Finnische Freundlichkeit

Nach unserer Reise raus aus Rußland landeten wir in Helsinki und normalerweise würde man dort ankommen und wahrscheinlich ganz andere Dinge registrieren, würde vielleicht über die leichte Melancholie der Finnen philosophieren; wir aber bemerkten die Freundlichkeit im Gegensatz zu Rußland. Schon bei der Paßkontrolle (in Rußland gab es in den Gesichtern überhaupt keine Regung, geschweige denn ein Guten Tag) wurde man freundlich begrüßt, im Flughafen lächelndes Bodenpersonal, der Busfahrer half einem beim Gepäck, die Stadt sieht beim Durchfahren viel gepflegter aus. Es ist unglaublich, wie verbunden man sich plötzlich dem europäischen Gedanken fühlt, wenn man aus Rußland kommt. Da mag man sogar auf die russischen Beine verzichten.

In der Halle ist plötzlich viel mehr Platz auf der Bühne: es gibt nur noch Techniker und keine zehn Securities, die ständig im Weg stehen. Für uns ist es in Helsinki der letzte Termin mit örtlicher Technik, danach sind wir mit eigener Produktion unterwegs. Es klappt auch alles, das Material ist wie gewünscht, nur bei der Abrechnung stelle ich fest, daß der Videobeamer doch sehr teuer ist (1,500,00€ für ein 15.000 Lumen – Modell incl. Optik). Lustig ist, daß das Brandgel für die Feuerschalen ausgerechnet aus Hamburg kommt (liebe Grüße an die Kollegen von TBF). Ansonsten gibt es aus der Finlandia Hal gar nichts zu berichten — vielleicht auch, weil ich zu müde bin, Details zu registrieren. Nach der Show wieder schnell ins Hotel, weil am nächsten Morgen der letzte Flug ansteht.

Feuer !

Beim gestrigen Konzert im Aegi in Hannover gab es zwischendurch ein wenig Unruhe: mitten im Konzert gab es einen Feueralarm. Auf den Seitenbühnen blinken große, rote Lampen (siehe rechts unten auf dem Photo), im Foyer und in allen Garderoben gibt es eine Durchsage in einer Lautstärke, daß auch hörgerättragende Moorleichen noch aufschrecken würden und die beiden vorher leicht schläfrigen Brandwachen der Feuerwehr werden plötzlich sehr lebhaft und versuchen durch hektisches Suchen in den Laufkarten herauszufinden, in welchem Bereich der Alarm denn ausgelöst wurde. Keine drei Minuten nach Alarmbeginn stehen auch schon zwei komplette Löschzüge vor der Türe. Soweit also alles erst mal vorbildlich.

Derweil geht die Show auf der Bühne ungestört weiter. Ticky läßt sich von den blinkenden Lampen nicht irritieren und preist weiterhin die Fußmatten aus dem Merchandise – Angebot an („If you’re a real fan you buy a whole box and carpet your house.“). Mittlerweile stellt sich heraus, es ist ein Fehlalarm. Die Anlage wird abgeschaltet, noch bevor die automatische Evakuierung des Saals erfolgt, die reichlich zwei Dutzend Feuerwehrleute aus den beiden Zügen ziehen wieder ab und auch der zwischenzeitlich in Bereitschaft stehende dritte Zug wird entwarnt. Auch hinter der Bühne kehrt wieder Ruhe ein. Soweit also alles erst mal vorbildlich.

Das Aegi hat eine neue Brandmeldeanlage, erst wenige Wochen alt und die installierende Firma Siemens hatte eigentlich schriftlich versichert, daß die Rauchmelder einer neuen, intelligenten Generation angehören und Bühnennebel von Feuerrauch unterscheiden können. In Bühnennähe traute man der Aussage seitens des Hauses schon nicht, man hatte dort ein paar Kreise ganz klassisch deaktiviert. Daß aber die Linie oben im Rang Alarm gibt … nun … das spricht für die Reichweite unseres MDG – Hazers und eindeutig gegen die angepriesene Intelligenz der Sensoren. So wird Siemens jetzt eine Rechnung von der Feuerwehr bekommen. Knapp 2.000,00€ wird der Spaß wohl kosten, sagte mir gestern der Einsatzleiter. Na, dann mal beim Öffnen der Rechnung Ruhe bewahren und weiterspielen.

Erstklassig

Unsere beiden Köche unterhalten sich mit der örtlichen Cateringhilfe in Stade über den lokalen Fußballverein und Sven fragt, ob Stade in der dritten oder vierten Liga spiele. Ein entrüstetes „Nein, natürlich in der ersten Liga !“ ist die Antwort. Fragende Blicke. Ein Grinsen huscht über das Gesicht der Assistentin. „In der ersten Kreisliga. Aber immerhin in der ersten.“

Versehrtentransport

Also solchen könnte man derzeit unsere Tour bezeichnen: die Grippe geht um und mäht mit scharfer Sense Crew und Cast danieder. Thomas (Dimmer) und ich haben wohl schon das gröbste hinter uns, Gunta, unser Trucker, liegt heute quasi bewegungsunfähig in seiner Zugmaschine und auch bei den Mönchen singt der ein oder andere etwas leiser als sonst. Aber solange uns allen keine Ringelschwänzchen wachsen ist es ja nicht so schlimm……

Fliegen

Quelle: AGFÖ

Bei unserer Reise stellte ich mal wieder fest, daß die Zeiten, in denen die Fliegerei etwas besonderes war, lange vorbei sind. Sehr lange. In meinem Kopf gibt es ja noch die heldenhaften Flieger und die tollen Stewardessen der Lufthansa mit ihren schicken Uniformen. Jeder Gast war … nun … eben Gast. Ein willkommener Gast. Man konnte die Beine ausstrecken, bekam Köstlichkeiten aus der Bordküche sowie freie Getränkeauswahl; man denke nur an die legendären Lufthansacocktails. Heute darf man froh sein, wenn man überhaupt ein Getränk bekommt und die erste Fluglinie denkt offen über Stehplätze nach, um noch mehr Passagiere unterzubekommen. Die Exklusivität ist also sicher futsch, man ist kein Gast mehr, sondern zu transportierendes Material wie eine Flugananas, mit dem Unterschied, daß der Mensch ein Sicherheitsrisiko ist, die Ananas nicht.

Ich erinnere mich, daß wir als Kinder mal einen Onkel von mir zum Flughafen in Düsseldorf brachten. Er war erster Klasse – Vielflieger und mußte aus beruflichen Gründen kurzfristig nach Rio. Er verkaufte ganze Stahl- und Röhrenwerke und seine Unterhändler vor Ort waren ins Stocken geraten. Ein Anruf genügte und es reichte aus, daß er auch erst 15 Minuten vor Abflug noch anrauschte und freundlich grüßend faktisch direkt in den Flieger stieg. Heute undenkbar. Da müßte er erst mal durch die Sicherheitsschleuse, die es damals noch nicht mal im Ansatz gab.

Irgendwas muß aber doch noch dran sein an der Fliegerei. Wir nehmen mehr oder weniger achselzuckend Verspätungen in Kauf, die bei der Bundesbahn zur offenen Revolte führen würden. Wir entledigen uns unserer Kleidung, packen unsere Laptoptaschen aus und führen den Sicherheitsbeamten vor, daß es wirklich eine Gitarre ist, die wir da mitzunehmen gedenken, ohne mit der Wimper zu zucken. Wir stellen uns mit erhobenen Armen in den Bodyscan (keine Sorge, das wird sicher auch in Deutschland kommen; früher oder später) und schmeißen freiwillig ganze Getränkeflaschen weg, um dann von einem Flughafen am Rande der Stadt zum nächsten Flughafen am Arsch der Welt zu fliegen. Die Weiterreise in die Stadt, dessen Namen der Flughafen aus mystischen Gründen trägt, ist manchmal länger, als der Flug selbst.

Zugegeben, jetzt bin ich doch ein wenig abgeschweift. Mittel- und Langstreckenflüge sind sicher sinnvoll und bequemer als die anderen Reisevarianten. Kurzstreckenflüge aber eher Unfug. Und ehrlicherweise kostete früher ein Economy – Ticket mehr als heute ein Ersterklasseflug. Und doch, wenn ich ehrlich bin …… ich find’s schade, daß das Erlebnis so den Bach runtergegangen ist und fliegen heute in etwa so aufregend ist, wie straßenbahnfahren.

Was bleibt ?

Das hier ist tatsächlich mein letzter Eindruck vom Petersburger Flughafen. Also ein guter Moment, um mal Resümee zu ziehen über unsere Zeit in Rußland. Über den auffälligen Kontrast zwischen jungen und älteren Frauen hatte ich ja schon ausführlich geschrieben. Tatsächlich ein Phänomen, das uns auch nach dem Verlassen des Landes beschäftigen sollte. Noch tagelang verglichen wir die einheimischen Frauen mit denen in Rußland. Von den 20 Leuten in der Truppe waren halt 19 Männer. Auch über die vielen Menschen, die einfach nur herumstanden in den Hallen, über die vielen Securities schrieb ich schon. Insgesamt herrscht eher ein ruppiger Ton vor in Rußland.

Auch augenfällig ist der Verfall; selbst neue Gebäude zeigen ihn schon, indem entweder schlampig, oder erst gar nicht richtig zuende gebaut wird. Ältere Gebäude scheinen nur selten renoviert zu werden (es sei denn, sie sind touristisch wertvoll). Das ist schade, aber eben vielleicht auch ein Synonym für die Gesamtsituation im Land.

Auf der anderen Seite muß ich sagen, daß sich manches Vorurteil nicht bewahrheitete: in Deutschland spricht man manchmal abfällig von einer Russentruppe, wenn osteuropäische Helfer mit schlechten Deutschkenntnissen und der Neigung zum Verdunsten Drücken vor der Arbeit eingesetzt werden. Die Helfer in Rußland waren zwar oft des Englischen nicht mächtig, aber immer zur Stelle und warteten geduldig und gut sichtbar, wenn es mal nichts zu tun gab. Drückeberger erlebten wir nicht. Auch vergaß ich in Moskau meinen Ledermann in der Halle; am nächsten Morgen konnte ich ihn ordentlich beschriftet im Hallenbüro abholen. Wenn wir ehrlich sind, dann wäre er in Deutschland verschwunden gewesen.

Mir ist klar, daß mein Eindruck stark verfälscht ist von der Tatsache, daß ich das Land nur unter Zeitdruck und nur aus der Perspektive der Veranstaltungshallen sah. Ich hatte nie die Gelegenheit, die schönen Seiten der Städte, oder gar Alltagsleben zu sehen. Ich hatte nie die Gelegenheit, wirklich die Menschen kennenzulernen, konnte nicht hinter die rauhe Schale der Einheimischen schauen, hinter der sich vielleicht dann doch sehr nette Leute verbergen. So bleibt das Bild eines rauhen, ruppigen Landes, bei dem man froh ist, wenn man es wieder verläßt, auch wenn man weiß, die wahren Perlen vielleicht nicht gefunden zu haben. Vielleicht ergibt sich ja noch mal die Gelegenheit, mit mehr Zeit durch Rußland zu reisen.

Goodbye Lenin

Die Reise von Ekaterinburg nach Helsinki ist mit einigen Schmerzen Hürden versehen. Die erste Hürde heißt Lobby – Call und der ist bereits um 03:00 Uhr. Ich weiß, daß Ihr versteht, daß ich aus dieser Zeit keine Photos habe. Vom Hotel geht es zum Flughafen und von dort nach St. Petersburg. Bevor ich im Flieger wieder einnicke stelle ich noch fest, daß diese gelben Natriumdampflampen der Straßenlaternen von oben eine schöne, heimelige Stadtbeleuchtung abgeben. Dann bekomme ich erst wieder mit, daß mich die Stewardess recht ruppig weckt, weil ich die Lehne wieder hochstellen soll. Sie behauptet, sie habe es erst freundlich versucht. Gähn. Ich glaube ihr nicht und will in einen Nightliner.

In Petersburg angekommen stellen wir fest, daß wir auf dem Inlandsflughafen sind und per Bus zum Auslandsflughafen fahren müssen. Aha. Die anderen Fahrgäste des Busses sind über unsere Kofferberge nicht gerade erfreut. Wir auch nicht. Ich stelle fest, daß ich mittlerweile bereits jeden Koffer unserer zwanzigköpfigen Truppe einem Mitreisenden zuordnen kann. Nach knapp 20 Minuten sind wir da. Jetzt haben wir 4h Wartezeit. In Worten: vier Stunden. Es gibt keine andere Verbindung am Wochenende. Die Haupthalle des Flughafens darf man erst zwei Stunden vor Abflug betreten, wir hängen also in einer Vorhalle ab, sind die einzigen Gäste des einzigen Cafes dort und bringen die einzige Kellnerin ganz schön auf Trapp. Es gibt im ganzen Flughafen, zur Erinnerung: wir sind im internationalen Flughafen St. Petersburg, keine ausländische Tageszeitung zu kaufen.

Zwei Stunden vor Flug dann haben wir Zutritt zur Haupthalle. Aber erst müssen wir durch die Sicherheitsschleuse. Mit allem Gepäck und mit Bodyscan. In Deutschland sind die Dinger ja wegen Persönlichkeitsrechten verboten, hier werden wir bis auf die Haut durchleuchtet. Ich ziehe den Bauch ein, um besser auszusehen; Reiny, unser Backliner, macht den Moonwalk. Natürlich muß ich meinen Koffer ausräumen und den Sicherheitsleuten die Laserhandschuhe erklären. Wir dürfen einchecken und ein Teil der Truppe reist plötzlich BusinessClass. Alle Techniker, aber eben nicht alle Sänger und Bandmitglieder. Später in Helsinki höre ich zufällig wie zwei Bandmitglieder sich darüber aufregen, daß sie normal, wir Techniker aber Business flogen. Mir ist es bei einem 50minütigen Flug fast egal, genieße aber trotzdem die größere Beinfreiheit.

Zu den Privilegien eines BusinessClass – Reisenden gehört, daß man auch in die Business – Lounge darf. Dort gibt es kostenlos Snacks, Getränke und jede Menge Alkohol. Für Letzteres ist es mir noch zu früh, andere sind weniger zimperlich und testen ausgiebig die russische Destillationskunst. Außerdem, fast schon eine Sensation, gibt es deutsche Tageszeitungen. Vom Vortag, aber immerhin. Der Tagesspiegel ist kopiert und kein Original. Die Mädels am Tresen erklären mir, daß die Lounge von den nichtrussischen Fluggesellschaften betrieben würde und daß es deshalb auch etwas anderes als Russisch zu lesen gäbe.

Beim Boarding dann noch ein zweiter Sicherheitscheck. Dieses Mal müssen wir nicht nur Mäntel, Jacken und Gürtel ausziehen, sondern auch die Schuhe. Eine Karawane von Reisenden in blauen Einmalsocken trabt durch die Schleuse, mit einer Hand die rutschende Hose hochhaltend. Ich freue mich, daß wir uns noch nicht bis zur Unterhose ausziehen müssen. Nach dem Metalldetektor werden wir abgetastet. Komplett und überall. Ich bin ein Terrorist.

Beim Betreten der FinnAir – Maschine stelle ich fest, daß auch Frauen über 30 freundlich lächeln können. Nach den Tagen in Rußland ist diese Feststellung sehr erwärmend und ich freue mich über die natürlich – freundlichen Stewardessen um die 40, die ich sonst nicht besonders beachtet hätte.

Bei Tageslicht kann man dann sehen, daß sich der nationale und der internationale Flughafen in St. Petersburg die selbe Landebahn teilen, die auch als Taxiway genutzt wird. Scheint also nicht viel loszusein dort. Da erscheint die Trennung der Gebäude als Reisender natürlich doppelt ärgerlich und auch aus wirtschaftlicher Sicht verstehe ich es nicht. In Zeiten des kalten Krieges mag sowas ja seinen Grund gehabt haben, aber heute ?  Egal, die Maschine nimmt Anlauf, hebt ab, wir sind weg.

Fernsehturm

Auch wenn es chronologisch natürlich jetzt komplett raus ist, wir haben heute einen Offday in der Hauptstadt, den ich im wesentlichen grippebedingt verschlafen habe: um 16:00 Uhr kam ich wieder zu mir. Dann ein kleiner Gang durch die Gemeinde. Ich mag Berlin. Die Stadt hat eine ganz eigene Ausstrahlung, die sie mit keiner anderen teilt. Ich lebte hier mal eine Zeit, im Wedding und auf’m Prenzel. Und auch wenn die alte Bärin sich nach allen Kräften bemüht, das mottenzerfressene Fell auf neu zu putzen; im Winter, wenn es dunkel ist, dann kommt das alte Gefühl wieder hoch, dann liegt doch noch der Geruch von Kohleöfen in der Luft und das ganz spezielle Berliner Licht liegt über der Stadt. Das sind Situationen, in denen ich fast wieder hierhin ziehen möchte. Warum auch immer mag ich gerade den Winter in Berlin. Im Sommer bin ich lieber in Hamburg.

Um das Hotel herum ein Spätkauf neben dem anderen. Ich frage mich, wie die alle überleben. Aber es ist praktisch, denn ich kann Obst & Säfte kaufen und in einem sogar frischgepreßten Orangensaft. Als Waffe gegen die Viren, die mich so niedergeschmettert haben. So eine linke Bazille möchte man fast sagen.

Jetzt aber erst mal durch die Mails kämpfen. Und später werde ich schauen, daß ich hier im Blog wenigstens mal aus Rußland raus und nach Helsinki komme.

Streß

Auch wenn ich hier im Blog immer noch in Rußland weile, so bin ich in der Realität nach Finnland, Lettland, Estland, Litauen und Polen lange wieder in Deutschland angekommen. Leider ist die Produktion so arbeitsreich, daß ich einfach nicht zum bloggen komme und schon 11 Tage hinterherhänge. Mal sehen, wie sich das hier entwickelt, auf Dauer kann es nicht so bleiben; nicht wegen des Bloggens, aber wegen des Tagesablaufs. Wir brauchen doch etwas mehr Ruhe zwischendurch.

Die Show in Ekaterinburg

Die Techniker in Petersburg und Moskau hatten uns schon gewarnt: wir würden die Zivilisation verlassen, wenn wir an den Ural führen. Ganz so schlimm ist es nun nicht, aber es ist schon ein deutlicher Unterschied zu spüren. Die Halle ist ein durchgängig nach Popkorn riechender Kinokomplex, dessen größter Saal mit Veranstaltungstechnik aus den 80ern ausgestattet ist (man achte mal auf den Groundsupport der Backtruss). Angeblich sei in der ganzen Umgebung nichts moderneres zu finden; das Lichtpult, eine Roadhog, kam schon mit uns aus Moskau mit dem Flieger. Dabei ist die Stadt je nach Quelle die dritt- oder viertgrößte Stadt Rußlands.

Das Personal ist sehr bemüht, unseren Rider zu treffen, aber es ist schon eine recht improvisierte Show. Statt moderner Striplights gibt es beispielsweise diese Rock ’n‘ Roll – Lösung. Jedenfalls kommt da anständig was raus. Eine andere schöne Lösung wird uns statt des nicht vorhandenen Stardrops (Sternenvorhang) präsentiert. Vor einem schwarzen Vorhang baumeln einfach auf drei unterschiedliche Dimmerkreise gesteckte Tannenbaumlichterketten, die mittels Chaser animiert werden. Geht doch. Auch zumindest eines der im Rider geforderten Keyboards stammt nicht von einem professionellen Backlineverleiher: auf den Tasten kleben Bildchen und Buchstaben, die Kindern das Lernen vereinfachen sollen. Ich wüßte ja schon gern, in welchem Wohnzimmer man für einen Tag auf das Instrument verzichten mußte.

Dennis, unser Monitormann, ist aufgrund seines Alters und seiner bisherigen Studiokarriere mehr oder weniger ausschließlich hochwertige moderne Digitalpulte gewohnt und steht zum ersten Mal in seinem Leben vor einem betagten Soundcraft SM20, einem Pult, das erst dann richtig klingt, wenn es bei +20dB ordentlich brennt. Eine klare Herausforderung für ihn, weil seine normalen Pulte die 0dB bitte nie berühren dürfen, damit es nicht digital scheppert.

Auch sehr schön ist der Blick in die Brandmeldezentrale des Hauses. Ich bin sicher, daß man dort einen Feueralarm nicht überhören kann, selbst wenn der Wachhabende bereits verstorben ist.

Von den in großen Gruppen überall herumstehenden Securities erzählte ich ja schon. Auch sonst scheinen die Personalkosten in Rußland noch gering zu sein. Wenn man beispielsweise darum bittet, vor der Show die Bühne gereinigt zu bekommen, dann kommt nicht eine Reinigungskraft sondern direkt ein ganzer Trupp, der äußerst gewissenhaft arbeitet. Ich war fast erschrocken, als ich die vier Frauen anrauschen sah, weil ich das nicht gewohnt bin, vom Ergebnis aber überzeugt.

Aus Ekaterinburg kann ich sogar eine Sehenswürdigkeit zeigen, aber auch nur, weil wir direkt daneben spielten. Die Kirche stehen an der Stelle, an der die Zarenfamilie Anfang des letzten Jahrhunderts ausgelöscht wurde. Es gab sicher Zeiten, in denen man dessen sehr stolz war; heute möchte man da zumindest von Seiten unserer Betreuer nicht mehr so gern drüber sprechen.

Die Show lief dann trotz aller Improvisation sehr gut und die Reaktion des Publikums war super. Ich hatte allerdings mit Abstand den ältesten Spot der Tour zu bedienen. Ein altes Teil ohne Dimmer, nur mit Shutter, er kannte also nur 100% an oder eben aus. Für unsere Show nicht immer ideal. Da es auch kein echtes Interkom gab, sondern nur eine Einwege – Komandostrecke, kam es zu einer recht lustigen Gegebenheit. Zum Showbeginn fing plötzlich ein zweiter Spot mit an zu leuchten und keiner wußte, wer den denn wohl bediente. Auch zog er die Iris immer viel zu weit auf, so daß die halbe Bühne beleuchtet war. In der Pause stellte sich heraus, daß einer der Helfer der Meinung war, daß zwei Spots einfach besser aussehen als einer und daß er darum einfach mal mitgemacht hatte.

Sonst war aber alles gut und nach der Show wurde ich wieder von einigen Zuschauern angesprochen, wir sollten doch auf jeden Fall wiederkommen. Ich erklärte ihnen, daß sie doch bitte den örtlichen Veranstalter anrufen sollten, denn der müsse uns ja buchen. Sie versprachen, es zu tun. Mal sehen, ob und wann wir also wieder in die Gegend reisen. Nach der Show dann ganz, ganz schnell weg, denn um 03:45 war schon wieder Lobby – Call für unseren Flug nach Helsinki.