemeinen Vertreter der Menschheit zu zeigen, der Sinterklaas helfe. Die in den Niederlanden lebenden Schwarzen lehnten das vehement ab. Nicht umsonst seien es die Schwarzen, die Sinterklaas helften: alle anderen seien zu beschäftigt, hätten keine Zeit und in der Geschichte abgelehnt, jedes Jahr zuverlässig für Sinterklaas dazusein. Sie, die Schwarzen, seien gern die rechte Hand des Guten und würden sich diese Rolle nicht nehmen lassen wollen. Die Diskussion ebbte ab und der Zwarte Piet ist weiterhin schwarz.

„Kanake“ war übrigens vor hundert Jahren eine Auszeichnung. Der Begriff stammte aus der Seefahrt, war dort der Name für die äußerst zuverlässigen Seefahrer aus Polynesien und wurde auch an Land äußerst anerkennend für Menschen gebraucht, auf die man sich verlassen konnte.

Ich selbst bin der Meinung, daß gerade die Formulierungen der angeblich politisch Korrekten oft besonders diskriminierend sind, weil sie nicht mehr offen sagen, was sie meinen, sondern subtil formuliert alte Vorurteile nur noch mehr bestärken. Das ist in meinen Augen verlogen. Mir sind die Worte egal, die jemand nutzt, wenn er sie nur in einer Art und Weise nutzt, die dem Gegenüber gerecht wird. Und auch einem Zigeuner ist es herzlich egal, ob ich ihn jetzt Sinti oder Roma nenne, wenn ich ihm nicht den notwendigen Respekt als Mensch entgegenbringe.

Schreiben wir also nicht Kinderbücher um, sondern unsere Vorurteile. Das hilft den Menschen viel mehr.

Weihnachten

Weihnachten hat sich verändert, finde ich. Vielleicht bin nur ich es, der sich verändert hat, vielleicht aber hat sich auch das Fest an sich verändert. Ich erinnere mich, daß es in meiner alten Schule am letzten Schultag vor Weihnachten Tradition war, in der vierten Stunde die Türen aller Klassenräume zu öffnen und in der ersten Etage stand dann ein kleines Orchester mit Chor und die spielten Weihnachtslieder. Die ganze Schule, viele hundert Kinder und Jugendliche waren mucksmäuschenstill und lauschten den Klängen, die durch die Gänge waberten. Alle waren ergriffen. Und wenn ich heute daran denke, dann bin ich es immer noch. Ich bin halt ein sentimentaler Sack. Würde das heute noch klappen ?  Würden man heute noch eine vierzügige Schule von Klassen fünf bis zwölf so still bekommen, daß man eine einzelne singende Stimme im ganzen Gebäude hören könnte ?

Ich glaube, der emotionale Wert Weihnachtens war früher höher als heute; nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Und ich finde es schade, daß es so zu sein scheint.

Und so wünsche ich Euch ein ruhiges, schönes und, ja, auch ein besinnliches Weihnachtsfest. Ich wünsche Euch, daß sich gerade die immateriellen Wünsche erfüllen, daß Ihr mit Menschen zusammenseid, die Euch etwas bedeuten. Lest Euch gegenseitig die Weihnachtsgeschichte vor, hört Euch gegenseitig zu (nicht nur bei der Weihnachtsgeschichte) und habt ein schönes Fest.

Frohe Weihnachten

Wie der Vorwurf der Fehlinformation zur Fehlinformation wird

Die großen Tageszeitungen sind eine der Säulen unserer Demokratie, weil sie Mißstände aufklären und schonungsloser Wahrheit verpflichtet sind. In Internetangeboten anderer Anbieter hingegen kann man Berichten oft nicht trauen, weil da jeder reinschreiben kann und Informationen ungeprüft und tendenziös verbreitet werden. Die Tageszeitungen stehen für Qualitätsjournalismus.

Diese Meinung soll verfestigt werden und dafür tun die großen Tageszeitungsverlage alles. Auch ganz offensichtlich lügen.

Wie oft Falschmeldungen ungeprüft auch in angeblich seriösen Publikationen verbreitet werden, konnte man in den letzten Monaten ja immer wieder lesen. Wie tendenziöse Berichterstattung aussieht, kann man in diesen Tagen rund um die Artikel beobachten, die das sogenannte Leistungsschutzrecht betreffen. Da wird auch in den deutschen Leitmedien die Wahrheit verbogen, daß es ein wirklicher Skandal ist. Und diese Kampagne wird mittelfristig den Verlagen schaden, die sie betreiben, weil sie eben ihre eigene Reputation demolieren.

Worum geht es: die Verlage werfen Suchmaschinen wie Google vor, daß sie Geld mit den Inhalten der Verlage verdienen; sie möchten gern vom Kuchen, den die Suchmaschinen verdienen, ein dickes Stück abhaben. Wenn ein Internetnutzer heute eine Neuigkeit sucht, dann gibt er ja seine Stichworte bei einer Suchmaschine ein und die führt ihn dann zu den gesuchten Informationen. Weil die Suchergebnisseiten aber auch jede Menge Werbung enthalten, können die Unternehmen wie Google oder Yahoo recht gut davon leben. Die Verlage behaupten nun, daß Google & Co. gar nicht überleben könnten, gäbe es die Verlage nicht und deshalb müsse man die Verlage an den Gewinnen der Suchmaschinen beteiligen.

Nun.

Umgekehrt wird da eher ein Schuh draus.

Die Internetauftritte der großen Tageszeitungen hätten erheblich weniger Besucher (und damit Werbeeinnahmen), führten die Suchmaschinen die Leser nicht dorthin. Diesen Dienst erbringen die Suchmaschinen für die Verlage völlig kostenlos und es ist auch nicht im Gespräch, daß die Suchmaschinen für die Leserzuführung in Zukunft Gebühren erheben will. Im Übrigen liegt es in der Hand der Verlage, ob und wie sie in den Suchergebnissen gefunden werden. Über die HTML – Befehle .norobot und .nosnippet kann man das nämlich für jeden einzelnen Artikel steuern; die Suchmaschinen akzeptieren und beachten diese Befehle alle. Bei .norobot überspringen die Suchroboter die Seite komplett und führen sie nirgends auf. Bei .nosnippet wird in den Suchergebnissen zwar die Überschrift gezeigt, jedoch kein Textauszug aus dem Artikel. Wenn die Verlage also bei Google nicht auftauchen wollen, dann haben sie schon heute alle Möglichkeiten dazu.

Noch perfider wird es bei Diensten wie news.google.de. Google nimmt nämlich eine Zeitung erst dann in seine spezielle Zeitungssuchmaschine auf, wenn die Zeitung das ausdrücklich schriftlich beantragt hat. Möchte eine Zeitung dort nicht mehr gelistet werden, dann reicht eine kurze Kündigung und die Zeitung erscheint in der Nachrichtenzusammenstellung nicht mehr.

Von all dem ist in der Berichterstattung der Zeitungen zum Leistungsschutzrecht natürlich nichts zu lesen. Auch von einem sehr kritischen Bericht einiger Kommunikations- und Medienwissenschaftler findet man dort nichts. Ebensowenig von der Kritik des BDI am geplanten Gesetz. Da wird nur über die Suchmaschinen geholzt.

Für mich ist interessant, wie blind und verbohrt sie Diskussion bei den Verlagen betrieben wird. Denn all das, was hier in Deutschland zur Zeit passiert, hat es in anderen Ländern ja in den letzten Jahren schon gegeben. In den Ländern, in denen ein Leistungsschutzrecht eingeführt wurde, strich Google die kostenpflichtigen Nachrichten einfach aus den Suchergebnissen. Das führte dazu, daß es erhebliche Besuchereinbrüche bei den Zeitungen gab, sodaß sich deren Internetauftritte nicht mehr rechneten. Daraufhin einigten sich die Verlage mit den Suchmaschinen auf kostenlose Übernahme und alles war wieder wie zuvor. Wieso in Dreiteufelsnamen soll es also diese Entwicklung in Deutschland so auch geben ?

Die einzige Erklärung, die sich mir anbietet, ist ein Machtspiel: haben die Zeitungsverlage auch in Zeiten des Internets noch so viel Macht, daß sie ein eigenes, im Grunde völlig unsinniges Gesetzt durch den Bundestag bringen. Um diese Frage geht es heute Abend in Berlin. Und ich hoffe, daß sich die Verlage eine blutige Nase holen und das Gesetz nicht verabschiedet wird. Weil es ein auf Lügen und Wahrheitsverdrehung basierendes Gesetz wäre.

Haftungsbefreiung

An die Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg können wir uns alle wahrscheinlich noch gut erinnern und alle rechneten natürlich mit Konsequenzen, die der Gesetzgeber daraus zieht. Die erste Konsequenz sickert nun durch: die größte Katastrophe scheint zu sein, daß im Zuge der staatsanwaltlichen Ermittlungen auch Beamte wegen Fehlentscheidungen in den Fokus geraten sind. Das darf natürlich nicht mehr geschehen und so sollen die Landesbauordnungen dahingehend geändert werden, daß für Veranstaltungen in der Art, wie die Loveparade eine war, die Versammlungsstättenverordnung nicht mehr gilt und somit die Bauämter nicht mehr zuständig sind, sondern nur noch die Ordnungsämter. Verantwortungen sollen nun von den Behörden weg allein auf die Veranstalter übertragen werden, die dann im Grunde machen dürfen, was sie wollen — jedenfalls solange nichts passiert. Wenn was passiert, müssen sie natürlich letztlich doch die bisherigen Vorschriften eingehalten haben, aber kontrolliert hat das keiner und darum kann man den Behörden jedenfalls nichts mehr vorwerfen.

Das finde ich natürlich eine ganz tolle Lösung, die auch sicher im Sinne der allgemeinen Sicherheit ist.

Wenn das die erste (und vielleicht sogar einzige) Konsequenz ist, die der Gesetzgeber aus dem Loveparadeunglück zieht, dann fehlen mir ehrlicherweise die zitierfähigen Worte.

Zeitmaschine

In diesen Tagen arbeite ich beim Aufbau des RadioDay in Köln, heute war ich mit meiner Arbeit schon nachmittags fertig, also eine gute Gelegenheit, mal nach Köln Bayenthal zu fahren. Dort wohnte ich zweieinhalb Jahre während meiner Zeit an der HFAK. Beim Blick durchs Fenster in die Werkstatt fühlte ich mich auf einen Schlag 22,5 Jahre zurückversetzt: da sah es immer noch so aus, wie zur Zeit meiner Meisterprüfung. „Meinen“ Platz (der zweite von links, leicht durch die Maschine im Vordergrund verdeckt) gab es noch genau so, wie ich ihn in Erinnerung hatte und wenn es nicht so unglaublich unwahrscheinlich wäre würde ich behaupten, daß es den rechten Automaten (die rechte Maschine im Vordergrund) damals auch schon gab und ich mit ihm arbeitete, an ihm meine Meisterprüfung ablegte.

Ein paar Meter weiter am Rhein steht ein Büdchen, an dem wir früher in den Pausen unseren Kram kauften und darin als Verkäuferin eine hunzelige Oma, bei der ich fast glauben könnte, daß es dieselbe von damals sei …… aber das geht dann nun tatsächlich nicht, es muß eine andere Oma sein. Es war aber wirklich wie eine Zeitreise.

Danach lief ich dann mal ein wenig durch das Viertel, in dem ich früher wohnte und da hat sich dann doch schon einiges getan, ganze Häuserzeilen sind abgerissen und neu gebaut. Aber das Haus meiner Freunde gibt es noch und „meines“ auch.

Während ich am Rhein saß, dachte ich ein wenig über mein Leben nach. Von der Augenoptikerei bin ich weit entfernt; aber auch von vielen Träumen und Überzeugungen, die ich damals hatte. Manches davon ist gut, einiges aber auch sehr schade. Vielleicht ein guter Moment, mal ein paar Stellschrauben in meinem Leben zu drehen, damit wieder mehr Träume zurückkommen.

zurück

Nun bin ich wieder zuhause in Hamburg und es fühlt sich … befremdlich an, nicht mehr einfach aus dem Deckshaus aufs Achterdeck steigen, nicht mehr Wind und Wellen spüren und nicht mehr einige Menschen, die ich wirklich sehr mag, sehen zu können. Mangels vernünftigem Internets bloggte ich die letzten Wochen faktisch nicht. Mal sehen, was ich noch nachtrage. Bilder der Reise könnt Ihr, jeden Tag eines, in meinem Photoblog sehen.

Altersruhe

Letztes Wochenende wurde ein Freund von mir 50 Jahre alt. Ein Freund, den ich im Alltag locker für 35 durchgehen lassen würde. Und ein Freund, den ich wirklich sehr mag, auch wenn wir uns viel zu selten sehen. Das Motto seines Lebens sprayte er selbst auf ein Bettlaken: I don’t give a shit anymore. Recht hat er. Sail on.

10

Normalerweise ist ein runder Geburtstag Grund zu feiern. Ich möchte diesen Tag nutzen, um mich einmal mehr zu bedanken. Heute vor  zehn Jahren überlebte ich einen Unfall, den man nicht unbedingt überleben muß. In Berlin stürzte ich aus eigener Nachlässigkeit 16m tief auf harten Bühnenboden.

Danken möchte ich der großen Anzahl an Schutzengeln, die mich so auffingen, daß ich mir nur zahlreiche Knochen brach, nicht aber das Rückgrat und ohne innere Verletzungen davonkam. Dem Notarzt, der mich vor Ort super versorgte, obwohl ich ihm unter Schock stehend nachdrücklich klarzumachen versuchte, daß nichts weiter passiert sei und er wieder gehen könne. Prof. Dr. Breyer und dem gesamten Team im Gertrauden Krankenhaus, die mich in den nachfolgenden Wochen wieder so zusammenflickten, daß mir dieser Unfall heute nicht anzusehen ist und ich ohne Einschränkungen leben kann. Diese Leistung erzeugt in mir bis heute wirklich große Dankbarkeit und Respekt, zumal ich nicht nur medizinische und handwerkliche Höchstleistung erfahren durfte, sondern auch wirklich tolle Menschen kennenlernte. Danken möchte ich den Pysiotherapeutinnen, die mit mir monatelang bis zu sechs Mal in der Woche daran arbeiteten, daß ich den Rollstuhl verlassen, die Krücken wegschmeißen konnte und heute (fast) wieder so klettern kann, wie zuvor — und das „fast“ ist wahrscheinlich eher meinem Altersbauch geschuldet.

Bedanken möchte ich mich auch bei meinem privaten Umfeld, die mir alle sehr geholfen haben. Meiner damaligen Freundin Claudia, meinen Eltern und allen Freunden, Kollegen (und sogar Künstlern), die plötzlich neben meinem Krankenbett standen, teilweise dafür viele hundert Kilometer gefahren waren.

Danke.

Mein Geburtstag ist vielleicht auch eine gute Gelegenheit, Euch alle aus der Veranstaltungstechnik einmal mehr auf die LockIt – Aktion zu mehr Sicherheit beim Riggen der Verwaltungberufsgenossenschaft aufmerksam zu machen. Natürlich wollen wir alle cool sein, aber letztlich gilt immer noch: better safe than sorry.

Über Helfer und Nichthelfer

Liebe Personaldienstleister,
Liebe Konzertveranstalter,

unsere Branche ist aus ihrem Schattendasein der Nichtbeachtung durch die Behörden herausgerissen worden und plötzlich müssen auch wir uns an Gesetze halten, die für andere Branchen schon lange selbstverständlich waren. Dazu gehört auch der Bereich Scheinselbständigkeit/Arbeitnehmerüberlassung. Nun habt Ihr aus dieser Situation unterschiedliche Schlüsse gezogen. Die einen haben ihre bisherigen Stagehandcrews faktisch aufgelöst und arbeiten nur noch mit 400€ – Kräften, oder gar mit 1€ – Jobbern. Andere waren mutiger, stellten eine gute Stammcrew zu fairem Gehalt ein und wickeln nur Personalengpässe auf 400€ – Basis ab. Daß beide Lösungen sehr unterschiedliche Lohnnebenkosten verursachen, liegt auf der Hand.

In diesen Wochen war ich mit einer mittelgroßen (drei Trailer, lokaler Call: 16 Helfer, 1 Staplerfahrer, 2 Cateringhilfen, 2 Rigger) Produktion im Lande unterwegs, wir haben 40 Shows gespielt und am Ende dieser Tour möchte ich mich ganz herzlich bei den Handsfirmen und Veranstaltern bedanken, die sich für die teure Variante entschieden haben, oder aber zumindest ihre Helfer vernünftig schulen, bevor sie auf eine Produktion losgelassen werden. Danke, danke, danke. Im Umkehrschluß muß ich leider all‘ denjenigen sagen, die den billigen Weg gegangen sind: so wird es auf Dauer nicht gehen.

Von einem Helfer ist erwartbar, daß er weiß, wie ein Case aufgeht (und was ein Case überhaupt ist), daß er Kabel nicht über den Arm aufwickelt und daß er neben der Pyro stehend nicht rauchen sollte. Beispielsweise. Es reicht ausdrücklich nicht, ihn einfach mit Arbeitsschuhen und Helm auszurüsten und ihn dann mal loslaufen zu lassen. Klar, wir haben alle mal unwissend angefangen und auch ich habe vor vielen Jahren ganz sicher Dinge gemacht, die andere nur den Kopf haben schütteln lassen (und vielleicht ist das auch heute noch manchmal so). Allerdings hatten wir auf unserer Tour sehr häufig Neuligsquoten von über 50%. Das ist nicht nur gefährlich (weil die helferinterne Fehlerüberwachung nicht funktioniert und man als Tourcrew wirklich jeden Helfer einzeln beaufsichtigen muß), sondern führt auch dazu, daß letztlich deutlich mehr Arbeitszeit anfällt — was den augenscheinlichen finanziellen Vorteil der Billigcrews zumindest in Teilen wieder aufhebt.

Wir hatten beispielsweise direkt an zwei Tagen hintereinander einmal eine große, geräumige Arena, mit einfachsten Rigging- und Ladebedingungen, aber abenteuerlicher Helfercrew und zum anderen ein enges Kongreßzentrum mit bescheidenem Ladeweg, aber guter örtlicher Crew. Eigentlich hätten wir vom Venue her in der Arena schneller sein müssen, tatsächlich waren wir aber unter erschwerten Bedingungen mit der guten Crew beim Abbau um 45 Minuten schneller. Zudem ging in der Arena Material kaputt, im Kongreßzentrum nicht. Wenn man mal diese Kosten gegeneinanderrechnet, dann können die Billighands gar nicht mehr so viel billiger sein, als die gute, professionelle Alternative.

Klar, auch früher gab es mal schlechte Helfer auf einer Tour über die man sich ärgerte, aber der Anteil der Katastrophencrews hat im letzten Jahr rapide zugenommen; heute ist man manchmal schon froh, wenn man mal im Ausland ist. Fast bin ich geneigt zu sagen, daß die Qualität der Helfer in vielen deutschen Städten auf Südosteuropaniveau abgefallen ist.

Ich appelliere also an alle Personaldienstleister und Konzertveranstalter, ihr Helferkonzept zu überdenken. Auch im eigenen Interesse. Denn die Konsequenz aus der derzeitigen Situation ist für mich, daß ich zukünftig 20 statt 16 Helfer bestellen muß, um die gröbsten Knaller direkt auszusortieren und die dann die Halle fegen oder sonstwas machen zu lassen, wo sie einen nicht nerven und keinen Schaden anrichten können. Das wiederum würde die örtlichen Verantwortlichen bestrafen, die heute schon eine gute und professionelle Lösung gewählt haben. Was schade wäre.

Mir ist klar, daß ich letztlich nur ein kleines Licht im Touringbetrieb bin. Trotzdem wäre ich froh, wenn ich den Anstoß zu einer Verbesserung in unserem Business geben könnte, denn die derzeitige Situation nervt doch sehr.

Herzlichen Gruß

Markus Sorger

Beißreflex

Da schreibt also ein alter Mann einen kritischen Text zur israelischen Politik und schon heult alles auf, schreit „israelfeindlich“ und „antisemitisch“ gar (wobei vom jüdischen Glauben in dem Text nicht ein Wort steht und man durchaus differenzieren sollte zwischen dem Staat und dem Glauben). Dabei scheinen die meisten Kritiker des Textes ihn gar nicht bis zum Ende gelesen zu haben.

.….. und
gleichfalls darauf bestehen,
daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle
des israelischen atomaren Potentials
und der iranischen Atomanlagen
durch eine internationale Instanz
von den Regierungen beider Länder zugelassen wird.

Nur so ist allen, den Israelis und Palästinensern,
mehr noch, allen Menschen, die in dieser
vom Wahn okkupierten Region
dicht bei dicht verfeindet leben
und letztlich auch uns zu helfen.

Auch das schreibt also Grass und wenn man ehrlich ist, dann kann man dem nicht widersprechen.

Im Gegensatz zu Grass sehe ich tatsächlich Israel nicht als alleinigen Agressor in der Region. Aber besonders geschickt, das muß man zugeben, verhält sich die israelische Politik auch nicht immer. Auf der anderen Seite ist bei den Feinden Israels natürlich auch nicht gerade Verhandlungsbereitschaft oder Friedensliebe zu erkennen. Um zu überleben muß Israel also immer versuchen, der stärkste Staat der Region zu sein; anderenfalls würde er überrannt. Trotzdem kann man sich natürlich fragen, ob die Siedlungspolitik hilfreich ist — und eben, ob man Israel U-Boote verkaufen muß, die atomwaffenfähig sind.

Festzuhalten bleibt sicher, daß der Einsatz von Atomwaffen, egal von welcher Seite, die Welt in einen üblen Strudel ziehen würde.

Die Diskussion über den Text zeigt mir persönlich, daß Berichterstattung in unserer Zeit in erster Linie auf den Skandal aus ist und nicht auf eine ruhige, sachliche Diskussion um ein durchaus diskutierenswürdiges Thema. Eine verpaßte Chance.