Scratch my back

Wenn man beim Betrachten eines CD – Covers sich Gedanken darüber macht, daß diese Plüschfigur oben in der Ecke vielleicht nicht ganz sauber freigestellt ist und man ansonsten nichts zu meckern hat… außer vielleicht der Tatsache, daß es Peter Gabriels „Scratch my back“ in abschreckend verwirrend vielen Ausstattungen zu kaufen gibt, dann hat der Künstler so viel falsch nicht gemacht. Tatsächlich stand ich den Studio – Scheiben Gabriels immer ein wenig mit Abstand gegenüber; live war er jedes Mal wenn ich ihn sah einfach umwerfend. Damals, ich war noch fast ein Kind, sah ich ihn in der Westfalenhalle auf seiner letzten Tour als Genesis – Sänger, hatte er schon eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Auch später erlebte ich ihn noch zwei mal und war immer schwer beeindruckt. Aber die Studioaufnahmen wirkten auf mich immer den entscheidenden Tick zu konstruiert. Dieses Mal finde ich seine neue Platte so gut, daß ich sie direkt zehn Mal hintereinander hörte.

Bei Sades neuem Werk schrieb ich, daß sie sowohl leise als Hintergrundmusik, als auch laut funktioniere. Das ist bei Scratch my back definitiv nicht so. Leise im Hintergrund ist sie eher nervig, das sollte man nicht machen. Aber laut im Vordergrund entwickelt sie eine solche Wucht, daß es wirklich Spaß macht, sie zu hören. Dabei sind die Songs gar nicht von ihm, im Gegenteil, es sind ausschließlich Coverversionen, die Gabriel da wiedergibt. Ehrlicherweise kannte ich davon nur einen Song, David Bowies wunderschön interpretierten „Heroes“. Und auch das zeichnet die Platte aus: daß eben nicht wie sonst üblich die bekannten ewigen Top 100 neu interpretiert wurden, sondern Songs, zu denen Gabriel wohl eine besondere Beziehung hat. Als Instrumentierung kommen nicht die bekannten Instrumentalisten der RealWorld – Studios zum Zuge, sondern ausschließlich Streicher und Bläser. Kein, na ja, fast (bis auf exakt vier Gong- und zwei Paukenschläge im faszinierenden „My body is a cage“) kein Schlagzeug. Keine Gitarren. Keine Keyboards oder ähnliches modernes Equipment. Nur Streicher und Bläser. Zusammen mit der sehr eigenwilligen Stimme ergeben sich so Stimmungen von einer besonderen Dichte, die mich wirklich umhauten.

Für diese Platte gibt es von mir elf von zehn möglichen Punkten, sie ist in meinen Augen die mit Abstand beste Veröffentlichung der letzten Monate. Kaufen !

6 Gedanken zu „Scratch my back“

  1. Ist nicht wahr, Du hast Genesis mit Gabriel als Frontmann gesehen?! Du musst sehr sehr jung gewesen sein! Da kommt bei mir ein leichter Hauch von Neid auf; diese Legende habe ich knapp verpasst. Bin in pubertärer Prägephase über „Lamb lies down on Broadway“ gestolpert und danach wurde der legendäre Kölner Ur-Vater-aller-Saturns genesis-vinyl-mäßig leergekauft. Aber live habe ich halt nur die Anfangsphase Phil Collins miterlebt …

    1. Genau die „Lamb lies down on Broadway“ – Show sah ich in Dortmund. Die Eltern eines Freundes nahmen neben ihren beiden Kindern auch mich mit. Ich muß … 10 oder 12 (?) gewesen sein und ich bin mir nicht sicher, ob meinen Eltern wirklich klar war, daß ich bei Christian nicht nur schlief…… ;-)

      1. Ziemlich abstrakte Story vom Lamb on Broadway – wie hast Du die Eindrücke denn in dem zarten Alter verarbeitet?

        1. Ich glaube gerade als Kind macht man sich da wenig Gedanken drüber. Es war ein gigantisches Kasperletheater. Oder so ähnlich. Kostüme spielten ja durchaus eine Rolle. Daß es sowas wie ein Handlungskonzept gab, verstand ich erst viele Jahre später. Ich war beeindruckt von der Musik, vom Licht, von der Wucht des Tons. Und auch wenn wir gegenüber der Bühne relativ weit weg saßen (ich weiß gar nicht mehr, ob es wirklich Platzkarten, oder freie Platzwahl gab), so fand ich das auf jeden Fall ganz toll. Einige Zeit später gab es in der Elektor (damals eine Zeitschrift mit elektronischen Bauanleitungen) ein Mischpult. 12-kanalig, mono, aber symetrische Eingänge. Das baute ich dann. So wurde ich, was ich heute bin. Wenngleich meine Erfahrungen im für damalige Verhältnisse sensationell modernen Kirchenchor da auch eine sehr entscheidende Rolle spielten. Das erzählte ich ja schon mal an anderer Stelle: http://www.tour-blog.de/?p=938

  2. Wahnsinn. Peter Gabriel covert My Body is a Cage von Arcade Fire – und damit einen meiner Lieblingssongs von einer meiner Lieblingsbands.
    Ich bin gerade gewaltig am überlegen, welche Version mir besser gefällt.
    Auf alle Fälle hat Herr Gabriel Geschmack. Klasse Umsetzung.

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