Liebe Personaldienstleister,
Liebe Konzertveranstalter,
unsere Branche ist aus ihrem Schattendasein der Nichtbeachtung durch die Behörden herausgerissen worden und plötzlich müssen auch wir uns an Gesetze halten, die für andere Branchen schon lange selbstverständlich waren. Dazu gehört auch der Bereich Scheinselbständigkeit/Arbeitnehmerüberlassung. Nun habt Ihr aus dieser Situation unterschiedliche Schlüsse gezogen. Die einen haben ihre bisherigen Stagehandcrews faktisch aufgelöst und arbeiten nur noch mit 400€ – Kräften, oder gar mit 1€ – Jobbern. Andere waren mutiger, stellten eine gute Stammcrew zu fairem Gehalt ein und wickeln nur Personalengpässe auf 400€ – Basis ab. Daß beide Lösungen sehr unterschiedliche Lohnnebenkosten verursachen, liegt auf der Hand.
In diesen Wochen war ich mit einer mittelgroßen (drei Trailer, lokaler Call: 16 Helfer, 1 Staplerfahrer, 2 Cateringhilfen, 2 Rigger) Produktion im Lande unterwegs, wir haben 40 Shows gespielt und am Ende dieser Tour möchte ich mich ganz herzlich bei den Handsfirmen und Veranstaltern bedanken, die sich für die teure Variante entschieden haben, oder aber zumindest ihre Helfer vernünftig schulen, bevor sie auf eine Produktion losgelassen werden. Danke, danke, danke. Im Umkehrschluß muß ich leider all‘ denjenigen sagen, die den billigen Weg gegangen sind: so wird es auf Dauer nicht gehen.
Von einem Helfer ist erwartbar, daß er weiß, wie ein Case aufgeht (und was ein Case überhaupt ist), daß er Kabel nicht über den Arm aufwickelt und daß er neben der Pyro stehend nicht rauchen sollte. Beispielsweise. Es reicht ausdrücklich nicht, ihn einfach mit Arbeitsschuhen und Helm auszurüsten und ihn dann mal loslaufen zu lassen. Klar, wir haben alle mal unwissend angefangen und auch ich habe vor vielen Jahren ganz sicher Dinge gemacht, die andere nur den Kopf haben schütteln lassen (und vielleicht ist das auch heute noch manchmal so). Allerdings hatten wir auf unserer Tour sehr häufig Neuligsquoten von über 50%. Das ist nicht nur gefährlich (weil die helferinterne Fehlerüberwachung nicht funktioniert und man als Tourcrew wirklich jeden Helfer einzeln beaufsichtigen muß), sondern führt auch dazu, daß letztlich deutlich mehr Arbeitszeit anfällt — was den augenscheinlichen finanziellen Vorteil der Billigcrews zumindest in Teilen wieder aufhebt.
Wir hatten beispielsweise direkt an zwei Tagen hintereinander einmal eine große, geräumige Arena, mit einfachsten Rigging- und Ladebedingungen, aber abenteuerlicher Helfercrew und zum anderen ein enges Kongreßzentrum mit bescheidenem Ladeweg, aber guter örtlicher Crew. Eigentlich hätten wir vom Venue her in der Arena schneller sein müssen, tatsächlich waren wir aber unter erschwerten Bedingungen mit der guten Crew beim Abbau um 45 Minuten schneller. Zudem ging in der Arena Material kaputt, im Kongreßzentrum nicht. Wenn man mal diese Kosten gegeneinanderrechnet, dann können die Billighands gar nicht mehr so viel billiger sein, als die gute, professionelle Alternative.
Klar, auch früher gab es mal schlechte Helfer auf einer Tour über die man sich ärgerte, aber der Anteil der Katastrophencrews hat im letzten Jahr rapide zugenommen; heute ist man manchmal schon froh, wenn man mal im Ausland ist. Fast bin ich geneigt zu sagen, daß die Qualität der Helfer in vielen deutschen Städten auf Südosteuropaniveau abgefallen ist.
Ich appelliere also an alle Personaldienstleister und Konzertveranstalter, ihr Helferkonzept zu überdenken. Auch im eigenen Interesse. Denn die Konsequenz aus der derzeitigen Situation ist für mich, daß ich zukünftig 20 statt 16 Helfer bestellen muß, um die gröbsten Knaller direkt auszusortieren und die dann die Halle fegen oder sonstwas machen zu lassen, wo sie einen nicht nerven und keinen Schaden anrichten können. Das wiederum würde die örtlichen Verantwortlichen bestrafen, die heute schon eine gute und professionelle Lösung gewählt haben. Was schade wäre.
Mir ist klar, daß ich letztlich nur ein kleines Licht im Touringbetrieb bin. Trotzdem wäre ich froh, wenn ich den Anstoß zu einer Verbesserung in unserem Business geben könnte, denn die derzeitige Situation nervt doch sehr.
Herzlichen Gruß
Markus Sorger