Polittheater

Direkt vor unserer Türe, auf dem Platz vor der Alten Oper in Frankfurt, findet gerade die Wahlkampfabschlußkundgebung der hessischen CDU statt, live von Phönix übertragen. Hochinteressant ist zu beobachten, wie unterschiedlich Realität und Fernsehabbild sind. Vor Ort sind die Gegner von Merkel, Koch & Co. deutlich in der Überzahl und das Pfeifkonzert gellend. Im Fernsehen ist davon nichts zu sehen und kaum etwas zu hören.

Darüber hinaus ist das Ballett der Anhänger perfekt geprobt: wenn ein Stichwortgeber vor der Bühne sein Schild hochhebt, dann reißen etwa 60 Parteimitglieder ihre Schilder auch hoch; läßt der Vortänzer sein Schild fallen, sinken die anderen auch wieder. Blöderweise ist diese Choreographie nicht mit der Phönix – Bildregie abgestimmt, so daß man die auf Kommando hebenden und sinkenden Schilder auch in der Übertragung sieht.

Eher erschreckend finde ich das Niveau, mit der hier auf Stimmenfang gegangen wird. So viel Polemik, so viel verzerrte Wahrheit und, sorry, so viel Stuß auf ein Mal — wenn ich das sehe, würde ich diese Redner sicher nicht wählen. Wobei ich nicht weiß oder behaupten möchte, daß die Gegenseite da besser ist; ich habe Frau Ypsilanti nie bei einer Rede gesehen. Jedenfalls wird hier in meinen Augen keine Werbung für politische Kultur gemacht.

Insgesamt ist der Aufwand drumherum wirklich immens, man kommt mit den Fahrzeugen kaum ran und wir sind gespannt, ob unsere Gäste hier eigentlich unbehelligt heute reinkommen.

Das Fazit…

für die letzten Tage: es ist erschreckend, wenn ein Menschen, den man selbstbewußt und selbstständig kennengelernt hat, durch Krankheit plötzlich so neben sich steht, daß er sich noch nicht mal mehr zutraut, ein einfaches Handy zu bedienen und panische Angst davor hat, völlig abgeschnitten zu sein, obwohl er doch stets von ihm wohlgesonnenen Menschen umgeben ist. Hoffentlich wird das bald wieder besser. Und es ist beachtenswert, wie viel Kraft und Ruhe der Partner hat, diesen Menschen zu stützen. Tiefer Respekt.

Schneekulleraugen

In manchen Dingen ist man im Laufe eines Lebens ja abgestumpft. Nur wenige Erwachsene freuen sich wirklich über Schnee in der Stadt; für die meisten ist er eher lästig. Auf dem Weg nach Mainz schneite es heute. Mit in der Gruppe war eine Kambodschanerin, eine erwachsene Frau, die große Kulleraugen der Begeisterung bekam, als es weiß vom Himmel rieselte. Eigentlich sehr schön, solch kindliche Begeisterung empfinden zu können.

in memoriam: Konrad Thurano

Konrad Thurano

Vor zwei Tagen verstarb ein Künstler, den ich sehr bewundere und bei dem ich vor zweieinhalb Jahren die Ehre hatte, zwei Wochen für ihn arbeiten zu dürfen. Konrad Thurano (weitere Infos: 1, 2, 3, 4), mit 98 Jahren ältester noch aktiver Artist der Welt, war bis zu letzt noch in der Lage, seine Hochseilnummer vorzuführen und behauptete immer, daß er sterben würde, höre er damit auf. Ich habe ihn als äußerst freundlichen Mann mit hoher Disziplin kennenlernen dürfen. Möge er einen angemessenen Platz im Artistenhimmel finden.

Sturmflut – Nachgedanken

Nun war ich ja gestern vor Ort. Habe gesehen, was es zu sehen gab. Und dann schlage ich heute die Zeitung auf und lese von Katastrophen und chaotischen Zuständen. Hä ?  Gut, es gab ein paar Deppen, die ihre Autos nicht rechtzeitig weggefahren haben. Zu viel Coolness muß halt bestraft werden. Aber ansonsten sind die Gebiete geflutet worden, die bei Sturmflut immer voll Wasser stehen und die auch vollfluten sollen, weil sie noch vor den Hochwasserdeichen liegen. Also alles ganz normal, denn die Deichanlagen standen ja nicht mal ansatzweise in Gefahr.

Als ich gestern diese ganzen Fernsehteams sah (ich selbst habe sieben gezählt) dachte ich mir schon, daß da wieder aus einer Mücke ein Elephant gemacht wird. Aber daß da selbst die einheimischen Tageszeitungen mitmachen, hätte ich ja nicht gedacht. Da erscheinen die Berichte aus anderen Städten, wo es ja noch viiieeeeeel schlimmer gewesen sein soll, direkt in einem ganz anderen Licht. War da auch Business as usual ?  In Hamburg jedenfalls war die Sturmflut gestern so, wie sie halt ein bis zwei Mal im Jahr ist. Die Keller sind so konstruiert, daß sie vollaufen sollen (damit der Wasserdruck die Gebäude nicht zerdrückt) und sich auch von selbst wieder entleeren. Da muß man doch nicht groß berichten „Dutzende von Kellern liefen voll“. Ja, klar, normal.

Wenn schon keine Sensation da ist, dann muß man sich wohl eine machen. In diesem Sinne: ruhig bleiben.

Herbsttag

Herbststimmung an der Mundsburgbrücke, Hamburg

 

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg Deinen Schatten auf die Sonnenuhren
und auf den Fluren laß die Winde los.

 

Herbststimmung im Alsterpark, Hamburg

 

Befiel den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

 

Herbststimmung in der Heinrichstraße, Hamburg

 

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke

Geheimratsecken

In den nächsten Tagen wird es teilweise recht wenig Schlaf geben und weil es deutlich praktischer ist, habe ich mir deshalb gerade die Haare geschnitten. Dabei fiel mir auf, daß meine Haarpracht nicht nur seit 10 Jahren immer grauer wird, sondern daß sie sich die Schläfen deutlich vergrößern. Ich bekomme richtige Geheimratsecken. Das soll ja Weisheit symbolisieren und bei den Frauen gut ankommmen. Wenigstens etwas.

alt

Seit einiger Zeit unke ich ja, daß ich alt werde; manchmal, wenn die Athroseknie sehr ziepen, glaube ich das wirklich, aber heute morgen hatte ich den Beweis: ich konnte Kleines nicht mehr lesen und mußte die Brille absetzen (ich bin kurzsichtig), um den Text entziffern zu können. Presbyopie nennt man das. Oder hart: Alterssichtigkeit. Trifft jeden zwischen 40 und 45. Mit 42,5 liege ich da ja noch ganz gut im Schnitt… und es war ja noch dunkel.

Lokführer……

…… war ja mal einer der Traumberufe meines Geschlechts und ist heute zu einem unterbezahlten Job verkommen, bei dem man sich regelmäßig die Suizidtären von der Scheibe kratzen muß. Im Rahmen solcher Diskussionen wie sie zur Zeit laufen lernt man ja eine Menge. Beispielsweise, daß der Lohn für die Verantwortung und den unregelmäßigen Dienst erschreckend gering ist. Oder daß es der deutschen Wirtschaft an logistischer Phantasie fehlt. Wie sonst kann ich dieses Rumgejaule verstehen. Ich frage mich, wie denn die Wirtschaft in Italien oder Frankreich überlebt; da streiken die Bahnen doch alle Nase lang, ohne daß es zum Ausrufen des Katastrophenzustands kommt. Erschreckend auch, daß sich immer irgendwelche Richter finden, die „Recht“ entgegen Standards sprechen, die es in anderen Branchen durchaus schon gibt. Das was die Bahn jetzt durchmacht, hat es doch im Luftverkehr schon vor Jahren gegeben und ist lange etabliert. Also mal locker bleiben und den Lokführern und der GDL die Daumen drücken.