Es geht weiter. Sicher.

Es stand ja zu befürchten. Und jetzt unken nicht nur Hinterbänkler, sondern auch die erste Reihe: die Ausweitung der Zensur im Internet wird es geben. Auch wenn die CDU in ihrem Wahlprogramm das Internet faktisch ausläßt und sich nur sehr kurz (Seite 55) und auch noch sachlich falsch äußert (das Internet ist auch heute schon kein rechtsfreier Raum, wie viele Betroffene bestätigen können), äußert sich nun Ursula von der Leyen in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt sehr eindeutig: man wird darüber nachdenken, Netzsperren auch für andere Bereiche als Kinderpornographie einzurichten.

Was regt mich daran auf ?  Unstreitbar ist Kinderpornographie ja eine äußerst schlimme Sache, die hart verfolgt und verboten werden muß. Äußerst fragwürdig ist für mich aber der verfassungsrechtlich absolut zweifelhafte Umgang mit diesem Thema. Wenn die Exekutive unter Umgehung der Judikative Inhalte unterbinden kann, dann spricht man von Zensur. Und genau das geschieht hier. Bundesbehörden erlassen Sperrlisten ohne richterlichen Beschluß und diese müssen umgesetzt werden. Das ist einer Demokratie nicht würdig. Schon heute gibt es rechtstaatliche Wege, diese Inhalte zu unterbinden (übrigens nicht nur Kinderpornographie, sondern auch jeden anderen rechtswidrigen Inhalt) und die Verfasser strafrechtlich zu verfolgen. Dieser Weg wird nur nicht (oder im zu geringen Umfang) gegangen.

Wenn dieser Zensurgedanke nun auf andere Bereiche ausgeweitet wird, dann ist Behördenwillkür Tür und Tor geöffnet, ohne daß es ein Rechtsmittel dagegen gibt. Oder wie es Udo Vetter, Anwalt, in seinem exzellenten Artikel zum Thema formuliert: die Meinungsfreiheit wird zum Sondermüll.

Ich kann von einer großen Volkspartei erwarten, daß sie auf dem Boden des Grundgesetzes rechtlich einwandfreie Politik betreibt, ohne in Orwell’sche Überwachungs- und Machtphantasien zu verfallen. Erliegt sie dieser Versuchung, so begibt sie sich in den Bereich der Unwählbarkeit. Natürlich wird es immer Menschen geben, die der Menung sind, daß ein rechtschaffender Bürger ja nichts Negatives zu erwarten habe. Das ist zum einen naiv und zum anderen gab es von dieser Meinung in den 30ern zu viele. Das was unsere Väter und Großväter an modernem, freiheitlichen Grundgesetz schufen, sollten wir nicht achselzuckend aufgeben.

Nachtrag 04.08.2009: Thomas Jurk, Spitzenkandidat der sächsischen SPD, erklärt in einem Gespräch bei der Freien Presse: „Wenn wir gegen das Grundgesetz verstoßen, weil wir Pädophilen unmöglich machen kinderpornografische Bilder aus dem Internet herunterzuladen, dann nehme ich das in Kauf.“ Streng genommen müßte jetzt natürlich der Verfassungsschutz mit seinen Ermittlungen beginnen (was nicht passieren wird, davon können wir ausgehen). Allerdings finde ich diesen selbstherrlichen Umgang mit dem Grundgesetz durch einen Spitzenkandidaten einer großen Partei ehrlich gesagt zum Kotzen. Denn es gäbe ja durchaus auch verfassungsgemäße — und dazu auch noch letztlich viel effektivere —Wege, das selbe Ziel zu erreichen.

8 Gedanken zu „Es geht weiter. Sicher.“

  1. Hallo Markus,
    sehr interessant finde ich deinen Gedanken zur „Unwählbarkeit“ im letzten Absatz. Wäre es nicht gar möglich anhand der geltenden Wahlgesetzte sogar entsprechende Parteien die den festen Boden des Grundgesetzes verlassen von den Wahllisten zu streichen?…………..mmmmmh

  2. Das Problem zwischen „guter“ Zensur (zu der ich besagte Kinderpornographie-Aktion jetzt mal rechnen würde) und „böser“ Zensur ist ja immer: Wo hört das eine auf und fängt das andere an? Und wer entscheidet das? Wer legt die Kriterien fest?

    1. Ich finde, es gibt keine gute Zensur. Es gibt entweder ein rechtstaatliches Verfahren, oder programmierte Willkür. Und zur Zeit haben wir letzteres.

      Wir sind ganz sicher völlig einer Meinung: Kinderpornographie (und rechtsradikale Gedanken, etc.) gehören verfolgt und verboten. Aber nicht durch halbherzige Zensur, sondern durch konsequente Strafverfolgung und Abschaltung im Netz. Durch juristisch einwandfreie Mittel.

      1. Markus wieso darf nicht jeder hier ungeprüft bloggen? Hier findet also eine positive Zensur statt, damit wir von Schrott und Co verschont bleiben! Danke dafür!

        1. Hier darf nicht jeder ungeprüft kommentieren, weil das hier mein ganz eigenes, privates, virtuelles Wohnzimmer ist (und ich im übrigen laut Landgericht Hamburg für die hier gemachten Aussagen mit hafte). Genau so, wie Du jemanden aus Deiner Wohnung schmeißen kannst, wenn er rumpöbelt, so kann ich das hier auch. Aus Deiner Wohnung kannst Du sogar jemanden rausschmeißen, wenn Du einfach keine Lust auf diese Person hast.

          Die Situation im Web ist aber eine andere. Der Staat hat nicht das Hausrecht im Internet. Er hat das Recht und die Pflicht, juristisch einwandfrei, eben unter Einhaltung des Dreiklangs Legislative, Exekutive und Judikative, zu handeln. Wenngleich Du Dir zuhause Willkür bei der Auswahl Deines Besuchs erlauben darfst, so darf der Staat das nicht. Blendet er also die Judikative aus, so handelt er entgegen unser Grundgesetz. Er tut das, was wir in anderen Staaten als Diktatur oder totalitär anprangern. Und das finde ich nicht gut.

          Es geht nicht darum, daß ich gewisse Dinge im Internet sehen will. Es geht darum, daß ich von unserem Staat erwarte, daß er sauber nachvollziehbar und mit der Möglichkeit des Rechtsmittels handelt.

  3. Ich teile Deine Bedenken, Markus. Das Thema Kinderpornographie scheint mir nur emotionales Mittel zum Zweck. Welcher normal mitfühlende Staatsbürger möchte schon, dass Kinder missbraucht werden? So soll uns unter dem Deckmäntelchen der guten Sache die Zensur und die Aushebelung der Gewaltenteilung schmackhaft gemacht werden. Funktioniert ja auch recht gut! Volker Pispers hat sich dazu mal zusammenfassend im WDR geräuspert
    http://www.youtube.com/watch?v=QLNn7MJnzoM
    und hier
    http://gersheimer-notizen.de/12/internetsperren-gegen-kindesmissbrauch-ein-unvollstandiger-uberblick/
    gibt es eine recht übersichtliche Zusammenfassung.

    Diese von-der-Leyen-Nacht-und-Nebelaktion ist ja nur eine von vielen des politischen Raubbaus an unseren Grundrechten und bestätigt meine „Vorurteile“ gegenüber allzu bemüht-fürsorglichen Volksvertretern. Denn mit dem deutsch-deutschen Mauerfall ist bei einigen offenbar die Verfassung verschüttet worden oder der aufgewirbelte Staub beim Entrümpeln der Stasi-Archive hat die Sinne vernebelt. Man erinnere sich an die „Grundsteinlegung“ für den „Großen Lauschangriff“ Mitte der 90er. Die damalige Bundesjustizministerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger hat uns gewarnt, ihre Konsequenzen gezogen, ist zurückgetreten und hat zusammen mit anderen Unbeirrbaren das Verfassungsgericht angerufen, um gewisse Politiker in die grundgesetzlichen Schranken weisen zu lassen – mit Erfolg. Aber das Spiel geht munter weiter – Vorratsdatenspeicherung etc.
    http://www.blaetter.de/artikel.php?pr=2742

    Passend zu diesem Thema liest man diese Woche im Feuilleton der ZEIT einen Vorab-Auszug (nicht online verfügbar) aus dem Mitte August erscheinenden Buch „Angriff auf die Freiheit“ von Ilija Trojanow und Juli Zeh. Die Autoren meinen „Unter dem Vorwand, uns vor terroristischen Gefahren schützen zu wollen, späht der Staat seine Bürger aus. Von dieser Politik der Angst dürfen wir uns nicht verrückt machen lassen.“

    Also: Man hüte sich vor Politikern, die uns Angst machen bzw. Betroffenheit oder ein schlechtes Gewissen einreden wollen; und wer gegen Internetzensur ist, ist noch lange kein Kinderpornobefürworter oder gar Kinderschänder.

  4. Selbstverständlich bin ich gegen Kinderpornografie und Terrorismus. Aber die Wahl der Mittel wie man diesen Verbrechen entgegenwirken kann, sollte sorgfältig überlegt sein.

    Wenn ich mir die letzten Jahre so vor Augen halte, welche Absichten die Politik durchsetzten möchte, könnte ich kotzen. So gewinne ich immer mehr den Eindruck, das was wir vor 20 Jahren an dem System der ehemaligen DDR verteufelt haben, wird schleichend in unserem Staat eingeführt. Die Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes ist ein weiteres gutes Beispiel dafür. Der Gedanke, dass man immer mehr Informationen über meine Person haben will, aber ich selbst die über mich gesammelten Informationen bei Behörden/Verwaltungen nicht einsehen darf, ist schon abartig. Wer glaubt heute in einem Rechtsstaat zu leben in dem Demokratie praktiziert wird, dem kann ich einige Beispiele und persönliche Erfahrungen nennen, die vom Gegenteil zeugen.

    Ich selbst habe das Informationsfreiheitsgesetzt genutzt, um Einsicht in das über meine Liegenschaft geführte Kehrbuch des Bezirksschornsteinfegermeisters zu bekommen. Es galt festzustellen, ob die Eintragungen mit den tatsächlichen und gesetzlich vorgeschrieben (von mir bezahlten) Leistungen übereinstimmen. Diese Informationen hat man mir zunächst auf eine einfache Anfrage hin nicht aushändigen wollen. Erst ein Antrag auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes hat mir den Zugang zu den von mir verlangten Informationen möglich gemacht. Wer mal in einem solchen Wespennest mit einem Stöckchen gestochert hat, der lernt kennen, wie Demokratie eigentlich funktioniert …

    Es gibt aber Fälle, die trifft es noch viel härter:

    http://www.youtube.com/v/s5ulRFqZEsE&color1=0xb1b1b1&color2=0xcfcfcf&hl=de&feature=player_embedded&fs=1

    Gruß
    Stefan

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