Lynchmob

Manchmal ist es aus aktuellem Anlaß schon schade, daß man einen Song nicht mal eben ins Internet stellen kann (ich möchte an dieser Stelle keine Diskussion zu diesem Fakt lostreten, den ich voll akzeptiere). Dürfte ich es, würde ich jetzt Barry Adamsons „A gentle man of colour“ von 1992 hörbar machen, den ich aber nirgendwo in Netz finde, nur als kurzen Reinhörschnipsel.

Adamson hat in einer Art musikuntermaltem Hörspiel eine fiktive Reportage über einen Mob kreiert, der einen jungen, 22 jährigen Mann, dem man Mord vorwarf, allerdings aber unschuldig war, an einem Baum aufknüpft und ihn bei lebendigem Leib verbrennt. Soweit ist es in Emden ja dieser Tage auch fast gekommen.

Man mag über das unsensible Vorgehen der Polizei denken wie man will, aber die Verantwortung eines jeden Einzelnen, der sich an den unfaßbaren Hetzaktionen beteiligt hat, kann man dadurch nicht wegdiskutieren. Man mag über die sensationsheischenden Berichte der Volksverdummungsmedien denken wie man will, aber die Verantwortung eines jeden verdammten Einzelnen, der sich an den unsäglichen Hetzaktionen beteiligt hat, kann man dadurch nicht vergessen.

Einen Menschen offen im Mob mit dem Tod und mit Folter zu bedrohen, ist eines Rechtstaats nicht würdig. Einen Siebzehnjährigen, einen Sieb-zehn-jährigen, egal was man ihm auch vorwirft, so unfaßbar zu bedrohen, ist eines angeblich zivilisierten, nordwesteuropäischen Staates nicht würdig. Ich hoffe sehr, daß die zuständigen Behörden nach ihrem grandiosen Flopp jetzt wenigstens die Eier haben, die Rädelsführer und Mitläufer solcher Aktionen an ebendiesen Eiern zu packen und rechtskräftig zu verurteilen. Und ich hoffe auch, daß die Medien, die sich an dieser Jagt maßgeblich beteiligt haben, zu empfindlichen Strafen verurteilt werden, die nicht mal eben aus der Portokasse zu bezahlen sind, sondern an die Substanz gehen. Anders lernen sie es nämlich nicht.

Aber, um es mit John Lennon zu sagen: You may say, I’m a dreamer.

entdeckt

Unsere Branche ist im Wandel. In den vergangenen Jahren wurden immer weitere Teile gesetzlich neu geregelt …… oder es wurden Gesetze auf unsere „Welt“ angewandt, die eigentlich für ganz andere „Baustellen“ gedacht waren. Seit einiger Zeit nun müssen wir ganz regelmäßig Kontrollen des Zolls erleben, allein wir in den vergangenen Tagen zwei Mal !  Leistungsempfänger, Arbeitnehmerüberlassung, Scheinselbständigkeit und nun auch §34a bei Ordnern. Wir scheinen also in den Fokus der Behörden geraten zu sein.

Mir ist natürlich klar, daß sich alle an geltendes Recht halten müssen. Auf der anderen Seite glaube ich aber auch, daß Recht sich am realen Leben orientieren muß. Wenn man ehrlich ist, dann birgt unsere Arbeit ja noch ein paar andere Angriffsflächen, um Touring komplett lahmzulegen. Allein die aktuellen Umstellungen bezüglich Arbeitnehmerüberlassung bedeuten Mehrkosten von etwa 40% bei Helfern, wenn ich den Informationen eines großen Konzertveranstalters glauben darf — oder eben dementsprechend weniger Verdienst der Hands. Schon jetzt erleben wir unterwegs, daß sich die Helferstruktur verschiebt; leider nicht in Richtung besserer Qualität.

Wir leben meiner Meinung nach in einer überregulierten Welt. Der Staat darf und vor allem er kann auch gar nicht für alles Verantwortung übernehmen, selbst wenn er es uns vorgaukelt. Das gilt nicht nur bei „uns“, sondern ganz allgemein.

Mich kotzt es an !

Da haben wir also nun einen Präsidentschaftskandidaten, der vor wenigen Tagen noch die Zustimmung von weit mehr als der Hälfte der Bevölkerung hatte, den sich weite Teile herbeigesehnt haben und nun, der Gute ist noch nichtmal im Amt, beginnt die große Demontage. Was mich wirklich ankotzt an dieser, unsrer Gesellschaft ist die Tatsache, daß man nichts einfach mal stehenlassen kann, daß immer herumgemäkelt, kritisiert, niedergemacht werden muß. Es ist wirklich widerlich. Und es ist sich auch niemand zu schade dazu, Zitate so zu kürzen, daß sie plötzlich genau das Gegenteil dessen wiedergeben, was sie vorher eigentlich aussagten. Diese falsch wiedergegebenen Zitate werden dann dem, der sie so nie gesagt hat um die Ohren gehauen, prägen sich ein in der kollektiven Erinnerung.

So. ein. Blödsinn.

Und das Schlimme ist der Pöbel, der sich anonym in den Foren ausseiert; zu feige, den eigenen Namen zu nennen, aber den anderer hemmungslos beschmutzend.

Mann, laßt doch den Gauck erstmal kommen, hört doch mal in Ruhe zu. Und „in Ruhe“ meint: auch jenseits von 140 Zeichen einer gottverdammten Twitternachricht. Inhalte brauchen Platz und brauchen auch mal mehr Aufmerksamkeit als es die Klickfrequenz eines nervösen Zeigefingers an der Maus zuläßt.

Das Schlimme ist, daß es nicht nur Wulff oder Gauck trifft, sondern daß sich dieses Gehabe durch unser komplettes Leben zieht. Menschen lästerten schon immer übereinander, klar, aber die Möglichkeiten moderner Technik machen daraus ein weltumspannendes Netz, das uns letztlich alle angreift. Bitte, laßt uns mal innehalten, durchatmen und dann den Fokus auf die angenehmen Seiten lenken und nicht immer nur auf das Genöhle.

stiller Geburtstag

Heute hat mein Blog seinen sechsten Geburtstag und den begeht es recht still. Im letzten Jahr schrieb ich etwa nur die Hälfte der Anzahl der Artikel des Jahres zuvor und auch in den letzten Tagen war ich ja nicht wirklich fleißig hier. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen gibt es eine Menge Arbeit und wenig Muße zum Bloggen, dann gibt es einige Dinge um mich herum, die ich gar nicht öffentlich verbloggen möchte und dann gibt es Kunden, die es ausdrücklich nicht wünschen, daß ich über deren Veranstaltungen schreibe. Dies alles zusammengenommen führt dazu, daß sich hier zur Zeit wenig tut. Das finde ich selbst auch schade, kann da aber nicht so richtig was dran ändern.

Damit Euch nicht langweilig wird könnt Ihr ja vielleicht zwischendurch mein Photoblog besuchen. Da gibt es jeden Tag ein neues Bild. Und wenn sich die Jahresplanung bewahrheitet, dann wird es hier am Mitte/Ende Mai auch wieder lebendiger. Bis dahin gibt es halt nur sporadische Meldungen.

Über SOLAS, AIS und alte Routenplanerkarten

Copyright: MarineTraffic.com/Google

Der ein oder andere aus meinem Bekanntenkreis weiß, daß ich mal zur See gefahren bin und so bekomme ich in diesen Tagen eine Menge Mails mit Fragen zum Unglück in Italien. Weil ich gerade beruflich eine Menge zu tun habe, möchte ich die Antworten hier mal zusammenfassen.

Jeder hat schonmal vom Untergang der Titanic gehört. Dieses Unglück eines Schiffes, das als absolut modern und sicher galt, war für die damalige Zeit so gravierend, daß es im Nachgang eine ganze Reihe von Tagungen gab, die sogenannten Titanic – Konferenzen, bei denen diskutiert wurde, was denn eigentlich alles schiefgelaufen war und wie man solche Pannen in Zukunft vermeiden könne. Der uns heute allen bekannte Notruf SOS (save our souls) ist zum Beispiel ein Ergebnis dieser Titanic – Konferenzen; davor gab es keinen einheitlichen Notruf. Die Titanic beispielsweise funkte damals nie SOS, sondern CQD (come quick, danger), einen Ruf, den es seitdem nicht mehr gibt. Am Ende der Konferenzen stand ein internationaler Sicherheitsvertrag für die Schifffahrt, SOLAS (safety of life at sea), der im Grunde bis heute gilt — wenngleich natürlich in regelmäßig überarbeiteter Form. In SOLAS und den Ergänzungsprotokollen ist sehr genau festgelegt, wie ein Schiff sicherheitstechnisch gebaut und ausgerüstet werden muß und wie Schulungen auszusehen haben, die das Schiffspersonal zu durchlaufen hat. Schiffe und Besatzungen, die diesen Vorschriften nicht entsprechen, können (und werden in westlichen Ländern) so lange stillgelegt, bis die Mängel abgestellt sind.

Das sogenannte Basic Safety Training muß faktisch jeder, der auf einem Schiff arbeitet, auch und gerade Servicekräfte, durchlaufen haben. In diesem 80stündigen Training lernt man grundlegende Kenntnisse unter anderem über Sicherheitsvorschriften, Brandbekämpfung und Evakuierung. Darüber hinaus muß jedes Crewmitglied ausführlich in die Situation des jeweiligen Schiffes eingewiesen worden sein.

So weit die Theorie.

Wenn ich mir Videos aus dem Schiff anschaue, dann … nun … scheint das ein oder andere Crewmitglied die Inhalte seiner Schulung vergessen zu haben. Um das mal freundlich zu formulieren. Daß das in dieser Form auf einem westlichen Schiff passiert, finde ich … interessant. Ich hoffe für alle Beteiligten, daß sich im Nachgang des Unglücks nicht herausstellen wird, daß die Servicekräfte zwar die Papiere haben, aber nie den Kurs besucht. Das fände ich fatal.

Die Reederei behauptet aktuell, die vom Kapitän gewählte Route „innen“ an der Insel vorbei widerspräche den internen Vorschriften und in der Verwaltung habe niemand davon Kenntnis gehabt, daß die Schiffe der Reederei diese Route regelmäßig fahren. Auch diese Behauptung finde ich … interessant. Dank AIS (automatic identification system) kann heute jeder Laie im Internet nachschauen (zum Beispiel hier), wo jedes X-beliebige seetaugliche Schiff der Welt gerade herumdümpelt und man kann sich auch Fahrrouten anzeigen lassen; die letzten Daten der Costa Concordia im AIS – System seht Ihr auf dem Bild am Anfang des Artikels, das man auch größer klicken kann. Darüber hinaus hat jede Reederei heute ein sehr genaues Controling, bei der natürlich ausgewertet wird, wie und wo ein Schiff fährt. Sollte dies bei Costa nicht der Fall sein, dann wäre das … ungewöhnlich.

Zu guter Letzt ist der Kapitän der Meinung, der gerammte Felsen habe nicht in seiner Seekarte gestanden. Sowas ähnliches kennen wir alle ja auch. Da haben wir die Route von Hamburg nach Amsterdam in unseren Routenplaner eingegeben, den wir 2007 ganz stolz erstanden hatten und dann lotst er uns einen gigantischen Umweg, weil das Gerät das neue Autobahnteilstück noch nicht kannte; blöderweise sind ja die Kartenupdates immer so teuer und darum haben wir nie eines gekauft. Was beim Autofahren im Zweifelsfall lästig ist, ist in der Schifffahrt stumpf verboten. Ich muß neben der Software immer noch papierne Karten mit dabei haben und vor allem muß ich mein Kartenmaterial ganz regelmäßig bei dazu befähigten und zugelassenen Betrieben auf den neuesten Stand bringen lassen. Wenn ich dazu befragten Kapitänen glauben darf, dann ist der Felsen auf aktuellen Korrekturen durchaus eingezeichnet.

Von vielen Passagieren wird bemängelt, daß die Crew eine Stunde lang immer nur von einem technischen Defekt geredet habe und nicht davon, daß das Schiff volllaufe. Das wiederum kann ich zumindest ansatzweise verstehen. Der Kapitän hatte befohlen, nach dem Unfall zu drehen und im nahen Hafen einzulaufen. Er war sich sicher, daß man das schaffen würde und wollte so Panik unter den Passagieren vermeiden. Leider ging sein Plan um wenige hundert Meter nicht auf und so fehlte die Zeit dann für eine geordnete Evakuierung. Drehen wir die Situation mal um; nehmen wir mal an, das Schiff hätte es geschafft, im Hafen einzulaufen und alle Passagiere hätten gemütlich von Bord gehen können. Hätte der Kapitän dann direkt nach dem Unfall verlauten lassen, daß das Schiff leckgeschlagen sei und Wasser mache, wären mit Sicherheit auch Passagiere in Panik von Bord gesprungen und dann vielleicht ums Leben gekommen. Dann hätte man ihm vorgeworfen, wegen fehlerhaftem Umgang mit der Situation Panik nicht verhindert zu haben. Es war also ein schwierige Entscheidung, bei der er nur verlieren konnte.

Auf der anderen Seite ist es seerechtlich tatsächlich schwierig, wenn ein Kapitän bei einem Unglück faktisch als erster von Bord geht, die Rettungsmaßnahmen nicht leitet und auch trotz mehrfacher Aufforderung der Rettungskräfte nicht auf sein Schiff zurückkehrt.

Viele Detailfragen die mir gestellt wurden kann ich nicht beantworten, weil ich einfach nicht vor Ort dabei war; da möge man mir dann verzeihen, daß ich mich dazu nicht äußern kann.

Weise Erkenntnis

Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.

Benjamin Franklin

Der Mann wußte noch nichts von Vorratsdatenspeicherung und ähnlichem Schwachsinn sogenannter Sicherheitspolitiker. Aber er hatte und hat zweifelsohne Recht. Ich bin eben über dieses Zitat gestolpert und mußte es einfach hier auch wiedergeben.

Rock ’n‘ Roll will die, Part 1

Seit Anfang des Jahres gibt es Amptown – Verleih nicht mehr. Sirius hatte den Betrieb ja schon vor einiger Zeit gekauft, nun wurde er auch dem Namen nach einverleibt. Schade eigentlich, daß im Laufe der Jahre das einstige Amptown – Imperium in Hamburg wieder zerfällt; auch der Laden wurde ja schon vor einigen Jahren von Just Music übernommen. Mit dem Verleih geht nach fast 40jähriger Geschichte nun einer der ältesten Veranstaltungstechnikfirmen unter, die mal sogar ein komplett eigenes, damals richtungsweisendes Beschallungssystem (Amptown Concert System) hatten.

Teufels Werk und Gregorians Beitrag

Wie schon bei unserem letzten Aufenthalt in Kroatien, so hat es auch am Sonntag wieder eine bischöfliche Predigt gegen unsere kleine Tour gegeben. Wir würden Satan verehren und deshalb könne und dürfe der aufrechte kroatische Christ unsere Show nicht besuchen. Eigentlich ganz schön viel Ehre, daß eine Show, eine ganz normale (fast hätte ich geschrieben: gottverdammte) Show nun zum zweiten Male bischöfliche Aufmerksamkeit auf sich zieht. Letztlich mache ich mir aber keine großen Sorgen darum, denn beim letzten Mal sorgte diese Mahnung für einen rasanten, vierstelligen Ansturm auf unsere Abendkasse. Allerdings halte ich diesen Ausfall für symptomatisch bei der Institution Kirche.

Letztlich, das muß man sich in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen, geht es doch um Glauben. Es geht nicht um Wissen, um absolute Gewißheit, sondern nur um Glauben. Aber wie so oft verteidigt man das mit allen Mitteln, an das man nur glauben kann, es aber nicht mit Gewißheit weiß. Dabei propagiert die Bibel (wie alle abrahamitischen Glaubenslehren) auch die Toleranz. Aber eben mit der Toleranz hapert es dann oft sehr. Leider eben auch bei Teilen aller abrahamitischen Religionen. Juden, Christen und Muslime verehren den selben alten, weisen, weißbärtigen Mann als Gott, teilen sich weite Teile der Schriften (Thora, Altes Testament, Koran) und metzeln sich doch gegenseitig nieder. Das sogar ja innerhalb der Glaubensrichtungen (Christen gegen Christen, Musilime gegen Muslime), bloß weil man sich in Details uneinig ist. Ganz schön dumm eigentlich.

Zurück also zu Satan in uns: ja, ich hatte bei den Vorbereitungen zur „The dark side of the chant“ – Tour tatsächlich mal vorgeschlagen, Kreuze verkehrt herum aufzustellen, mit Brandgel einzuschmieren und anzuzünden (eine Idee übrigens, die dann vom Produzenten verworfen wurde), allerdings sehe ich in mir sehr deutlich keinen Satanisten und ich bin weit entfernt von Faust’schen Verträgen. Es geht … um Spaß, um ein Augenzwinkern, um Show eben. Gerade das sollte ein Vertreter der katholischen Kirche, die doch so viel mehr als die Lutheraner auch auf Showelemente setzt, verstehen können.

In diesem Sinne: Allahu Akbar