Tag 2: Reise von Moskau nach Vladivostok

Nach stundenlangem Warten in Moskau ging es dann kurz vor Mitternacht ortszeit los mit unserem Flug nach Vladivostok. Die Boeing 777 ist ein klassisches Langstreckenflugzeug, das man bei einem Inlandsflug erst einmal nicht erwarten würde, wenn man in europäischen Dimensionen denkt. Ich möchte Euch bitten, Euch tatsächlich mal die Zeit zu nehmen und bei Google Maps, oder aber in Eurem guten alten Diercke Schulatlas nachzuschlagen, wie groß, wie wirklich unglaublich groß Rußland ist. Es ist mit weitem Abstand das größte Land der Erde, das bevölkerungsreichste Land China mit seinen großen Weiten paßt fünf Mal hinein. Und dann versteht man auch ganz schnell, warum ein Langstreckenflieger an den Start geht, wenn man 3/4 des Landes durchqueren will, was in diesem Fall eine Flugstrecke von rund 7.000km bedeutet.

Die komplette Crew des Fluges machte einen ziemlich gepißten Eindruck. Auch das ist für mich als Mitteleuropäer erst einmal ungewohnt, normalerweise lächeln die Jungs und Mädels ja um die Wette. Hier sollte das eine gute Einstimmung auf den typischen Russen östlich des Urals sein. Das Essen weist … nun ja … russische Qualitäten auf, so daß ich recht viel zurückgehen lasse und die Klimaanlage tut richtig etwas für unsere Gesundheit, indem es Kneipp’sche Wechselbäder während des Fluges ermöglicht. Ein echter Service.

Auf den Bildern oben kann man mal unseren Weg sehen und auch, daß wir einen kleinen Bogen fliegen mußten, um chinesisches Territorium zu umgehen.

Auch die Abfertigung ankommender Fluggäste ist in Rußland anders als anderswo. Kaum hat man das Flughafengebäude betreten, ist man auch schon von seinen Liebsten umgeben; sie stehen direkt an der Türe, man muß sich durch sie durchdrängen, will man weiter. Die Türe zum Gepäckband ist zu; man kann den Raum erst betreten, wenn das Gepäck auch da ist. Natürlich kommen Oma, Opa, Onkel Pit, Tante Kläre und die Kinder auch mit, was das Durcheinander am Band erst richtig perfekt macht.

Vor dem Flughafen stehen drei Toyota Minibusse (also VW-Bus – Größe), die 18 erwachsene Leute plus ihr Gepäck für vier Wochen plus sechs fette Koffer Props (Kostüme und sonstiges Geraffel) transportieren sollen. WTF. Auf russischer Seite zeigt man sich überrascht. Es kommt dann tatsächlich auf die Schnelle noch ein zusätzliches Fahrzeug.

Die Fahrt vom Flughafen zum Hotel dauert über eine Stunde und führt durch Gegenden die deutlich nicht den Naturschutzpreis gewinnen würden. Industrieanlagen pusten ungefiltert und stinkend ihre Abgase in die Luft; die Gegend sieht deutlich mißhandelt aus. Als erster Eindruck vom Land ein Albtraum. In den Gärten brennen Feuer mit Abfällen, direkt daneben hängt Wäsche zum Trocknen. Später lese ich, daß die WHO 80% der Außenbezirke Vladivostoks als gesundheitsgefährdend einstuft. Da können wir bei uns zuhause noch so sehr einen Handstand machen, die ökologische Zukunft unserer Erde wird nicht in good old Europe, sondern in den Schwellenländern entschieden; da scheint diese Erkenntnis aber bisher nur bedingt angekommen zu sein.

Wir sind nicht nur in den Osten geflogen — Vladivostok liegt genau östlich von Nordkorea, hat aber faktisch keine asiatische Bevölkerung, was auch komisch ist —, sondern haben auch eine Zeitreise gemacht, die uns geradewegs in die 80er geführt hat. Die Herren tragen VoKuHiLa und Pornobalken, im Radio läuft Scooter, Scorpions, van Halen, Harold Faltermeier und Opus neben lokalen Größen. Sehr lustig.

Auf der Straße ist ganz normaler Rechtsverkehr, allerdings sind sicher 95% der Fahrzeuge japanische Rechtslenker – Autos; überhaupt spielt der europäische Automobilbau hier absolut keine Rolle. Auffällig ist auch der sehr hohe Anteil an SUVs, was bei den Straßen erst mal kein Wunder ist. Wenn man sich aber mal überlegt, was der durchschnittliche Ostrusse so verdient, dann reibt man sich schon die Augen und fragt sich, worauf er denn alles verzichtet, um sich so ein Angeberauto leisten zu können.

Unser Hotel Equador sieht von außen erst einmal nicht gerade vertrauenswürdig aus, ist von innen aber ok. Allerdings merkt man beim Bett doch die Nähe Japans (das auf dem Bild unten auch zu sehen ist), denn die Matratze ist betonhart. Und der gastronomische Service läßt doch zu wünschen übrig.

Die Stadt selbst ist städtebaulich eine brutale Mischung aus Sozialismus und Kapitalismus. Auf Ästhetik schaut hier jedenfalls niemand. Auch haben die Menschen hier nichts zu lachen. Im Gegensatz zu unserer letztjährigen Reise im Westen Rußlands sind selbst junge Frauen knallhart in ihrem Gesichtsausdruck, auch wenn sie nur minimalst bekleidet sind und Stiefel mit Absätzen tragen, für die man sicher einen halbjährigen Laufkurs mit Führerscheinprüfung absolvieren muß. Später lerne ich, daß in dieser Gegend es als dumm und ungebildet gilt, zu lächeln. Die wenigen lächelnden Ausnahmen, die ich kennenlernen werde, beweisen allerdings das Gegenteil.

Auch wenn ich jetzt hier erst über den zweiten Tag schreibe, so sind wir mit unserer Reise ja schon viel weiter. Dabei sind echt viele Bilder angefallen, die ich hier und auch im Photoblog nicht alle unterbringen kann, die aber doch einen guten Eindruck von Reise und Land vermitteln. Eigentlich hatte ich sie für eine bestimmte Person hochgeladen, aber da ich das Blog ja auch als Tagebuch für mich nutze, möchte ich sie eigentlich gar nicht aus meinem Webspace löschen. Darum gibt es ab sofort am Ende eines jeden Artikels den Link zu den Bildern des Tages; da könnt Ihr Euch dann alle Photos ansehen. Das sind heute noch nicht viele, aber in einigen Tagen werden es dann doch deutlich mehr.

Bilder des Tages