Keine Zuständigkeit

Bei einem Telephonat mit einem Kollegen am Tag des Unglück bei der Loveparade in Duisburg sagte ich „Ich wette um mein linkes Ei, daß die Polizei und die Duisburger Stadtverwaltung am Ende völlig unschuldig dastehen werden, weil man solange um den heißen Brei herumlavieren wird, bis nur noch der Veranstalter als Arschloch dasteht. So funktioniert nun mal Politik.“ Dazu paßte danach schon das Verhalten des Oberbürgermeisters, der den ganz offensichtlichen Vertrauensentzug seiner Bevölkerung nur durch den Entzug seiner Person bei öffentlichen Veranstaltungen zu beantworten weiß, nicht aber mit einem Rücktritt — denn dann könnte er ja seine feiste Pension riskieren. Wie richtig ich mit meiner Beurteilung lag, wird nun beim Lesen eines ersten, durch die Stadt Duisburg bestellten Rechtsgutachtens deutlich. Die Linie:

Die Stadt Duisburg hatte keine allgemeine oder gar übergeordnete Zuständigkeit für die Sicherheit der gesamten Veranstaltung [……] Anregungen, insbesondere der Polizei, wurden geprüft und … umgesetzt.

Meine persönliche Meinung dazu: Fehler geschehen. Im Zweifelsfall auch mal richtig schlimme Fehler und manchmal sogar Fehler, die unnötig & dumm sind. Menschlich sehr arm finde ich es allerdings, wenn man dann nicht den Arsch in der Hose hat, zu diesen Fehlern auch zu stehen. Wahrscheinlich sind in Duisburg die nächsten Wahlen erst in längerer Zeit und man spekuliert darauf, daß bis dahin genug Ablenkungsmanöver gefahren werden konnten. Und da sage noch mal jemand, er verstehe Politikverdrossenheit nicht und die Ablehnung von Ämtern.

6 Gedanken zu „Keine Zuständigkeit“

  1. Ich wäre trotz allem sehr vorsichtig in einer Verurteilung des Bürgermeisters, ohne seine Situation nur auf Basis der Berichterstattungen und dessen zu beurteilen, was nach außen dringt. Man darf bei allem nicht vergessen, dass es sich hier nach wie vor um einen Menschen handelt, der in bummelig 18 (?) Jahren seines Lebens sich diese Pension auch erarbeitet hat. Und diese aufgrund eines Fehlers im System komplett verlieren würde (definitiv verlieren und sie nicht nur riskieren).

    Es sagt sich von außen sehr leicht, dass er den Arsch in der Hose haben und darauf verzichten müsste. Aber es geht hier um eine Menge Geld (es werden Summen um die 7.600 Euro vom Steuerzahlerbund erwähnt) und darüber hinaus noch seine Pension danach. Wer weiß, was davon alles abhängt, Familie, Haus etc. Alles Dinge, bei denen wir es uns nicht anmaßen dürfen, sie zu beurteilen.

    Plattes Beispiel, aber mal zum Überlegen: Stell dir vor, du zahlst Monat für Monat über 18 Jahre in eine Rentenversicherung ein. Arbeitest hin auf eine gute Rente. Und weil dir im 18. Jahr unterläuft und du deshalb zur Kündigung gezwungen werden sollst, würdest du das hinnehmen und auf diesen Anspruch verzichten? Sorry, das geht mir nen Schritt zu weit. Bei aller politischen Verantwortung, die er trägt, hat er sich diesen Anspruch nicht erschlichen, sondern erarbeitet. Und wenn das System keinen Rücktritt vorsieht, dann liegt der Fehler nicht bei dem, der durch das System mehr als verhältnismäßig gestraft würde, sondern im System selbst.

    Hab gerade die Zahlen bei ftd.de gefunden: http://www.ftd.de/politik/deutschland/:loveparade-katastrophe-sauerland-entgeht-bei-ruecktritt-jede-menge-geld/50150954.html

    Dass diese Diskussionen jetzt aufkommen, war klar, dafür braucht man kein Hellseher sein. Letzten Endes ist es, nach Gutachten und Auswertung der Kamerabilder, vermutlich eine Verkettung unglücklicher Umstände, die zu dem Unglück geführt haben.

    Angefangen bei der
    – Genehmigung der Fluchtwege (absolut hirnrissig, müssen wir nicht drüber diskutieren),
    – über die Stauung der Besucher durch die Polizei an der Rampe,
    – über das Öffnen eines Absperrgitters am Tunnelzugang
    – bis hin zu dem Reagieren auf das Ansteigen des Drucks und so weiter
    sind sowohl die Behörden (Stadt und Polizei) als auch die Ordnungsdienste (Öffnen des Gitters) als auch der Veranstalter (Planungsfehler, zuviel Optimismus, Kostendruck?) vermutlich zu Teilen schuld. Denn jede dieser Gruppen hat wohl einen Fehler gemacht.

    Um den Kreis zu schließen: Jetzt nach einem prominenten Opfer zu schreien, hilft weder den Toten, noch den Veranstaltern (oder unserer Branche) noch dem OB selbst. Es würde allen – insbesondere den etablierten Medien – guttun, in Ruhe abzuwarten, was am Ende rauskommt. Und wenn es dann am Ende heißt, dass es niemandem so richtig zuzuordnen ist, dann kann man immer noch auf die Barrikaden gehen.

    Und was Sauerland angeht: Sein politisches (und somit berufliches Leben) ist ohnehin nachhaltig ruiniert.

  2. Tatsächlich würde auch bei einem Rücktritt Herr Sauerland nicht alle Pensionsansprüche verlieren, allerdings wüden sie schrumpfen, das ist wahr.

    Andersherum: wenn ich als Produktionsleiter massive Fehler verantworten müßte (und als Oberbürgermeister steht er in NRW klar in der Verantwortung für seine Verwaltung; auch seine eigene Rolle scheint doch beeinflussend gewesen zu sein), dann würde mich neben der finanziellen Haftung ewig niemand mehr buchen. Was ähnlich katastrophale Wirkung hätte. Aber im normalen Leben wird sowas mit einem Schulterzucken in Kauf genommen, während sich eine gewisse Kaste von Menschen immer noch herauswinden. Und da verliere ich tatsächlich komplett den Respekt.

  3. Wie gesagt, das ist das, was nach außen dringt. WAS genau er wie beeinflusst hat, und in welchem Maße es da auch an anderen hängt, verantwortungstechnisch, das kann wohl kaum jemand beurteilen, der nicht dabei war. Solange das nicht geklärt ist, bin ich erstmal für gar nix, außer stillhalten und die Aufklärung vorantreiben.

  4. Der OB steht für die Verwaltung gerade. So wie jeder Chef.

    Wer genau auf wen wie viel Druck ausgeübt hat lässt sich wohl nie klären, klar geworden ist, daß ziemlich viele politische und wirtschaftliche Kräfte sich eine Loveparade wünschten.

    Verantwortung tragen ist nicht gleich automatisch Verantwortung übernehmen. Das sieht man an diesem Beispiel wieder deutlich.

  5. Ich denke das allein der Gedanke unter meiner Ägide war ein solches Unglück möglich moralisch zum Rücktritt verpflichten sollte. Geld hin oder her. Letztendlich haben da alle Schuld denn das einige Fachleute vorher schlimme Bauchschmerzen hatten ist nicht zu leugnen – und das kann weder dem Veranstalter noch der Stadt entgangen sein.

    Allerdings ist es auch typisch deutsch das es jetzt wieder ALLE vorher gewusst haben. Die ersten „Auswüchse“ dieser Geschichte erlebe ich momentan auf einigen meiner Baustellen.Da müssen bei 800 Mann Veranstaltungen Bauzäune um 8 cm!!! verrückt werden….

    Dazu ein interessanter Link zur FAZ

    http://www.faz.net/s/RubCCB49507459C498F8E6FA9E990486D14/Doc~E9A34C147432A446B8BE34E4E43B7C974~ATpl~Ecommon~Scontent.html

    Wichtig wären jetzt Leute die die reichhaltig vorhandenen Gesetze und Vorschriften mit Augenmaß, Erfahrung und Fürsorglichkeit umsetzen…

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